Abkassiert

Editorial: Teurer Poker

Telefónica muss nach der aktuellen Frequenzauktion mehr Frequenzen zurückgeben, als sie neu ersteigert hat. Kann das gutgehen? Und warum haben die anderen Netzbetreiber so viel für 1800 MHz geboten?
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Es hat sich herumgesprochen, dass man bei 1800 MHz sehr gut ein LTE-Netz aufbauen kann. Nimmt man nämlich nur 2600 MHz - das 2010 für LTE neu versteigerte Frequenzband - muss man das Netz der Basisstationen im Vergleich zum bisherigen Raster (1800 MHz GSM und 2100 MHz UMTS) deutlich verdichten. Das kostet viel Geld. Zwar haben alle Netzbetreiber auch LTE bei 800 MHz im Einsatz. Das hat jedoch eher eine zu große Reichweite. Die Basisstationen stören sich dann gegenseitig. Zwar könnte dynamisches Beamforming / MIMO zwischen verschiedenen Basisstationen künftig das Überreichweitenproblem stark abmildern oder gar komplett lösen. Aber ausgerechnet das funktioniert bei TDD besser als bei FDD, da man bei TDD aufgrund dessen, dass Basisstation und Endgerät auf derselben Frequenz senden, den Funkkanal genauer vermessen kann. LTE 800 ist in Deutschland aber als reines FDD-Netz aufgebaut.

Jedenfalls ist LTE 800 in dicht besiedelten Gebieten so problematisch, dass beispielsweise die Deutsche Telekom bisher gar kein LTE 800 in den Städten aufbaut. Von daher ist LTE 1800 für die Deutsche Telekom und Vodafone extrem wichtig. Telefónica ist hingegen weniger unter Druck: Bei der Auktion 2010 hatte Dirks - damals Chef von E-Plus - im Gegenzug für den Rückzug bei 800 MHz zwei Blöcke bei 2100 MHz ersteigert. Auch Telefónica hatte sich einen solchen gesichert. Zusammen mit je zwei Blöcken UMTS 2100, die E-Plus und Telefónica bei der Wahnsinnsauktion 2000 ersteigert hatten, kommt Telefónica nun auf sieben Blöcke bei 2100 MHz. Zum Vergleich: Telekom und Vodafone halten hier nur fünf Blöcke - und zwar zusammen.

Telefónica ist somit der einzige Anbieter, der über genug Ressourcen verfügt, um UMTS 2100 und LTE 2100 parallel aufzubauen. Oder sie betreiben einfach zwei vollständige LTE-Netze weiter parallel: Eines für E-Plus und eines für o2. Entsprechend geringer ist der Bedarf, auch noch LTE 1800 einsetzen zu müssen, um den Kunden auch am Zellenrand noch gute Datenraten bieten zu können.

Ganz anders Vodafone: Sie haben bei 1800 MHz bisher einen Block, den sie für GSM einsetzen. Dieser läuft Ende 2016 aus, sie müssen ihn also neu ersteigern. Zudem müssen sie mindestens zwei, besser vier Blöcke zukaufen, um LTE 1800 mit 10 oder gar 20 MHz Bandbreite aufschalten zu können. Die Telekom hatte 2010 schon drei Blöcke bei 1800 MHz nachgekauft, um LTE 1800 aufzubauen. Auch sie möchte von 10 MHz auf 20 MHz Bandbreite hochrüsten, und braucht dafür zwei neue Blöcke. Zudem muss auch sie Ende 2016 einen Block zurückgeben, den sie neu ersteigern möchte. Macht für sie drei Blöcke.

Netzintegration mit Deadline

Telefónica hält aus der Auktion 2010 zwei Blöcke und zudem sieben Blöcke aus früheren GSM-Zuteilungen ("E"-Netz) an E-Plus bzw. Viag Interkom. Ihr Problem: Was sie von diesen sieben Blöcken nicht rückersteigert, muss sie laut Auflagen zur Fusion Ende dieses Jahres zurückgeben. Zwar hat sie nach einem Gerichtsbeschluss ein zusätzliches Jahr bis zur Rückgabe Zeit. Da Telefónica nur zwei Blöcke zurückersteigert hat, muss sie nun fünf freigeben. Das sind mehr als ihr verbleiben: Je zwei aus den Auktionen 2010 und 2015.

Damit die Räumung von derart vielen Frequenzblöcken ohne Einschränkungen bei den Diensten klappt, muss Telefónica die Netzintegration bis Ende 2016 abgeschlossen haben. Sie dürfte dann noch zwei Böcke für GSM 1800 brauchen, sowie zwei Blöcke weiter für LTE 1800 nutzen. Zusätzliche LTE-Kapazitäten kann sie bei 2100 MHz schaffen, oder, wie bereits geschrieben, auf einen sehr starken UMTS-Ausbau setzen, und die Kunden bewusst im UMTS-Netz halten.

Insgesamt verfügt Telefónica auch künftig über die meisten Frequenzen im Bereich von 1800 bis 2600 MHz. Sie betreibt zudem derzeit das mit Abstand dichteste Sendernetz in Deutschland. Bei der Netzintegration werden einige nahe beieinanderliegende Senderstandorte, die bisher zu unterschiedlichen Netzen gehörten, zu einem Standort zusammengefasst werden. Aber auch nach dem Abschluss der Netzintegration will Telefónica in Deutschland mehr Basisstationen betreiben als jeder der beiden Konkurrenten. Beides - die meisten Frequenzen und das dichteste Netz - sind optimale Voraussetzungen dafür, auch künftig der Netzbetreiber mit den meisten Kunden zu bleiben oder gar den Vorsprung noch auszubauen.

Über allem schwebt nun das Damokles-Schwert der Netzintegration. Kommt Telefónica ob des engen Zeitplans bis Ende 2016 ins Hudeln, dürfte sie Kunden verlieren, und die Konkurrenz freut sich, dass sie ca. 600 Millionen Euro (Telekom) bzw. 900 Millionen Euro (Vodafone) mehr investiert hat als Telefónica. Gelingt hingegen die schnelle Netzintegration, ist Telefónica die große Gewinnerin dieser Auktion.

Milliarden-Auktion für die Mobilfunknetze der Zukunft

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