Editorial: Freiheit für (LTE-)Router
Ein LTE-Router als DSL-Ersatz
Bild: AVM
Eigentlich sollte es doch ganz einfach sein: Wenn "Flatrate"
drauf steht, muss auch Flatrate drin sein. Also ein unlimitierter
Internetzugang, mit dem der Kunde machen kann, was er will. Grenzen
gibt es lediglich dort, wo ein solcher Zugang nicht nur persönlich,
sondern gewerblich verwendet wird: Es ist klar, dass ein
Flatrate-Zugang nicht weiterverkauft werden darf. Und während der
Betrieb eines "OwnCloud"-Servers mit den persönlichen Daten des
Nutzers natürlich noch in Ordnung ist, wäre der Betrieb einer
Firmen-Website wie www.teltarif.de an einem privaten Internetzugang
natürlich ein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen.
Andererseits werben die Telekommunikationsanbieter gerne mit "Flatrate", suchen dann aber doch nach Möglichkeiten, die allerintensivsten und folglich auch allerteuersten Nutzer wieder loszuwerden. Eine davon hat o2 mit der Vertragsbedingung gefunden, wonach der Tarif o2 Free Unlimited nur mit Geräten erlaubt sein soll, die den mobilen Internetzugang (zumindest, solange der Akku hält) auch "unabhängig von einem Stromanschluss" nutzen können. Stationäre LTE-Router sind ausdrücklich verboten.
Es erscheint schon fraglich, was o2 mit solchen Vertragsbedingungen überhaupt bezweckt. Schließlich sind mobile LTE-Router kaum weniger leistungsfähig als stationäre. High-End-LTE-Smartphones sind im Tethering-Modus sogar schneller als die meisten LTE-Router, können also mehr Datenvolumen verbrauchen als die Router. Zwar ist bei Smartphones die Zahl der Geräte, die gleichzeitig eine Tethering-Verbindung aufbauen können, meist limitiert. Das Problem lässt sich aber per nachgeschaltetem WiFi-Router umgehen.
Sollen weiße Flecken weiß bleiben?
Ein LTE-Router als DSL-Ersatz
Bild: AVM
Die einzige Fähigkeit, die die stationären Router den mobilen
Routern und Smartphones meist voraus haben, ist die Möglichkeit, eine
externe Antenne anzuschließen. Aber auch das sollte die Netzbetreiber
eigentlich nicht stören: Denn soweit eine solche externe Antenne die
Empfangsqualität verbessert, wird zur Übertragung derselben Datenmenge
weniger Bandbreite einer Zelle benötigt, da bei besserer Empfangsqualität
mehr Bits pro Signal übertragen werden können und zugleich die Zahl
der mitübertragenen Fehlerkorrekturbits reduziert werden kann.
In der Praxis dürften die genannten externen Antennen jedoch vor allem dort verwendet werden, wo ohne deren Antennengewinn nichts mehr geht. Wenn mit der externen Antenne dann statt "Funkloch" doch noch eine Versorgung entsprechend ein oder zwei Balken erreicht wird, sind die Nutzer der Antenne natürlich hochzufrieden, endlich (halbwegs) schnelles Internet im trauten Eigenheim auf dem Land zu haben. Die Netzbetreiber sind hingegen verärgert, wenn sie dann die ganze Familie mit Netflix-Streams in 4K versorgen dürfen, und das über ein Endgerät, das aus netztechnischer Sicht am schwierig zu versorgenden Zellenrand liegt.
Nochmals kurz zusammengefasst: Verbessert ein stationärer Router im Vergleich zu einem Mobilgerät die Empfangssituation von ein oder zwei Balken auf drei oder vier, ist das (bei unverändertem Datenkonsum) positiv für die Netzbetreiber, weil die Effizienz steigt. Gewinnt sie aber dank stationärer Router viele neue Kunden im "ein-Balken-Grenzbereich" hinzu, dann erhöht das die Belastung der Zelle überproportional. Schlimmer noch: Installiert der Netzbetreiber später neue Basisstationen in den bisherigen weißen Flecken, werden die meisten Nutzer mit Richtantennen das gar nicht mitbekommen und ihre Antennen auch nicht neu ausrichten. Die ungünstige Empfangssituation bleibt also erhalten!
Endgerätefreiheit gilt!
Aus Netzbetreibersicht sind nicht von ihnen selbst installierte und gewartete stationäre Router also tatsächlich ein gewisses Problem. Andererseits hat die Politik nun mal für alle Netze die Endgerätefreiheit festgeschrieben. Und so lange eine Nutzerantenne keine Störsignale aussendet oder dank hoher Antennenbündelung die zugelassenen Feldstärken überschreitet, entscheiden die Nutzer über ihre Endgeräte, nicht die Netzbetreiber.
Hinzu kommt, dass eine Beschränkung auf Smartphones das Problem der Richtantennen mitnichten grundsätzlich löst: Vom Prinzip her könnten die Antennenhersteller auch rein passive Reflektoren anbieten, in deren Fokus man ein Smartphone positioniert. Über ein USB-Kabel verbindet man das Smartphone dann mit einem Router, wobei USB sowohl zur Stromversorgung als auch zum Tethering genutzt wird. Eine Plastikabdeckung schützt das Smartphone vor Regenwasser. Man spart auf dem Weg sogar die Dämpfung des Antennenkabels, hat im Optimalfall also sogar besseren Empfang als mit den bisherigen stationären LTE-Routern, und damit noch mehr Nutzer, die sich am Zellenrand irgendwie doch noch ein Signal "heranziehen". Und, wie schon geschrieben, die Bestrebungen der meisten Nutzer auf Optimierung der eigenen Empfangssituation dürften genau dort enden, wo sie erstmalig ein halbwegs brauchbares Signal gefunden haben.
Netzausbau statt Nutzergängelung
Die Lösung des Problems wäre natürlich einfach: Zügiger weiterer Netzausbau würde dafür sorgen, dass die User nicht selber basteln müssen, um irgendwie doch noch einen Zugang zu bekommen. Insbesondere lässt es sich mittelfristig eh nicht vermeiden, Glasfaser-Internet in der Fläche auszubauen. Je schneller man das angeht, desto weniger Nutzer müssen 4G- oder 5G-Dienste als Festnetzersatz missbrauchen. Und ja, die Geschäftsentscheidung von o2, sich zwischenzeitlich für mehrere Jahre aus dem eigenen Festnetz-Ausbau zurückzuziehen, fällt jetzt doch ein Stück weit auf den Konzern zurück, in Form der genannten Probleme im Mobilfunknetz.
Alternativ könnten die Netzbetreiber noch deutlich bessere Mobilfunkersatzlösungen als die aktuell vertriebenen LTE/5G-Zuhause-Tarife anbieten, und zwar inklusive Ausmessung vor Ort und Installation einer passenden (und nicht nur gerade so ausreichenden) Antenne. Da die Netzbetreiber dann wissen, wo die Nutzer sitzen, können sie die Antennen auch neu ausrichten, wenn sie neue Basisstationen in Betrieb nehmen oder alte abschalten. Nur: Ein solches Produkt benötigt viel Planung und Service vor Ort - also genau das, was die Netzbetreiber um jeden Preis zu vermeiden suchen.
Auf jeden Fall ist zu begrüßen, dass der vzbv die Netzbetreiber, die LTE-Router verbieten wollen, entsprechend abmahnt. Davon ist übrigens nicht nur o2 betroffen, sondern auch die beiden anderen Netzbetreiber Deutsche Telekom und Vodafone sind es. o2 war nur der erste Netzbetreiber, für den nun eine gerichtliche Entscheidung vorliegt: Das Landgericht München hat dem vzbv Recht gegeben. o2 hat aber Berufung eingelegt, und im Zweifelsfall wird das Verfahren zur grundsätzlichen Klärung bis vor den BGH gehen. Auch eine Vorlage vor den EuGH, wie die Richtlinie zur Routerfreiheit genau auszulegen ist, ist denkbar. Bis zu einem finalen Urteil werden also noch Jahre vergehen, und bis dahin werden Routernutzer leider weiterhin von den Netzbetreibern gegängelt werden.