erfolglos

Editorial: Keine Strafe!

Tariffallenbau legal?
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Es ist immer wieder dieselbe Leier: Windige Geschäftemacher entwickeln Ideen, wie sie mit wenig Aufwand viel Geld verdienen können. Zehn- oder gar Hunderttausende fallen darauf herein, fühlen sich betrogen. Tausende erstatten Anzeige, aber am Schluss stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, ohne, dass es zu einer Anklageerhebung kommt. So geschehen bezüglich zahlreicher Dialer, so geschehen bezüglich der teuren Hausaufgabenhilfe der Schmidtleins

Und so ist es nun abermals geschehen bezüglich der drastischen Tarifmanipulationen von Paixas, Comundo, Sugar Telecom und Co. Dabei waren die Entgelte zahlreicher Internet-by-Call-Provider ohne oder ohne ausreichende Information der Nutzer quasi über Nacht um den Faktor 10 und mehr erhöht worden. Zahlreiche Nutzer mussten mit ansehen, wie ihre Telefonrechnung förmlich explodierte. Viele zahlten; andere erstatteten Anzeige.

Dabei hatte Dr. Markus Rainer Beforth mit seinem Firmengeflecht alles daran gesetzt, die Hintergründe zu verschleiern und die Nutzer im Unklaren zu lassen: So wurde die Umfirmierung von Comundo in Sugar Telecom auf den beiden Firmen-Websites lange Zeit nicht kommuniziert. Nach der Übernahme zahlreicher Internet-Schmalband-Anbieter, wie Faventia, H3 oder NGI, zum 1. Januar 2008 wurden die neuen, drastisch gesteigerten Tarife auch erst an diesem Tag publiziert, und das auf einer vorher praktisch unbekannten Website. Für die Staatsanwaltschaft Bielefeld reicht dieses Verhalten aber nicht aus, um Anklage zu erheben, weder wegen Wuchers noch wegen Betrugs.

Strafrecht: Können tausende vermeintliche Opfer irren?

Nun ist das deutsche Strafrecht im internationalen Vergleich relativ mild. Eine generelle Verschärfung wird zwar immer wieder gefordert, würde aber nicht nur "mehr Gerechtigkeit" bringen, sondern auch die Kosten für den Strafvollzug erhöhen, die am Schluss von allen über die Steuern zu tragen sind.

Andererseits fühlt sich das Opfer wirklich verhöhnt, wenn die Staatsanwaltschaft ihm mitteilt, dass das Verfahren auch deswegen eingestellt wird, weil "die jeweils aktuellen Tarife immer rechtzeitig auf seinen [des vermeintlichen Täters] Internetseiten veröffentlicht" worden seien. Im Internet mit seinen Milliarden Seiten diejenige mit den richtigen Tarifen zu suchen, wenn einem der neue Betreiber der Internet-Einwahl nicht mitgeteilt wurde, entspricht der sprichwörtlichen Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Zudem braucht man für diese Recherche seinen Internetzugang - aber genau dessen Preise wurden ja gerade verstellt!

Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, bei Vermögensdelikten wie Betrug oder Wucher die Zahl der vermeintlichen Opfer nicht nur bei der Strafzumessung, sondern auch bei der Beurteilung, ob überhaupt eine Straftat vorliegt, zu berücksichtigen. Fühlt sich die Mehrheit der Kunden eines Geschäftemachers übervorteilt, und erzielt der Geschäftemacher zudem Margen, die wesentlich über dem Branchendurchschnitt liegen, dann sollte das nicht nur für eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage der Konkurrenz oder der Verbraucherschutzverbände reichen, sondern auch für eine strafrechtliche Verurteilung.

Endlich verlässliche Tarifinformationen!

Vor allem aber ist das Verfahren die Gelegenheit, eine alte Forderung zu wiederholen: digitale Tarifinformation in digitalen Netzen! Schließlich können sich ja nicht nur bei den by-Call-Diensten Anbieter und Preise plötzlich ändern, sondern auch bei Auskunftsdiensten, Roaming, Sonderrufnummern, Kurzwahlen, Abodiensten, Weitervermittlungen, Konferenzschaltungen und dergleichen mehr. Aber selbst bei anbieterinenen Verbindungen weiß der Kunde oftmals nicht, zu welchen Kosten er gerade telefoniert, zum Beispiel, wenn er ein Minutenpaket gebucht hat, welches möglicherweise schon verbraucht ist.

Die paar Bits, die nötig wären, um schon während des Verbindungsaufbaus die Tarifinformationen zu übermitteln, und während des Gesprächs die bisher angefallenen Kosten, ließen sich im ISDN-, GSM- oder SIP-Protokoll leicht ergänzen. Im Analognetz könnten sie zumindest vor und nach der Verbindung über einen ähnlichen Modemstandard übertragen werden wie dem für die Rufnummernübermittlung des Anrufers (CLIP).

Zwar würden die Kosten für die Einführung der Technik von den Tk-Anbietern auf die Verbraucher umgelegt werden und so die Tarife zunächst minimal verteuern. Mittelfristig würde die durch die erhöhte Transparenz stark gesteigerte Wettbewerbsintensität aber für fallende Preise sorgen.

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