Elon Musk kauft Twitter: Das sind die Folgen
Twitter hat den Widerstand gegen eine Übernahme durch Tech-Milliardär Elon Musk aufgegeben. Der Online-Dienst teilte am Montag mit, dass er sich mit Musk auf einen Deal verständigt hat. Twitter solle nach der Übernahme von der Börse genommen werden. Der Preis bleibt bei den von Musk von Anfang an gebotenen 54,20 Dollar je Aktie. Jetzt liegt es an den Aktionären von Twitter, ob sie das Angebot annehmen wollen.
In der Mitteilung von Twitter gab es keine Hinweise darauf, ob Musk sich bereits die Zustimmung von genug Anteilseignern sichern konnte. Er hält nach bisherigen Angaben gut neun Prozent und müsste über 50 Prozent kommen. Twitter hat mehrere Großaktionäre aus der Finanzbranche. So hält etwa laut Medienberichten die Bank Morgan Stanley gut acht Prozent und die Investmentfirma Vanguard Group rund zehn Prozent. Die Twitter-Aktie notierte am Montag in New York an der Marke von 52 Dollar - Anleger haben also noch leichte Zweifel.
Musk will Redefreiheit
Elon Musk übernimmt Twitter
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Musk erklärt sein Interesse an Twitter mit angeblichen
Einschränkungen der Redefreiheit bei dem Kurznachrichtendienst, die
er abstellen wolle.
Seine Übernahmeattacke dauerte nur wenige Wochen. Der Milliardär teilte Anfang April mit, dass er sich still und heimlich eine Twitter-Beteiligung zusammenkaufte. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Erst sollte Musk in den Twitter-Verwaltungsrat einziehen. Damit wäre aber die Bedingung verbunden gewesen, dass der Chef des Elektroautobauers Tesla seine Beteiligung an Twitter nicht über 15 Prozent erhöht. Stattdessen schlug er den Sitz im Gremium aus und kündigte an, Twitter kaufen zu wollen.
Der Verwaltungsrat führte daraufhin eine Gegenmaßnahme ein, bei der andere Aktionäre günstiger Anteile hinzukaufen können, sobald die Beteiligung eines Angreifers wie Musk 15 Prozent überschreitet. Zugleich behielt sich Twitter generell vor, einem Deal zuzustimmen.
Der 50-Jährige präsentierte in der vergangenen Woche Zusagen für Kredite über 25,5 Milliarden Dollar und will darüber hinaus Aktien im Wert von rund 21 Milliarden Dollar einbringen. Musk ist die mit Abstand reichste Person der Welt. Sein Vermögen besteht aber fast ausschließlich aus Aktien von Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX, sodass er für einen Twitter-Kauf auch zu Krediten greifen müsste.
Keine generellen Ausschlüsse mehr wie bei Trump?
Musk zählt zu den aktivsten prominenten Twitter-Nutzern und hat rund 83 Millionen Follower. Er kündigte an, Twitter zu einer "globalen Plattform für Redefreiheit" machen zu wollen, weil dies wichtig für die Zivilisation sei. Musks Versprechen einer lockeren Regulierung sorgten für Kritik von Experten.
Seine Kritik am Stand der Redefreiheit bei Twitter findet bei Anhängern von Ex-Präsident Donald Trump und anderen US-Konservativen Anklang. Sie wettern schon lange unter anderem dagegen, dass Twitter und andere Online-Plattformen gegen Falschinformationen rund um das Coronavirus sowie Trumps ungedeckte Wahlbetrugsvorwürfe vorgingen.
Trump wurde bei Twitter verbannt, nachdem er Sympathie für seine Anhänger bekundet hatte, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol in Washington erstürmt hatten. Das Management betonte bisher, dass es für den Ex-Präsidenten keinen Weg zurück auf die Plattform gebe. Musks Ansätze könnten Trump mit Blick auf eine erneute Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2024 nun aufhorchen lassen: Er finde vorläufige "Timeouts" besser als permanente Ausschlüsse, sagte der Tesla-Chef allgemein. Musk hatte in der Anfangszeit die Gefahren durch das Coronavirus selbst heruntergespielt und Einschränkungen in Kalifornien als "faschistisch" kritisiert.
Twitter, gegründet 2006, wurde schnell zu einer Art Nervensystem der Nachrichtenbranche. Die breite Öffentlichkeit wurde auf Twitter 2009 aufmerksam, nachdem ein Nutzer Fotos eines im New Yorker Fluss Hudson gelandeten Passagierflugzeugs veröffentlichte. Für Trump war Twitter sowohl vor als auch während seiner Amtszeit das mit Abstand wichtigste Kommunikationsmittel.
Deal wirft Fragen zu Transparenz auf
Trotzdem wirft die Übernahme Fragen auf: Was will der Chef eines Elektroauto-Herstellers, einer Weltraumfirma und eines Entwicklers von Gehirn-Implantaten mit Twitter? Wie wird sich der Dienst, der zu einer Art Nervensystem der Nachrichtenbranche wurde, als sein Privatbesitz verändern? Wer kann sicherstellen, dass Musk Twitter nicht für seine geschäftlichen Interessen einspannt? Wird man ohne die Transparenz von Börsenberichten überhaupt erfahren, wie Twitter sein Geld verdient und ob das Geschäft läuft? Das sind alles Fragen, auf die es bisher keine zuverlässigen Antworten gibt.
Weitere Beobachter schlugen inzwischen Alarm. So schrieb die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren bei Twitter: "Dieser Deal ist gefährlich für unsere Demokratie. Milliardäre wie Elon Musk spielen nach anderen Regeln als alle anderen." Besorgt zeigte sich auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union): Obwohl Musk ihr Mitglied und einer der wichtigsten Unterstützer sei, sei es "sehr gefährlich, so viel Macht einer Person in die Hand zu legen". Musk nutzte Kritik zur Demonstration seiner Ansätze: "Ich hoffe, dass selbst meine schlimmsten Kritiker bei Twitter bleiben - weil genau das Redefreiheit bedeutet."
Der ehemalige Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos, der weiß, wie stark Beiträge bei Online-Plattformen gefiltert werden müssen, warnte bereits vor Tagen vor einer Alles-Erlaubt-Einstellung. Man erhöhe den Wert einer Plattform nicht, indem man sie zu 99,9 Prozent mit Pornografie sowie Anzeigen für gefälschte Marken-Sonnenbrillen und Potenzmittel befüllen lasse, schrieb er bei Twitter.
Die Menschenrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) versuchte, Musk ihre Sicht von Grenzen für Meinungsäußerung zu vermitteln: "Redefreiheit ist wunderbar, Hassrede ist inakzeptabel." Auch für Falschinformationen sei kein Platz bei Twitter. NAACP-Präsident Derrick Johnson appellierte an Musk speziell, Trump nicht zurück auf die Plattform zu lassen. "Leben sind in Gefahr - und auch unsere amerikanische Demokratie." Im Weißen Haus von Präsident Joe Biden sei man ebenfalls besorgt, Trump könne vor den Kongresswahlen in diesem Herbst und der Präsidentenwahl 2024 bei Musks Twitter wieder auftauchen, berichtete der TV-Sender CNBC.
Trump selbst sagte jedenfalls dem Sender Fox News, er wolle nicht zu Twitter zurückkehren, selbst wenn er es dürfte. Der Ex-Präsident baut stattdessen seine eigene Twitter-Alternative mit dem Namen Truth Social auf, die jedoch bisher ein Schattendasein führt.
Twitter: Puls der Welt in 280 Zeichen
Das Erkennungsmerkmal von Twitter war lange die Obergrenze von 140 Zeichen für die Texte der einzelnen Beiträge. Es war ein Überbleibsel aus der Anfangszeit nach der Gründung 2006, in der der Dienst noch über SMS lief. Schon bald konnte man bei Twitter aber auch Links, Bilder und Videos mit anderen teilen - und seit Herbst 2017 auch 280 Zeichen Text.
Die Grundidee von Twitter ist einfach: Man kann Nachrichten (Tweets) senden - und alle, die die Beiträge des Nutzers abonniert haben, bekommen sie in ihrer eigenen Timeline zu sehen. Außerdem kann man Einträge an den eigenen Abonnenten-Kreis weiterleiten - retweeten.
Viele Medien greifen auf Twitter zurück, um Links zu ihren Inhalten zu verbreiten. Auch Politiker und Prominente haben Twitter längst entdeckt, um sich direkt ans Publikum zu wenden. Für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump etwa war Twitter auch während seiner Amtszeit im Weißen Haus der wichtigste Kommunikationskanal - bis der Dienst ihn Anfang 2021 dauerhaft verbannte.
Elon Musk: Technik-Visionär und Twitter-Rüpel
An Tesla-Chef Elon Musk scheiden sich die Geister. Seine Fans sehen ihn in einer Reihe mit Unternehmerlegenden, die die Welt verändert haben - wie Steve Jobs, Henry Ford und Thomas Edison. Für seine Gegner ist er ein hemmungsloser Manipulator oder ein unreifer Störenfried, der sich gern über Regeln hinwegsetzt.
Fakt ist: Der 50-Jährige hat mit Tesla lange verpönte Elektroautos attraktiv aussehen lassen und etablierte Autoriesen unter Druck gesetzt. Seine Raumfahrtfirma SpaceX schafft es, Raketenstufen zum Wiederverwenden zu landen und setzte sich als Privatfirma gegen Industriekonglomerate durch. Bei seinem Start-up Neuralink lässt Musk an Gehirnimplantaten forschen, die Menschen mit Computern vernetzen sollen. Ach ja, und Tesla entwickelt auch humanoide Roboter, die laut Musk noch wertvoller werden als das Autogeschäft.
Bei all dem ist der Tech-Milliardär jemand, der bei Twitter den kanadischen Regierungschef Justin Trudeau mit Hitler verglich. Und einen britischen Taucher, mit dem er Streit hatte, einfach so mal als Pädophilen bezeichnete. Jemand, der generell schnell ausfällig wird und erst dieses Wochenende zu einem Foto von Microsoft-Gründer Bill Gates schrieb, der Anblick sei der sicherste Weg, eine unwillkommene Erektion loszuwerden. Jemand, der sich gern mit Behörden anlegt und beim misslungenen Versuch, Tesla von der Börse zu nehmen, von der US-Börsenaufsicht der Anlegertäuschung beschuldigt wurde.
Hinzu kommt, dass Musk eine große Fangemeinde hat, die sich unter anderem bei Twitter um ihn schart. So kommt es nicht nur dazu, dass Kritiker einen schweren Stand haben, sondern ein kryptischer Tweet von Musk ausreichen kann, um zum Beispiel den Wert von Kryptowährungen schwanken zu lassen. Beim Finanzdienst Bloomberg sieht Kommentator Matt Levine Twitter als liebstes Computerspiel von Musk - und da sei es für den reichsten Menschen der Welt nur logisch, sein Lieblingsspielzeug auch besitzen zu wollen.
Musk verdiente sein Startkapital einst als Mitgründer des Bezahldienstes PayPal, die Übernahme der Firma durch eBay im Jahr 2002 brachte ihm ein Vermögen. Auf dem Papier ist Musk nach jüngsten Bloomberg-Berechnungen 257 Milliarden US-Dollar schwer. Sein Reichtum besteht aber fast ausschließlich aus Aktien von Tesla und SpaceX.
Starlink von SpaceX erhöhte erst kürzlich die Kosten für seinen satellitengestützten Internet-Zugang. Die Hardware-Preise stiegen auch in Deutschland.