Themenspezial: Verbraucher & Service Hat Zeit

Editorial: Die Mühlen der Justiz

Strafgebühren bei Vertrags-Nichtnutzung sind unzulässig. Doch vor Gericht wird immer noch darüber gestritten.
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8 Jahre Streit um 5 Euro, und kein Ende in Sichdt 8 Jahre Streit um 5 Euro, und kein Ende in Sichdt
teltarif.de
Rund um das Jahr 2010 hatte der Provider Mobilcom-Debitel die Vario-Tarife im Angebot, wo beispielsweise beim Vario 50 im Telekokm-Netz für (fast) 15 Euro Grundgebühr der Versand von ganzen 50 SMS in alle Netze inkludiert war. Nutzte der Kunde diese Vario-Tarife jedoch drei Monate lang in Folge nicht, fiel eine Strafgebühr in Höhe von (fast) 5 Euro monatlich zusätzlich an.

Lange ist es her, dass diese Gebühr berechnet wurde. Doch es wird noch immer vor Gericht darüber diskutiert. Es ist erschreckend, wie langsam Gerichtsprozesse in Deutschland sind. Bei Verbraucherschutzprozessen führt das beispielsweise dazu, dass es sehr lange dauert, bis die Anbieter Rechtssicherheit bezüglich bestimmter Vertragsgestaltungen haben. Bekommen die Verbraucher recht, dass bestimmte Klauseln ungültig waren, sind zu diesem Zeitpunkt entsprechende Rückforderungsansprüche der Verbraucher so gut wie immer bereits verjährt.

Anti-Schubladenvertrags-Gebühr

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Der wirtschaftliche Gedanke hinter der Strafgebühr war, dass Mobilcom-Debitel zusammen mit den Vario-Tarifen hoch subventionierte Handys vertrieb. Selbst teure Geräte waren zusammen mit den Vario-Verträgen für nur 1 Euro Zuzahlung im Laden erhältlich. In vielen Fällen lag die Grundgebühr über 24 Monate von zusammen (fast) 360 Euro unter dem unsubventionierten Kaufpreis für das Handy ohne Vertrag. Und so entstand das Phänomen der "Schubladenverträge", bei denen die SIM-Karte zu Hause in der Schublade landete, weil der Vertrag ja nur geschlossen worden war, um das Handy günstig zu erwerben.

Mit den bereits erwähnten 5 Euro Strafgebühr für Nichtnutzung versuchte Mobilcom-Debitel, den Kunden das Abschließen von Schubladenverträgen zu vermiesen. Doch schon früh klagte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die in den AGB versteckte Strafgebühr. Er bekam vor Gericht recht und Mobilcom-Debitel muss seitdem diese Form der Vertragsgestaltung unterlassen. Mehr noch, der vzbv strebte auch ein Gewinnabschöpfungsverfahren an, damit Mobilcom-Debitel die mit der unzulässigen Gebühr erzielten Einnahmen zurückzahlen muss. Dieses Gewinnabschöpfungsverfahren gewann der vzbv nun bereits in der zweiten Instanz. Mobilcom-Debitel muss 419 000 Euro an den Staat zahlen.

Noch steht Mobilcom-Debitel allerdings die Revision beim Bundesgerichtshof offen, und die wird Mobilcom-Debitel schon dafür anstrengen, um den vzbv möglichst lange hinzuhalten. Viel Chancen dürfte der Provider auch dort nicht haben, denn die gesetzlichen Regeln sind eigentlich eindeutig: Wesentliche Preisbestandteile dürfen ncht in den AGB versteckt werden. Und Gewinne, die durch solches unzulässiges Geschäftsgebaren erzielt werden, können abgeschöpft werden. Es ist also zulässig, dass der Nichtnutzer seine monatlichen Frei-SMS verliert. Es ist aber nicht zulässig, dass er darüber hinaus noch Strafgebühren entrichten muss.

Andere Gestaltungen zulässig

Übrigens: Aktuell gibt es etliche grundgebührfreie Vertragsmodelle, bei denen grundsätzlich nur die verbrauchten Gesprächsminuten, SMS und Datennutzungen bezahlt werden müssen. Bei längerer Nichtnutzung fällt aber auch bei diesen Tarifen eine Grundgebühr von ein bis zwei Euro monatlich an. Diese sind mit den hier behandelten Vario-Tarifen mit 15 Euro Grundgebühr und 5 Euro Nichtnutzungsgebühr jedoch in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar. Das beginnt schon mit der Grundgebühr: Wenn ein Tarif 15 Euro Grundgebühr hat, dann darf der Kunde erwarten, dass damit wirklich alle Grundkosten des Tarifs auch abgedeckt sind. Bei 0 Euro Grundgebühr ist hingegen schon eher vorstellbar, dass der Provider ja auch Kosten hat, und diese dann bei längerer Nichtnutzung auch umlegt. Auch die Höhe dieser Nichtnutzungsgebühr ist mit 5 Euro (Vario-Tarife) vs. 1 bis 2 Euro (aktuell) deutlich unterschiedlich. Schließlich wird die Gebühr auch anders vermittelt: Die neuen Tarife werden in den Preislisten mit einer regulären Grundgebühr von 1 bis 2 Euro geführt. Diese entfällt jedoch, wenn der Kunde mindestens einmal alle drei Monate telefoniert oder eine SMS sendet.

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