Sammelwahn

NSA greift Handyortungsdaten von Mobilfunkanbietern ab

Laut der Zeitung Washington-Post, sammelt die NSA auch die Handyortungsdaten aus den Datenbanken der Mobilfunkanbietern. Die deutschen Mobilfunkanbieter sehen kein Problem dabei.
Von dpa / Jennifer Buchholz

Der US-Geheimdienst sammelt die Daten aller Handynutzer Der US-Geheimdienst sammelt die Daten aller Handynutzer
Bild: dpa
Der NSA-Skandal hat eine neue Dimension erreicht: Der US-Geheim­dienst speichert laut einem Bericht der Washington Post die Auf­ent­haltsorte hunderter Millionen Handy-Nutzer. Pro Tag würden weltweit rund fünf Milliarden Datensätze gesammelt, schrieb die Zeitung. US-Beamte bestätigten die Existenz des Programms, äußerten sich aber nicht zu den Zahlen.

Die NSA könne Mobil­telefone überall auf der Welt aufspüren, ihren Bewegungen folgen und Ver­bindungen zu anderen Handy-Nutzern aufdecken, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Unterlagen aus dem Fundus des Informanten Edward Snowden.

Die Ortungs-Informationen kämen aus internen Daten der Mobilfunk-Anbieter, hieß es. Die Netz­betreiber verfügen über ausführliche Angaben über den Aufent­halts­ort von Handys, zum Beispiel um Roaming-Gebühren abzurechnen. Der Zeitung zufolge tauschen sie diese Daten auf breiter Front unter­einander aus, so dass es der NSA ausreiche, das System an wenigen Stellen anzuzapfen.

Damit hat die Über­wachung nichts mit den GPS-Ortungs­chips oder den Internet-Ver­bindungen moderner Smartphones zu tun, sondern es wären alle Mobil­telefone bis hin zum einfachsten Handy betroffen. Die Mobil­telefone sind permanent im Kontakt mit den Netzen, auch wenn sie gerade nicht für Anrufe verwendet werden.

Deutsche Mobilfunkanbieter sehen keine Gefahr

Der US-Geheimdienst sammelt die Daten aller Handynutzer Der US-Geheimdienst sammelt die Daten aller Handynutzer
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Bei deutschen Mobilfunk-Anbietern hieß es bisher, dass immer nur der aktuelle Auf­enthalts­ort eines Handy-Nutzers bekannt sei. Vorherige Ortungen würden gelöscht.

Die Standort-Informationen werden in einer gewaltigen Daten­bank gespeichert. Der Strom der Informationen sei so gewaltig, dass er die Fähig­keiten übersteigt, die Daten "aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern", zitierte die Zeitung eine NSA-Präsentation von Mai 2012. Die NSA sei darauf­hin zu einem System mit mehr Kapazitäten gewechselt. Der Geheim­dienst sammele so viele Daten wie er könne.

Von den seit Juni enthüllten Späh­programmen sei diese Sammlung und Analyse von Standort­daten wohl im "Umfang und möglichen Auswirkungen auf die Privats­phäre unübertroffen", schrieb das Blatt.

Geheimdienstler und Datenschützer verschiedener Meinung

Geheimdienst­ler betonten im Gespräch mit der Washington Post, dass das Programm rechtmäßig sei. Das Ziel der Überwachung seien "Ziele im Ausland". US-Bürger würden nicht gezielt überwacht. Die Behörde gelangt jedoch im Zuge der Über­wachung quasi als Neben­produkt an große Mengen von Daten von US-Telefonen. Die Analyse­programme unter dem Codenamen "Co-Traveller" genannte Analyse­programme durch­kämmten Milliarden von Daten­sätzen nach überstimmenden Bewegungs­mustern von Terror­verdächtigen.

Daten­schützer finden die Speicher­ung von Standort­daten seit langem besonders problematisch. "Eine der wichtigsten Komponenten von Orts­daten ist, dass die Gesetze der Physik verhindern, sie über­haupt geheim zu halten", sagte Chris Soghoian von der US-Bürger­rechtsunion ACLU.

Ortungsdaten sind wichtig für Mobilfunkanbieter

Standort-Informationen sind unverzichtbar für den Mobilfunk. "Das globale Telefon-Netz muss immer wissen, wo sich ein Handy befindet. Ansonsten können die Handys nicht mit Anrufen oder SMS angesprochen werden", sagte Alexia Sailer von der Deutschen Telekom. Sind die Telefone eingeschaltet, buchen sie sich in eine Mobilfunk-Zelle ein, die einen bestimmten geografischen Bereich abdeckt. Dieser Bereich kann unterschiedlich groß sein: In der Stadt sind die Zellen in der Regel kleiner, auf dem Land größer.

Gespeichert werde der exakte Standort immer dann, wenn ein Kommunikationsvorgang stattfindet, betonte die Telekom. Diese Daten würden zu Abrechnungszwecken, zur Erkennung von Störungen oder Aufdeckung von Missbrauch erhoben und aktuell sieben Tage lang gespeichert. Behörden haben auf richterliche Anordnung Zugriff darauf im Rahmen der gesetzlichen Ermittlungsverfahren.

Wenn sich ein Mobilfunk-Kunde aus Deutschland in einem anderen Land aufhält, verfügt der dortige Provider über die Standort-Informationen, um den Betrieb zu gewährleisten, erläuterte Sailer. Die Informationen zur Abrechnung der Roaming-Gebühren werden daraus automatisch generiert. Die heimische Provider erfahre in diesem Fall nur, in welchem Land sich ihr Kunde aufhielt, aber nicht seine exakten Standorte.

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