Editorial: Back to 2G
Speedtest im o2-Netz am Berliner Hauptbahnhof: Schnell geht anders, aber immerhin ist das Netz noch nutzbar.
Screenshot: teltarif.de
Es ist IFA, alle Welt kommt nach Berlin, um am Messegelände
"unter dem Funkturm" die neueste Elektronik zu bestaunen. Beide
Keynote-Vorträge des ersten Messetages drehen sich um das neue
Handynetz 5G. Anerkennend registrieren
die Besucher, dass die Deutsche Telekom
bereits den kommerziellen 5G-Betrieb gestartet hat: Im Berliner Zentrum
und auf dem Messegelände
werden Download-Geschwindigkeiten von
bis zu 1 GBit/s auch in der Praxis erreicht.
Von einem anderen Drama, das gleichzeitig in Berlin stattfindet, bekommen die ausländischen Besucher hingegen wenig mit: Da sich deren Smartphone beim Roaming in der Regel in das Netz einbucht, das am schnellsten antwortet, erleben sie nur selten das Netz von Telefónica/o2. Würden sie es doch tun, würden sie im Berliner Innenstadtbereich ihre Erfahrungen wohl mit "back to the roots" oder "zurück nach 2G" beschreiben.
Speedtest im o2-Netz am Berliner Hauptbahnhof: Schnell geht anders, aber immerhin ist das Netz noch nutzbar.
Screenshot: teltarif.de
Da passiert es bei der Einfahrt mit der S-Bahn in den Berliner
Hauptbahnhof schonmal, dass die Geschwindigkeit auf 1 bis 2 MBit/s
zurückfällt. Anschließend wechselt das Smartphone angesichts des
überlasteten 4G-Netzes nach 3G, was der Datenrate freilich nicht
hilft: Mit der Weiterfahrt zur Friedrichstraße und zum Hackeschen Markt
sinkt die Datenrate weiter. Selbst WhatsApp-Chats werden zur Qual.
Worst Case hat der Autor dieser Zeilen am IFA-Abend im o2-Netz im
Ostberliner Zentrum gerade mal noch 0,07 MBit/s im Downstream
gemessen. Die Upstream-Messung brach gar ganz ab. Derselbe
Netzbetreiber schafft in der Berliner Peripherie mit demselben
Smartphone locker 50 MBit/s down und 20 MBit/s up. Es
liegt also weder am Netzbetreiber an sich noch am verwendeten
Smartphone, dass die Ergebnisse im Zentrum so schwach sind.
Bereits vor zwei Jahren identifizierte Telefónica das Gebiet rund um die Berliner Friedrichstraße bereits als Problemregion. Das zuvor jahrelang kritisierte Funkloch am Berliner Hauptbahnhof war damals gerade beseitigt worden. Viel getan wurde anscheinend nicht seitdem: Inzwischen meldet sich das Hauptbahnhof-Funkloch zurück. Und auch Friedrichstraße, Hackescher Markt und Alexanderplatz werden zur Problemregion, wenn sich Freitag Abend das Partyvolk über die angesagtesten Locations austauscht oder Samstag nachmittags die Touristen ihre Schnappschüsse nach Hause senden.
Hinter dem Hauptbahnhof wechselt das Smartphone auf 3G: Die Datenrate bricht endgültig ein
Screenshot: teltarif.de
Der Mobilfunk-Netzausbau bleibt eine Sisyphus-Arbeit: Kaum glaubt
man, es geschafft zu haben, kommen die Kunden und entdecken neue
Möglichkeiten der Smartphone-Nutzung. Nur ein Beispiel: Auf den
genannten IFA-Keynotes erläuterte BMW, dass Karten-Updates derzeit so
funktionieren, dass die Fahrzeuge bei Diskrepanzen zwischen dem im
Fahrzeug verfügbaren Kartenmaterial und der tatsächlich gefahrenen
Strecke entsprechende Informationen an die Server senden. Künftig
wolle man wegen der erweiterten Verarbeitungsmöglichkeiten die zugehörige
Verarbeitung in die Cloud verlagern. Entsprechend leistungsfähig müssten
künftig die Netze sein, um laufend einen Livestream aller fahrenden Autos
übertragen zu können.