Verwirrung um Mobilfunkmast in Kleßen-Görne
Im Sommer war die Welt in Kleßen-Görne noch in Ordnung. Minister Scheuer weihte eine ad hoc installierte Mobilfunk-Basisstation der Telekom ein.
Foto: Picture Alliance / dpa
Ganz Deutschland jammert über Funklöcher. Speziell ländliche Regionen in den alten und neuen Bundesländern sind in der Tat schlecht bis gar nicht versorgt.
Wenn alle an einem Strang ziehen
Im Sommer war die Welt in Kleßen-Görne noch in Ordnung. Minister Scheuer weihte eine ad hoc installierte Mobilfunk-Basisstation der Telekom ein.
Foto: Picture Alliance / dpa
In diesem Sommer demonstrierten Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, gemeinsam mit der Deutschen Telekom, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen.
Die Rede ist von 14728 Kleßen-Görne, einem romantischen Ort in Brandenburg. Dieser Ort mit seinen rund 360 Einwohnern im Havelland war zuvor in die Schlagzeilen geraten, weil er in einer Senke liegt und die Signale der Sender aus der Umgebung über ihn hinweg oder ganz vorbeistrahlen. Solche Orte gibt es einige im Land.
Minister bringt Sender mit
Kurz vor seinem "Mobilfunkgipfel" hatte Minister Scheuer daher in Kleßen-Görne zu einem Termin gebeten, wohin er einen Bus voller Journalisten gekarrt hatte. Dort gab er auf einer Wiese am Ortsrand symbolisch den Startschuss für den Bau einer Mobilfunkzelle. Diese war provisorisch in einem Container montiert, verziert mit einem Teleskopmast und "innerhalb von 14 Tagen" geplant und aufgebaut worden, wie Eingeweihte berichten, eine Meisterleistung der Logistik.
Sanfter politischer Druck hatte im Sommer die Deutsche Telekom "überzeugt", rund 500 Euro pro Einwohner für diese Anlage zu investieren. Wirtschaftlich sei dies natürlich nicht, ließen Firmenvertreter schon damals durchblicken.
Vermeintliche Bürgerinitiative gibts gar nicht
Schlechte Kommunikation löste in Berlin große Missverständnisse aus. Minister Scheuer wird mit den Worten "Alle waren glücklich, alle auf dem Maisfeld (wo der provisorische Sender steht) haben sich unglaublich gefreut", zitiert. "Jetzt hängt es an der Baugenehmigung." Und damit sehe es auf einmal gar nicht mehr so gut aus. "Eine Bürgerbewegung hat sich dagegen gegründet", soll der Minister gesagt haben.
Aus dieser Faktenlage war der (falsche) Eindruck entstanden, dass sich Bürger in Kleßen-Görne gegen die Versorgung ausgesprochen hätten. Dem ist offenbar nicht so. Amtsdirektor Jens Aasmann vom Amt Rhinow, dem zuständigen Verwaltungssitz für Kleßern-Görne teilte uns mit:
"Es gibt keine solche Bürgerbewegung oder Proteste gegen die geplanten Sendemasten. Im Gegenteil! Gemeinde und Einwohner unterstützen nach wie vor die Telekom dabei, das Funkloch endgültig zu stopfen. Vielleicht wurde eine Meldung der Lokalzeitung falsch interpretiert. Dort wurde von einer Messung der Strahlenbelastung berichtet. Diese Messung war aber vom Ortsvorsteher mit der Telekom schon im Juli vereinbart worden, gerade um etwaige Befürchtungen von Anwohnern zu entkräften. Das Interesse vor Ort an der Messung war gering, die Grenzwerte natürlich eingehalten. Um so erstaunlicher, welche Wellen gerade durch Presseberichte entstehen. Der Bauantrag ist in der Bearbeitung beim Landkreis Havelland. Im Augenblick ist nichts absehbar, was einer raschen Genehmigung entgegenstehen könnte."
Übersteigerte Erwartungen
Bei dem Termin im Berliner Basecamp mahnte Scheuer vor "übersteigerten Erwartungen an den mittlerweile regulatorisch eingeleiteten 5G-Ausbau". Konkret: "Wir brauchen die dreifache Anzahl von Sendeanlagen." Doch damit täten sich nicht nur die Netzbetreiber schwer. Aber Scheuer bleibt hart: Die Bundesregierung halte generell an ihrem "Ziel Nummer Eins" fest, eine flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk und Glasfaser hinzubekommen. 4G sei dabei die notwendige Basis für die nächste Generation, so der Minister.
Manchmal läuft es anders
Gegenüber teltarif.de war hinter vorgehaltener Hand von hochrangigen Branchenvertretern schon öfters zu hören, dass derzeit viele Orte nach Netz riefen, wo sich verunsicherte oder schlecht informierte Mitbürger gegen Antennen stellten oder funktechnisch ausgesuchte Standorte ablehnten. Manche dieser Orte hätten früher schon damit geworben, "strahlenfrei" zu sein. Der Aufbau der Funkmasten scheitere teils an Bürgerinitiativen oder uneinsichtigen Rathausvertretern, dazu kämen Naturschutzauflagen.
Eine Einschätzung
Zu Beginn des Mobilfunks gab es Bedenken, ob die "Strahlung" einer Mobilfunkantenne vielleicht gesundheitliche Auswirkungen haben könnte. Die Antwort haben aberzigtausende Stationen weltweit längst gegeben. Nein, es besteht keine Gefahr, wenn Grenzwerte eingehalten werden. Und, was man leicht verständlich beweisen kann, je näher eine Sendestation zum Anwender ist, desto geringer ist die Belastung, weil das eigene Handy nicht mit voller Leistung nach der Basis "brüllen" muss.
Mancher Sendemast mag vielleicht auf den ersten Blick nicht besonders ästhetisch aussehen, was oft für "Verstimmung sorgt". Die Frage ist, ob sich die Bedenkenträger in den Gemeinden und ihren Verwaltungen bewusst sind, dass sie mutwillig ihre und unsere digitale Zukunft verschlafen.
Vielleicht sollten das Ministerium neue Straßenschilder entwerfen: Hier bekommen Sie kein mobiles Internet und können nicht telefonieren, weil die Einwohner von ... (Name) es nicht wollen.
Erfreulich: Für Kleßern-Görne stehen die Zeichen somit günstig. Vielleicht macht dieser Ort mit seiner positiven Einstellung bundesweit Schule, was ein flächendeckender Netzausbau bewirken kann, wenn sich alle Beteiligten einig sind.