Bahnfunk: Wenn ein Funkloch nicht existiert
Wir hatten über die Planungen in Hamburg berichtet, wo eine S-Bahn-Linie probeweise über 5G teilweise ferngesteuert fahren soll. Dabei haben wir überlegt, was in einem Funkloch passiert, wenn der Zug gerade nicht erreichbar wäre und uns das schwere Zugunglück von Bad Aibling (Bayern) erinnert. Dort waren am 9. Februar 2016 zwei Züge frontal zusammengestoßen, weil ein überforderter Fahrdienstleiter auf der eingleisigen Strecke zwei Zügen gleichzeitig die Fahrtfreigabe erteilt hatte.
Als er seinen Fehler bemerkte, wollte er die betroffenen Lokführer per Bahnfunk erreichen, kam aber nicht durch. "Ein Funkloch an der Strecke verhinderte die Verbindung" hieß es damals und danach verschwand das tragische Unglück mit 11 Toten und 85 Verletzten wieder aus dem öffentlichen Bewusstsein.
Nicht jedes Funkloch existiert wirklich
Beim Zugunglück in Bad Aibling kamen 11 Menschen ums Leben, 85 wurden verletzt. Ein Funkloch bestand entgegen erster Annahmen dort nicht
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Nur, es war dort kein Funkloch (mehr), wie uns ein technisch kundiger teltarif.de-Leser aufmerksam machte. Das "Funkloch" existierte tatsächlich bis zum Jahre 2010. Damals wurde es durch einen Füllsender gestopft, der Unfall war erst 2016.
Falls Sie es nicht mitbekommen haben: Neben einer komplexen Abfolge von Bedienfehlern beim Fahrdienstleiter behinderte eine inzwischen geänderte Besonderheit des "Notrufes" im GSM-R-Bahnfunk eine möglicherweise noch rechtzeitige Alarmierung der Züge.
Damals gab es im GSM-R-Bahnfunk noch zwei Notrufmöglichkeiten: Einen für die Strecke und einen für die Lokführer, im Bahnjargon "Triebfahrzeugführer" (Tf) genannt. Der Fahrdienstleiter wählte den (falschen) Code für die Strecke und hätte damit nur etwa vorhandene Gleis-Arbeiter an der Strecke erreicht, aber nicht die Triebfahrzeugführer.
Wer etwas Zeit hat und sich für die Details interessiert, kann sich den über 300 Seiten langen Untersuchungsberichts der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung durchlesen, der alle Details der komplizierten Technik und des Ablaufs der Ereignisse beleuchtet. Die Frage, warum es zwei verschiedene Notrufe gibt, stellte damals auch die Aufsichtsbehörde, da es kaum einen Anwendungsfall gibt, bei dem nur das Instandhaltungspersonal an der Strecke, nicht aber die Züge selbst, erreicht werden müssen. Mittlerweile kann von den Stellwerken nur noch der Notruf, der auch die Züge (sprich Lokführer und/oder Zugpersonal) erreicht, ausgelöst werden.
UMTS 900 oder LTE 900 können GSM-R stören
Drei verschiedene Dienst-Telefone mit verschiedenen Funktionen, da kann man den Überblick verlieren
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Der zunehmende Netzausbau mit Mobilfunk der 4. Generation (LTE) auf 700-900 MHz sorgt aber bei der Bahn für einen unschönen Effekt:
Weil der Netzausbau teuer ist, haben viele Eisenbahnnetzbetreiber ihre Strecken nur gerade so ausgebaut, dass selbst beim Ausfall einer Eisenbahn-Basisstation (BTS) zwischendrin die Feldstärke gerade noch den vorgeschriebenen Mindestpegel von -98 dBm erreicht. Dazu gibt es eine Spezifikation (EIRENE SRS Version 15), die Details definiert.
Solange auf den benachbarten Frequenzen ("E-GSM") der öffentlichen Mobilfunknetze (Telekom, Vodafone, ehemalige E-Plus, VIAG-Telefónica) ebenfalls nur mit GSM gefunkt wurde, war die Nachbarschaft der Mobilfunknetze kein Problem.
Seit einigen Jahren dürfen die Mobilfunkanbieter dort auch "technologieneutral", also mit UMTS 900 oder LTE 900 funken. Die Signale von UMTS und LTE sind aber deutlich breitbandiger und können bei den bislang üblichen GSM-R-Empfängern Störungen durch Intermodulation führen.
Bei Intermodulation mischen sich im Empfänger zwei Nutzsignale (Bahn und öffentliches Netz). Diese Mischprodukte fallen genau in den Empfangsbereich des GSM-Zugfunks und erzeugen dort Geister-Störsignale. Das ist übrigens der Grund, warum der LTE-Netzausbau entlang von Bahnstrecken nicht so flott voran gehen kann, wie es die öffentlichen Netzbetreiber gerne hätten. Die Bahn muss genau darauf achten, dass ihre Kommunikation auf keinen Fall gestört wird. Eine Lösung könnten höhere Frequenzen für die öffentlichen Mobilfunker sein, der Nachteil dabei ist, dass man mehr Sender braucht, weil die Reichweite geringer ist und mehr Sender kosten mehr Geld.
Bevor falsche Vermutungen entstehen: Das Untersuchungsamt hat den Unfall ausführlich untersucht und auch das Bahn-Funksystem getestet. Es funktionierte an der betroffenen Stelle einwandfrei.