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Editorial: Netz ohne Kabel

Erste energieautarke Basisstation Deutschlands in Betrieb
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Neuer E-Plus-Sendemast wird unter anderem per Solarstrom versorgt. Der neue E-Plus-Sendemast wird unter anderem per Solarstrom versorgt.
Foto: Westfalen-Blatt
Vielleicht sollte man solche Meldungen nicht am 1. April veröffentlichen, denn sie ist ernst: E-Plus hat in Deutschland eine erste Basisstation ohne Stromanschluss installiert. Wind- und Solarkraft liefern die täglich benötigten 40 Kilowattstunden, entsprechend einer durchschnittlichen Dauerleistung von knapp 1,7 Kilowatt, dem Stromverbrauch einer Herdplatte. Akkus puffern Nacht- und Flautezeiten. Wird über einen zu langen Zeitraum hinweg zu wenig Strom produziert, so dass die Akkus leerlaufen, springt eine Brennstoffzelle ein.

Läuft die Brennstoffzelle über längere Zeit, muss man natürlich neuen Treibstoff nachfüllen - entweder Wasserstoff oder Methanol (je nach Typ der Brennstoffzelle - E-Plus macht hierzu in der Pressemitteilung keine Angaben). Ansonsten läuft die Basisstation aber autonom. Vorteile der "grünen" Lösung: Man spart sich die Kabelverlegekosten für einen herkömmlichen Stromanschluss. Hierzulande kann man zudem die hohen Fördersätze für EEG-Strom abgreifen, auch und gerade dann, wenn man diesen selber verbraucht. Nachteile sind die höheren Investitionskosten für Sonnenkollektoren, Windrad, Speicherakku und Brennstoffzelle. Und man muss mit dem Energiebudget viel genauer haushalten als an einem herkömmlichen Anschluss.

"Ans Netz gehen" ohne Stromkabel

Neuer E-Plus-Sendemast wird unter anderem per Solarstrom versorgt. Der neue E-Plus-Sendemast wird unter anderem per Solarstrom versorgt.
Foto: Westfalen-Blatt
"Ans Netz gehen" hat für eine solche Basisstation also eine ganz andere Bedeutung als sonst, nämlich die Integration ins Mobilfunknetz, nicht ins Stromnetz. Auch der Uplink, die Anbindung ans Mobilfunk-Kernnetz, wird man an einer solchen entlegenen Basisstation üblicherweise per Funk ausführen. Als einzige benötigte Infrastruktur vor Ort verbleibt somit eine halbwegs passable Straße, auf der Laster die Komponenten und später ab und zu den Treibstoff anliefern können.

Es sind diese autarken "remote sites", oft noch auf Basis von Dieselgeneratoren, immer öfter aber mit regeneretiver Energieerzeugung, die in den letzten Jahren den globalen Mobilfunkboom überhaupt erst ermöglicht haben. Denn für Menschen, die unter schwierigen Bedingungen in ariden Gebieten leben, ist Telekommunikation noch viel wichtiger als für hochorganisierte Stadtbewohner, die auch ohne Handy den Weg zum nächsten Laden oder Arzt finden würden.

Während so manche westliche Entwicklungshilfe sich im Nachhinein als zweischneidiges Schwert herausgestellt hat - so trieb schon so manche Nahrungsmittellieferung die lokalen Bauern in den Ruin, da sie gegen Nullpreise nicht konkurrieren konnten - gilt die Einführung von Mobilfunktechnik allgemein als förderlich für das jeweilige Land. Im Zweifelsfall können Menschen besser Handel treiben, Hilfe holen oder Missstände in der Verwaltung öffentlich machen, mit der Hoffnung auf Besserung.

Experimente mit energieautarken Basisstationen auch in Erst-Welt-Ländern

Erstaunlich ist nun, dass selbst in einem dicht besiedelten und mit sehr eng vermaschten und zuverlässigen Stromnetzen ausgestatteten Land wie Deutschland der Punkt gekommen ist, an dem Netzbetreiber mit autarken Basisstationen experimentieren. Wahrscheinlich bedarf es auf beiden Seiten aber auch etwas Wohlwollen, damit die Rechnung wirklich aufgeht. So dürfte Nokia Siemens Networks froh sein, ein Test- und Vorzeigeexemplar einer selbstversorgten Mobilfunk-Basisstation hierzulande zu haben, so dass man einen gewissen Rabatt gewährte. E-Plus, die ihr Netz von Alcatel-Lucent betreiben lassen, hofft neben Erkenntnisgewinn zu möglichen langfristigen Kostenersparnissen wahrscheinlich auch auf Know-How-Transfer von Nokia Siemens Networks. Und das Image von E-Plus leidet unter so einem Coup ebenfalls nicht.

Sollte sich die autarke Station am Ende bewähren und Nachahmer finden, dann haben am Ende auch die Kunden etwas davon: Weniger weiße Flecken auf der Versorgungskarte.

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