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Twitter (X): So hat Elon Musk die Plattform verändert

Als Elon Musk Twitter kaufte, versprach er mehr Rede­frei­heit. Ein Jahr später funk­tio­niert die Platt­form, die jetzt X heißt, anders als einst Twitter. Wie man damit Geld verdient, hat der reichste Mann der Welt noch nicht heraus­gefunden.
Von dpa /

Ein Jahr nachdem Elon Musk rund 44 Milli­arden Dollar für den Kauf von Twitter hinblät­terte, ist klar: Es ist eine andere Platt­form. Zum einen der Name: Was früher Twitter war, heißt jetzt X. "Die App für alles", wie Musk getreu seines Jahr­zehnte alten Traums nicht müde wird zu betonen - auch wenn prak­tisch alles, was über bishe­rige Twitter-Funk­tionen hinaus­geht, auf sich warten lässt.

Schwerer als der Namens­wechsel (viele Nutzer sagen weiter "Tweet" und "twit­tern") wiegen die vielen Verän­derungen, mit denen der Tech-Milli­ardär der Platt­form seinen Stempel aufge­drückt hat.

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Twitter heißt "X". So hat sich die Plattform in einem Jahr verändert Twitter heißt "X". So hat sich die Plattform in einem Jahr verändert
Foto: X.com / Twitter.com
Die früher kosten­losen weiß-blauen Häkchen, die Promi­nente oder Poli­tiker eindeutig auswiesen, kann sich jetzt für knapp zehn Dollar oder Euro jeder kaufen: ohne echte Iden­titäts­prü­fung, was sie als Veri­fika­tions-Symbole eher sinnlos macht. Unter­nehmen können ihre X-Profile auch mit einem goldenen Häkchen-Symbol auszeichnen. Das kostet zum Beispiel in Deutsch­land 1130,50 Euro im Monat - plus 59,50 Euro für jeden verknüpften Mitar­beiter-Account.

Tausende Mitar­beiter entlassen

Musk entließ rund die Hälfte der einst rund 8000 Twitter-Mitar­beiter. Stark davon betroffen waren neben Program­mie­rern auch Teams, die für die Bekämp­fung etwa von Hass­rede und Falsch­infor­mationen auf der Platt­form zuständig waren. Kein großer Verlust aus Sicht des neuen Besit­zers: Schließ­lich habe das für Inte­grität von Wahlen zustän­dige Team diese eher unter­graben, schrieb Musk. "Sie sind weg."

Musk steht fest auf poli­tischen Posi­tionen der US-Rechten. Das alte Twitter habe Zensur im Sinne der Linken betrieben, behauptet er. Der "Woke-Gehirn­virus" zerstöre die Mensch­heit, die Demo­kraten von Präsi­dent Joe Biden seien "eine Partei des Hasses", etablierte Medien seien rassis­tisch gegen­über Weißen, Schulen flößten "statt Wissen Gift in die Ohren unserer Kinder ein", und Europa drohe wegen der Einwan­derung ein Bürger­krieg - soweit nur einige von Musks Ansichten. Er dient für seine inzwi­schen gut 160 Millionen X-Follower auch gern als Verstärker ähnli­cher Meinungen anderer Accounts.

Musk ist sehr präsent auf X. Er scheint sich aber in einer Blase aus ihm genehmen Profilen mit Bezahl­häk­chen zu bewegen, mit denen er inter­agiert und deren Beiträge er weiter­ver­breitet. Wer keinen weiß-blauen Haken hat, ist auf der Platt­form ohnehin weniger sichtbar - das solle vor Bots und Fake-Profilen schützen, heißt es. Die Ände­rungen und Musks Rolle als Multi­pli­kator verschieben die Gewichte bei X und ließen dort neue Meinungs­macher-"Eliten" entstehen, wie es zuletzt Forscher der Univer­sity of Washington formu­lierten.

Nach dem Über­fall der isla­mis­tischen Hamas auf Israel sei eine kleine Gruppe aus sieben Accounts für einen beträcht­lichen Anteil der Inhalte verant­wort­lich gewesen, die rund um den Konflikt bei X wahr­genommen worden seien, stellten die Forscher in ihrer Analyse fest. In den ersten drei Tagen nach der Attacke seien gut 1800 Beiträge dieser Gruppe 1,6 Milli­arden Mal gesehen worden. Die Accounts der "New York Times", CNN, BBC und der Nach­rich­ten­agentur Reuters, die viel mehr Follower haben, seien in der Zeit mit 298 Beiträgen nur auf 112 Millionen Ansichten gekommen. Laut der Analy­seplatt­form Simi­larweb kamen vor drei Jahren noch drei bis vier Prozent der Besu­cher auf der Website der "New York Times" von Twitter. Dieser Wert sei zuletzt auf ein Prozent gefallen.

Musk schwört auf Hinweise von Nutzern

Musk schwört auf "Bürger-Jour­nalismus" und an X-Beiträge ange­hef­tete "Commu­nity-Notes", mit denen Nutzer auf irre­füh­rende oder falsche Infor­mationen hinweisen können. Nach dem Hamas-Angriff dauerte es zum Teil sehr lange, bis solche Notizen veröf­fent­licht wurden. Die EU-Kommis­sion hat nun Fragen dazu, wie X mit Hass­rede und Falsch­infor­mationen umgeht. EU-Kommissar Thierry Breton verwies auf Berichte über mani­pulierte Bilder und Mitschnitte aus Video­spielen, die für echte Aufnahmen ausge­geben worden seien. Das kann teuer werden: Für die Verlet­zung des Digi­tal­gesetzes DSA drohen hohe Geld­strafen. Musk wies jüngst dennoch einen Bericht zurück, wonach er den Rückzug von X aus der EU erwog.

Musk, der sich bei der Über­nahme "abso­lute Rede­frei­heit" auf die Fahnen schrieb, will zugleich den häufigen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, bei X gebe es mehr Hass­rede. So zog X gegen kriti­sche Online-Forscher der Orga­nisa­tion CCDH vor Gericht, die bei Tests zu dem Schluss kamen, dass solche Inhalte auf der Platt­form blieben, wenn sie von Abokunden kämen. Auch der jüdi­schen Orga­nisa­tion ADL drohte Musk mit einer Klage, weil sie von wach­sendem Anti­semi­tismus auf X sprach. Schnitt­stellen, über die Online-Forscher Hass­rede und Falsch­infor­mationen nach­gehen konnten, machte Musk dicht.

Nach wie vor braucht die Platt­form Geld. Musk bestä­tigte mehr­fach, dass die Werbe­erlöse von X etwa halb so hoch seien wie einst bei Twitter. Er setzt auf Aboe­innahmen. So wurde einge­schränkt, wie viele Beiträge Gratis­nutzer am Tag sehen können. In Neusee­land und auf den Phil­ippinen können neue Nutzer test­weise erst mit einer Gebühr von einem US-Dollar im Jahr Beiträge veröf­fent­lichen sowie Posts anderer weiter­ver­breiten. Kostenlos können sie X nur passiv nutzen: Beiträge lesen, Videos ansehen, anderen Nutzern folgen.

Nutzer­zahl sinkt

Nicht nur Werbe­kunden, sondern auch einige Nutzer kehrten X den Rücken. Der Dienst selbst veröf­fent­licht keine Angaben zu Nutzer­zahlen mehr. Die Analy­sefirma Apptopia geht aber davon aus, dass die tägliche Nutzer­zahl seitdem von 140 Millionen auf 121 Millionen sank. Die Schät­zung, von der das Bran­chen­blog 2Big Tech­nology" berich­tete, ist einer der wenigen Versuche, die Nutzer­schaft zu über­schlagen. Simi­larweb errech­nete einen Rück­gang des Daten­ver­kehrs zur Webver­sion von X um rund 15 Prozent. Musks Profil habe im September aber fast doppelt so viele Besuche bekommen wie vor einem Jahr.

Zugleich hat sich in diesem Jahr keine voll­wer­tige Alter­native heraus­kris­tal­lisiert. Der Konkur­renz­dienst Threads vom Face­book-Konzern Meta star­tete im Sommer zwar stark - die Akti­vität der Nutzer ließ aber schnell wieder nach. In der EU ist Threads nicht verfügbar. Die App Bluesky, die sehr an das alte Twitter erin­nert, knackte erst im September die Marke von einer Million Nutzern.

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