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Rechnungsexplosion bei Sugar Telecom, Paixas und Co.: Was tun?

Was tun, wenn sich der Tarif plötzlich vervielfacht hat?
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Wir baten Herrn Rechtsanwalt Hagen Hild von der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen aus Augsburg um eine Stellungnahme, wie sich Nutzer verhalten sollen, die in die genannte Tariffalle getappt sind. Hierbei sind drei Fälle zu unterscheiden:

  1. Der Nutzer hatte sich beim alten Anbieter (z.B. NGI, Faventia) angemeldet. Er wurde nicht über den bevorstehenden Wechsel von Anbieter und Tarif informiert und der bestehende Vertrag wurde auch nicht gekündigt. Vom neuen Anbieter kommt nun eine Rechnung über das Vielfache des bisher gewohnten Betrages.

    In diesem Fall steht der Kunde laut Herrn Hild recht gut da: "Die Weiternutzung einer Einwahlnummer gilt nicht als Vertragsschluss." Wenn aber kein Vertrag mit dem neuen Anbieter zustande gekommen ist, dann entbehren auch dessen Rechnungen jeglicher rechtlicher Grundlage. Zu zahlen sind hingegen die mit dem alten Anbieter vereinbarten Tarife.

  2. Der Nutzer hatte sich beim alten Anbieter (z.B. NGI, Faventia) angemeldet. Dieser Vertrag wurde vom alten Anbieter gekündigt, mit dem Hinweis, dass künftig ein anderer Anbieter den Dienst erbringen werde. Vom neuen Anbieter kommt nun eine Rechnung über das Vielfache des bisher gewohnten Betrages.

    Hier ist die Situation schon schwieriger. Herr Hild verweist jedoch darauf, dass der alte Anbieter beweisen muss, dass der Kunde über die Kündigung bzw. Übernahme informiert wurde. Kann dieser Beweis nicht erbracht werden, gilt dasselbe wie im ersten Fall, wenn der Kunde gar nicht informiert wurde.

  3. Der Nutzer hatte sich beim alten Anbieter nicht angemeldet, sondern im Internet veröffentlichte Einwahldaten benutzt. Vom neuen Anbieter kommt nun eine Rechnung über das Vielfache des bisher gewohnten Betrages.

    Hier weist Herr Hild auf eine große rechtliche Unsicherheit gegenüber unverschämten Preiserhöhungen hin. Grundsätzlich wird bei jeder Anwahl der Internet-by-Call-Rufnummer ein eigener Vertrag geschlossen. Fraglich ist jedoch, welcher Preis für den jeweiligen Vertrag anzusetzen ist. Rechtlich einwandfrei wäre laut Herrn Hild die Lösung, wenn vor Beginn der Entgeltpflicht der Preis jeweils angezeigt würde. Dies wird jedoch von praktisch keinem IbC-Anbieter so durchgeführt.

    Wurde bei der Einwahl kein Preis angezeigt, gibt es laut Herrn Hild rechtlich mehrere Möglichkeiten, den Preis zu bestimmen. Richtig wäre seiner Meinung nach, in diesem Fall den Preis gemäß § 612 Abs. (2) BGB über die übliche Vergütung für solche Dienstleistungen festzulegen. Diese könnte über den Preis vergleichbarer Internet-by-Call-Angebote ermittelt werden und liegt der herrschenden Meinung nach bei etwa einem Cent pro Minute. Diese Strategie wird auch von den Verbraucherzentralen favorisiert, wie der in Berlin erscheinende Tagesspiegel vor kurzem schrieb [Link entfernt] . Die Zeitung zitierte Ronny Jahn von der Verbraucherzentrale Berlin [Link entfernt] : "Uns ist kein Fall bekannt, in dem die Unternehmen [bei einem solchen Vorgehen] rechtliche Schritte gegen die Kunden eingeleitet haben."

    Tatsächlich wird jedoch Rechtsanwalt Hild zufolge nach der derzeit vorherrschenden Rechtsmeinung der Preis nach den im Amtsblatt der Bundesnetzagentur veröffentlichten Tarifen des Anbieters bestimmt. Dann können diese Preise berechnet werden, selbst wenn diese entsprechend hoch ausfallen. Hat der Anbieter auf seiner eigenen Website oder in der Werbung günstigere Tarife genannt, darf er jedoch maximal diese günstigeren Tarife verrechnen; andernfalls kann der Kunde den Vertrag anfechten.

    Schließlich gelten auch die üblichen Schutzregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ist der berechnete Preis für die erbrachte Dienstleistung vollkommen unangemessen, dann ist der bei der Einwahl abgeschlossene Vertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig. Das Problem: Ab welchem Minutenpreis diese für den Verbraucher positive Rechtsfolge eintritt, ist gesetztlich nicht festgelegt, sondern wird im Einzelfall von den Gerichten entschieden.

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