Flexibler

Editorial: Mehr Laufzeit für mehr Netzausbau!?

Große Koalition will den Anbietern entgegenkommen
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Editorial: Mehr Laufzeit für mehr Netzausbau!? Mehr Laufzeit, mehr Netzausbau!?
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Eine Passage aus dem Koalitionsvertrag der Union und SPD lässt aufhorchen. Im Gegenzug zu verstärktem Netzausbau sollen künftig insbesondere im ländlichen Raum auch Vertragslaufzeiten von drei bis vier Jahren ermöglicht werden. Derzeit verbieten die Gesetze zu allgemeinen Geschäftsbedingungen (kurz AGB) solche Vertragsklauseln mit Privatkunden, die eine Mindestlaufzeit von mehr als zwei Jahren vorsehen. Es gibt aber Ausnahmen; so sind beispielsweise für viele Sachversicherungen auch dreijährige Laufzeiten mit Privatkunden zulässig.

Editorial: Mehr Laufzeit für mehr Netzausbau!? Mehr Laufzeit, mehr Netzausbau!?
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Grundsätzlich würde eine Flexibilisierung der Vertragslaufzeiten den Anbietern in der Tat entgegenkommen. Wenn sie an einem Ort zum Beispiel 500 Kunden für ein Breitbandprodukt finden und diese für vier Jahre zu je 40 Euro monatlich binden könnten, dann würde das fast eine Million Euro garantierten Umsatz bedeuten. Dem könnten sie dann die Netzausbaukosten gegenüberstellen und anschließend eine klare Investitionsentscheidung treffen. Die festen Kundenverträge steigern auch die Chance, dass eine Bank zumindest einen Teil der Investitionssumme vorfinanziert.

Allerdings muss es, wenn solche längeren Laufzeiten zugelassen werden, Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher geben. Wenn ein Anbieter die Sonderregelung in Anspruch nimmt, längere als die üblichen zweijährigen Laufzeiten zu vereinbaren, dann darf er das auf keinen Fall tief in den AGB vergraben, sondern muss darüber eine gesonderte Vereinbarung mit dem Kunden treffen, die der Kunde eigenhändig und gesondert zum Hauptvertrag unterschreiben muss. Ebenso ist eine Regelung zu fordern, die den Kunden eine vorzeitige Ablöse ermöglicht, wenn er den Vertrag partout nicht mehr benötigt. Denkbar wäre zum Beispiel, dass der Kunde in diesem Fall nur zwei Drittel der ausstehenden Summe bis zum regulären Kündigungstermin bezahlen muss.

Schwierig wird die Gesetzgebung bezüglich der genauen Formulierung der Ausnahmeregelungen. Sowohl "ländlicher Raum" als auch "Ausbau und Finanzierung der Breitbandinfrastruktur" sind interpretationsfähige Begriffe. Seit über einem Jahrzehnt sind alle Netzbetreiber dauerhaft mit dem Ausbau der Breitbandinfrastruktur zugange. Formuliert man das Gesetz zu weit, werden künftig alle LTE-Verträge (oder später dann LTE-Advanced-Verträge) mit den langen Laufzeiten abgeschlossen.

Im Gegenzug automatische Vertragsverlängerung streichen?

Schließlich wäre eine Gesetzgebung zu Gunsten längerer Laufzeiten auch eine gute Gelegenheit, die bestehenden Laufzeit-Regelungen zu überprüfen. Es ist nämlich verständlich, dass Firmen die Kosten für den Vertragsabschluss auf eine Laufzeit von derzeit oft ein bis zwei Jahren oder künftig gar bis zu vier Jahren verteilen. Unverständlich ist aber, dass die Anbieter sich auch danach herausnehmen, den Vertrag jeweils um ein ganzes Jahr zu verlängern, wenn der Kunde nicht kündigt. Zwar gibt es Dienstleistungen, z.B. Sportvereine für Mannschaftssport oder Winterdienst, wo Personal- und Dienstpläne für längere Zeiträume festgelegt werden, und der Anbieter tatsächlich ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Kunden dann jeweils bis zum Saisonende dabei bleiben.

Bei anderen Dienstleistungen, beispielsweise Fitness-Studios oder Tk-Dienste, hat es sich hingegen eingebürgert, dass Kunden laufend einsteigen können, und dann gibt es auch keinen Grund, sie nicht laufend aussteigen zu lassen, wenn sie ihre jeweilige Verpflichtung, in Form der Mindestvertragslaufzeit, erfüllt haben. Es ist daher zu fordern, dass künftig schon bei Zweijahresverträgen, und erst recht bei noch längeren Laufzeiten, nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit keine weitere automatische Vertragsverlängerung eintritt. Der Kunde kann dann mit höchstens dreimonatiger Frist zu jedem Termin kündigen.

Verzichtet der Anbieter hingegen auf Mindestlaufzeiten, darf er nach diesen Vorstellungen auch künftig einen oder mehrere nach dem Kalender benannte Kündigungstermine benennen, sowie eine Kündigungsfrist von maximal sechs Wochen. Im Sportverein wäre das beispielsweise: "Die Kündigung ist jedes Jahr mit sechs Wochen Frist zum 31. Juli möglich". Im ungünstigsten Fall muss der Kunde dann 13,5 Monate abwarten, bevor er aus dem Vertrag kommt.

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