Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft kommt nach Naumburg
Die neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes soll den Mobilfunknetzausbau beschleunigen, dazu stehen ihr rund 1 Milliarde Euro zur Verfügung.
Foto: Picture Alliance / dpa
Seit Jahren wird in Deutschland über Funklöcher diskutiert und den etablierten Netzbetreibern vorgeworfen, die "Provinz" in Sachen Netzausbau zu vernachlässigen.
Zwar gibt es Fördertöpfe, wo der Stadt den Netzbetreibern einen Zuschuss zum Netzausbau geben kann, aber das ist alles kompliziert und schwerfällig. Und selbst wenn Netzbetreiber bauen wollen, werfen ihnen verunsicherte Anwohner und deren Initiativen oder schwerfällige Genehmigungsbehörden Steine in den Weg zum Netzausbau.
MISG soll an den Start gehen
Die neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes soll den Mobilfunknetzausbau beschleunigen, dazu stehen ihr rund 1 Milliarde Euro zur Verfügung.
Foto: Picture Alliance / dpa
Der Minister für Digitales, Verkehr und Infrastruktur, Andreas Scheuer (CSU) hat sich deswegen eine "Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft" (abgekürzt MISG) ausgedacht. Nach dem in der Politik üblichen Vorlauf soll die Geschichte nun konkrete Formen annehmen. Diese Gesellschaft wird ihren Sitz in Naumburg in Sachsen-Anhalt haben. Das teilte das Bundesverkehrsministerium heute mit.
Wie schon berichtet, soll die neue Gesellschaft unter anderem die Suche nach Standorten für Mobilfunkmasten in bislang unversorgten Gegenden übernehmen und das vom Bund aufgesetzte, mit 1,1 Milliarden Euro dotierte Mobilfunkförderprogramm des Bundes betreuen.
Die Aufgaben der MISG
Eigene Sendertechnik betreiben kann diese Gesellschaft übrigens nicht, denn die Funkfrequenzen wurden ja den drei (vier) Netzbetreibern zugeteilt: Telekom, Vodafone, Telefónica-o2 und neu dabei: 1&1-Drillisch. Andernfalls hätten die Gesetze, Verordnungen und Lizenzen neu formuliert werden müssen und den Netzbetreibern würde Schadenersatz für bereits "gemietete", aber nicht nutzbare Frequenzen zustehen. Das würde den Prozess auf lange Sicht verzögern.
Heute hat der Minister genauer erklärt, was geplant ist: "Dort, wo die Mobilfunknetzbetreiber nicht privat ausbauen und auch keine Versorgungsauflagen bestehen, ergreifen wir die Initiative und treiben den Ausbau in enger Einbindung von Unternehmen und Kommunen voran".
Konkret sollen über 4000 noch verbliebene "weiße Flecken" über ein Mobilfunkförderprogramm geschlossen werden, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hervorging.
Aufwertung für Sachsen-Anhalt
Die Stadt Naumburg liegt im Bundesland Sachsen-Anhalt, was gerade durch die Ablehnung der geplanten Rundfunkgebührenerhöhung in die Schlagzeilen geraten ist. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) freut sich natürlich und betonte, die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland sei eine wichtige Aufgabe. "Dazu gehört der Aufbau moderner Kommunikationsstrukturen auch im ländlichen Raum ebenso wie eine ausgewogene Verteilung von Bundesbehörden. Mit der Ansiedlung der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft in Naumburg kommen wir diesem Ziel einen weiteren Schritt näher." Der Bund hatte angesichts des Kohleausstiegs und im Zuge des Strukturwandels zugesagt, neue Bundesbehörden im Osten anzusiedeln.
Tochter von Toll Collect
Die neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft soll eine Tochter des (längst) bundeseigenen Lkw-Mautbetreibers Toll Collect werden. Deswegen muss laut Ministerium formal der Aufsichtsrat der Toll Collect GmbH noch die Gründung der neuen Gesellschaft beschließen, das soll am 16. Dezember erfolgen.
Die Gesellschaft soll dann schrittweise aufgebaut werden, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Grünen-Anfrage hervorging. Geplant ist demnach eine Sollstärke von knapp 100 Beschäftigten. Sie sollen Förderverfahren initiieren, begleiten und abwickeln, für eine beschleunigte Abwicklung von Genehmigungsverfahren sorgen und die Kommunen bei der Standortsuche unterstützten.
Die Spitzen der Koalitionsfraktionen hatten die Einrichtung einer Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft bereits im vergangenen Sommer beschlossen. Sie solle dort eingreifen, wo der wirtschaftliche Ausbau nicht funktioniere und weiterhin weiße Flecken bestünden.
Gleichzeitig wolle man den Sprung zum nächsten Mobilfunkstandard 5G schaffen und die Rahmenbedingungen setzen, um Leitmarkt für entsprechende Anwendungen zu werden. Der Bund soll demnach über die Gesellschaft den Bau von eigenen Mobilfunkmasten in Auftrag geben können - und zwar auf bundeseigenem Gelände, hieß es.
Neben weißen Flecken beim Mobilfunk gibt es auch beim Ausbau von schnellen Internet-Verbindungen in Deutschland noch Nachholbedarf. Regional gibt es immer noch große Unterschiede, vor allem zwischen Städten und ländlichen Gegenden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Es hätte so einfach sein können: Mit einer generellen Musterzulassung für Mobilfunksendeanlagen (die bestimmte Vorschriften einhalten müssen) hätte man längst einen wichtigen Felsbrocken aus dem Weg bekommen können. Die Mobilfunkanbieter hätten dann einfach mitgeteilt, wir bauen dort und dort und hätten dann sofort loslegen können - in anderen Ländern ist das längst üblich. Die Bundesnetzagentur, die Umweltbehörden oder die Bauämter hätten dann im Nachhinein geprüft, falls es Fragen gegeben hätte.
Was passiert, wenn die Mobilfunker einen von der MISG gebauten Masten nicht nutzen möchten, weil er vielleicht in ihre regionale Netzstruktur nicht passt oder die Miete dafür zu teuer erscheint? Viele Fragen.
Mit einer Ausschreibung zum Füllen der weißen Flecken wäre vielleicht längst mehr gebaut worden. Geld ist vorhanden, aber die Kanäle bis hin zum effektiven Aufbauen sind verstopft, die Verfahren viel zu kompliziert.
Und jetzt muss erst die neue Behörde, pardon Firma, gestartet werden, Personal gesucht, Dienstwagen und Fahrer eingestellt werden und dann... vielleicht... irgendwann.