Bundestags-Beschluss

Breite Front gegen Vor­rats­daten­speicherung

Die heute beschlossene Vor­rats­daten­speicherung ruft nicht nur Empörung bei Verbrauchern und der Industrie hervor. Mehrere Politiker und Verbände planen eine Verfassungsklage - und die dürfte gute Erfolgsaussichten haben.
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Proteste vor dem Reichstag Breite Front gegen Vor­rats­daten­speicherung
Bild: dpa
Wie bereits berichtet hat der Bundestag heute die Wieder­ein­führung der Vor­rats­daten­speicherung beschlossen. Bereits im Vorfeld gab es harte Kritik an dem Gesetzesvorhaben, weil das Gesetz in einigen Fällen unausgegoren erscheint. Vorab kritisiert wurde nicht nur die völlig verdachts- und anlasslos Speicherung von Verkehrsdaten sowie die Problematik, dass die Daten von Berufsgeheimnisträgern - etwa Rechtsanwälten, Ärzten, Abgeordneten oder Journalisten - grundsätzlich erst einmal mitgespeichert werden.

Aber nicht nur Politiker und Datenschützer machen Front gegen die erneute Vor­rats­daten­speicherung, auch die Industrie und die Tele­kommuni­kations­an­bieter, die die Speicherung technisch umsetzen und dafür Geld investieren müssen, sehen die Sache zum Teil kritisch. Wir haben ausgewählte Reaktionen zusammengefasst.

eco-Verband bemängelt Grundrechtseinschränkung und hohe Kosten

Proteste vor dem Reichstag Breite Front gegen Vor­rats­daten­speicherung
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Der eco-Verband der Internetwirtschaft äußerte sich bereits kurz vor der erwarteten Verabschiedung des Gesetzes: "Die Bundesregierung hat hier im Eiltempo ein Gesetz auf den Weg gebracht, das in dieser Form letztlich nur Verlierer hervorbringen wird. Bürger müssen eine Beschneidung ihrer Grundfreiheiten ertragen, die betroffenen Unternehmen bleiben auf Kosten von geschätzt 600 Millionen Euro sitzen, die sie für die Einrichtung entsprechender Speicherinfrastruktur ausgeben werden, und auch der Nutzen für die Strafverfolgung ist mehr als fraglich. Gleichzeitig ist jetzt schon klar, dass dieses Gesetz aufgrund zahlreicher rechtlicher Mängel und technischer Unstimmigkeiten wie schon sein Vorgänger im Jahr 2007 vor dem Bundesverfassungsgericht landen und dort voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Im Grundsatz handelt es sich hierbei um eine netzpolitische Fehlentscheidung, die wahrscheinlich vermeidbar gewesen wäre, wenn sich die Bundesregierung sorgfältiger mit den Einwänden der Wirtschaft auseinandergesetzt hätte."

In einer ausführlichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf [Link entfernt] hatte der Verband schon vorab konstatiert, dass viele der technischen Vorschriften in der Praxis nicht handhabbar sind und dass einige Vorschriften nicht hinreichend klar formuliert sind.

Bitkom: Gesetz schafft Rechtsunsicherheit

"Das Gesetz zur Vor­rats­daten­speicherung wird im Eilverfahren durch das Parlament gebracht. Aus unserer Sicht hätte es die Möglichkeit zur intensiveren Diskussion dieses umstrittenen Themas geben müssen", äußerte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in einer Mitteilung. Bei der Vor­rats­daten­speicherung müssen laut dem Bitkom Sicherheitsinteressen und Bürgerrechte sehr sorgfältig abgewogen werden. "Es ist fraglich, ob die angestrebten Ermittlungserfolge einen derart starken Eingriff in die Grundrechte der Bürger rechtfertigen", sagte Rohleder weiter.

Eine genaue Höhe der zu erwartenden Kosten für die Industrie gibt der Bitkom nicht an, der Verband spricht von einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Es würden einmalige Ausgaben für die technische Infrastruktur und laufenden Kosten für den Betrieb der Systeme sowie für die Bearbeitung der Behördenanfragen entstehen. Unklar sei es auch in technischer Hinsicht, wie die Vorgabe umzusetzen sei, dass "die Speicherung entkoppelt vom Internet" erfolgen soll.

Klagen gegen das Gesetz sind geplant

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki will vor dem Bundesverfassungsgericht eine persönliche Klage gegen das Gesetz einreichen, auch Politiker der Piraten haben diesen Schritt angekündigt. Im Parlament hat sich die Opposition gegen das Gesetz ausgesprochen, insbesondere Vertreter der Grünen und der Linken kritisierten die zu kurze und wenig intensive Debatte, von einer Gefährdung des Rechtsstaats ist die Rede und der Generalverdacht gegenüber allen Bürgern sei nicht nachvollziehbar.

Die ARD weist in einer NDR-Sendung darauf hin, dass das Gesetz den Journalismus gefährdet und sogar ein "Anti-Whistleblower-Gesetz" werden könnte - der investigative Journalismus sei in Gefahr. Auch der Verein Digitalcourage ruft zu einer Unterstützung seiner geplanten Verfassungsbeschwerde auf.

Der Blog netzpolitik.org veranschaulicht die technische Sinnlosigkeit der Erhebung von Metadaten. Wenn man klassische SMS und Telefonate vermeide, gebe es genügend Möglichkeiten, wie man an der Vor­rats­daten­speicherung vorbei mit anderen Nutzern sicher kommunizieren könne. Verkehrsdaten von iMessage- und FaceTime-Kommunikationen mit Apple-Geräten werden von den deutschen Providern ebensowenig erfasst wie bei Messengern wie Chatsecure oder Textsecure. Auch zum verschlüsselten Telefonieren nennen die Blogger Beispiele und empfehlen für den Datenverkehr Tor, VPN-Verbindungen und PGP-Verschlüsselung.

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