Abschied

Editorial: 3Geschichte

Große Netz­abschal­tung bei Telekom und Voda­fone, kleine Netz­abschal­tung bei o2: Um die Verspre­chen von 3G endlich zu erfüllen, wird 3G abge­schaltet
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Mitte des Jahres ist Schluss mit 3G. Dafür können 4G und 5G besser werden. Mitte des Jahres ist Schluss mit 3G. Dafür können 4G und 5G besser werden.
Foto: teltarif.de
3G/UMTS war wohl einer der größten Technik-Hypes in der jüngeren Geschichte - und eines der teuersten gebro­chenen Verspre­chen welt­weit. Alleine in Deutsch­land inves­tierten sechs Netz­betreiber zusammen 100 Milli­arden DM in wenige Mega­hertz Band­breite, in der Hoff­nung, mit der neuen Tech­nologie das Internet mobil zu machen. Statt bunter Bilder und Videos überall gab es dann erstmal Enttäu­schungen: Ewige Verzö­gerungen bis zum Start, in Rekord­zeit leer­gezut­schelte Akkus, Schock­rech­nungen für Verbrau­cher, dicke, unhand­liche Handys und natür­lich Funk­löcher aller­orten.

Als Zwitter zwischen einem synchronen, leitungs­ver­mit­telten Netz (optimal für Sprache) und einem asyn­chronen, paket­ver­mit­telten Netz (optimal für Daten) ausge­legt, sollte UMTS den Weg in die Zukunft weisen. Doch wie sie oft bei tech­nischen Rund­umschlag-Lösungen hatte UMTS das Problem, dass es nichts richtig konnte: Die Sprach­qua­lität war eher schlechter als bei 2G/GSM, und für unbe­schwerte mobile Daten­kom­muni­kation war es zu langsam. Zwar konnte dank verbes­serter Modu­lation und der Kanal­bün­delung von zwei 5-MHz-Trägern die UMTS-Daten­rate von anfäng­lich 0,384 MBit/s auf bis zu 42 MBit/s gestei­gert werden. Diese wird aber nur unter opti­malen Empfangs­bedin­gungen direkt neben der Basis­sta­tion erreicht - und wenn kein anderer Nutzer in derselben Zelle aktiv ist. Schließ­lich teilen sich alle Nutzer einer Zelle deren zur Verfü­gung stehende Bitrate. Bei typi­scher­weise 2000 Nutzern pro Zelle bleibt da für den Einzelnen nicht viel übrig.

Mitte des Jahres ist Schluss mit 3G. Dafür können 4G und 5G besser werden. Mitte des Jahres ist Schluss mit 3G. Dafür können 4G und 5G besser werden.
Foto: teltarif.de
Zehn Jahre nach 3G/UMTS erschien 4G/LTE, das etliche der Fehler von UMTS vermied. Durch die einsei­tige Ausrich­tung auf paket­ori­entierte Daten­dienste konnte das Design verein­facht werden und so (bei glei­chem Strom­ver­brauch) die Verar­bei­tungs­kapa­zität im Mobil­ter­minal erhöht werden. Das Ergebnis: Wesent­lich höhere Bitraten. Mit 4G/LTE wurden daher die mobilen Multi­media-Verspre­chen endlich Wirk­lich­keit, die mit 3G/UMTS gemacht worden waren.

Nicht genü­gend Band­breite für alle

Nur: Das Problem, dass sich alle Nutzer einer Zelle die Gesamt­band­breite teilen, konnte auch mit 4G nicht gelöst werden. Wollen alle gleich­zeitig Video schauen, sehen alle gleich­zeitig nur Fehler­mel­dungen, hängende und abge­bro­chene Streams. Das 3G-Multi­media-Verspre­chen wurde von 4G also nur erfüllt, wenn nicht zu viele Nutzer gleich­zeitig aktiv waren. Und weil das mobile Internet so unzu­ver­lässig ist, unter­hält bis heute die Mehr­heit der Haus­halte auch einen statio­nären Breit­band­anschluss. Über 90 Prozent der Daten­menge der Privat­per­sonen wird weiterhin über das Fest­netz über­tragen, nicht über den Mobil­funk.

Um die Marke­ting-Verspre­chen von 3G endlich nicht nur für einige User, sondern für alle User gleich­zeitig erfüllen zu können, setzt die Branche auf ein erneutes Tech­nologie-Upgrade: 5G soll dank Massive MIMO anfangs ein Dutzend Endge­räte in einer Zelle gleich­zeitig mit voller Bitrate versorgen können, später noch deut­lich mehr. Wenn mehr Endge­räte gleich­zeitig aktiv sind, als die Zahl der Antennen in der Basis­sta­tion und im Terminal, sowie die erzielte Trenn­schärfe der einzelnen MIMO-Kanäle zulassen, sinkt die Bitrate natür­lich wieder, aber nicht so schnell wie bei 3G und 4G. 1000 Smart­phones in einer Zelle, die gleich­zeitig einen HD-Stream mit jeweils mehreren Megabit pro Sekunde abspielen, rücken mit 5G daher erst­malig in den Bereich des mögli­chen. Die alten Träume vom mobilen Fest­netz­ersatz, vom Verzicht auf die ganzen Tele­fon­kabel, er könnte mit 5G viel­leicht doch noch wahr werden.

5G-Fequenzen woher?

Nur: Auch 5G benö­tigt Frequenzen, und die sind bei den Netz­betrei­bern knapp und schon mit 2G, 3G und 4G belegt. Für 5G wurden zwar neue Frequenzen verstei­gert, diese sind aber recht ungünstig belegen: 2 x 10 MHz pro Netz­betreiber verspre­chen zwar hohe Reich­weite, aber nicht sonder­lich viel Extra-Kapa­zität. Zudem führt Massive MIMO bei 700 MHz zu sehr großen Antennen. Weiterhin wurden für 5G groß­zügige Frequenz­bänder bei 3,6 GHz verstei­gert. Die drei bestehenden Netz­betreiber konnten sich dort jeweils 70 bis 90 MHz sichern. Das ist Band­breite satt und die Frequenz eignet sich sehr gut für Massive MIMO und die daraus resul­tie­renden hohen Gesamt-Bitraten. Nur: Die Reich­weite ist bei dieser hohen Frequenz doch arg limi­tiert.

Einen sinn­vollen Kompro­miss aus Band­breite (2 x 20 MHz bei Telekom und Voda­fone; bei o2 nur bis 2025), Reich­weite und Massive-MIMO-Fähig­keit bieten aber die Frequenzen rund um 2,1 GHz - also die, die ursprüng­lich für 3G/UMTS verstei­gert worden waren, und für deren Verlän­gerung die Netz­betreiber jüngst im Rahmen der 5G-Auktion erneut Geld bezahlt haben. Nur: Wenn man diese Bänder optimal für 5G nutzen will, muss der 3G-Dienst weg. 3G und 5G können nicht im selben Frequenz­block gleich­zeitig betrieben werden.

3Geh

Tatsäch­lich schalten Telekom und Voda­fone den 3G-Dienst dieser Tage ab, um die Frequenzen auf 5G upzu­graden. Und selbst o2, bei denen ich vermutet hatte, dass sie zum Ausgleich den 3G-Dienst länger betreiben werden, hat die Abschal­tung von 3G bis zum Jahres­ende ange­kün­digt. Den Angaben zufolge laufen bei o2 nur noch 3 Prozent aller Daten über 3G, bei den beiden Konkur­renten dürfte der Anteil noch nied­riger sein.

Bei o2 werden die frei­gewor­denen Frequenzen frei­lich wohl über­wie­gend auf 4G/LTE geup­gradet. Bei der Telekom und wohl auch bei Voda­fone soll 4G/5G Digital Spec­trum Sharing (DSS) aufge­schaltet werden: Da sowohl 4G als auch 5G das Band in gleich breite Subcar­rier unter­teilen, ist es bei 4G und 5G (anders als bei 3G und 5G) problemlos möglich, ein Band dyna­misch zwischen 4G und 5G aufzu­teilen. Die 5G-Vorteile sind dann frei­lich nur im 5G-Anteil des Bandes verfügbar, und so werden die Netz­betreiber bestrebt sein, zumin­dest bei Band­brei­ten­knapp­heit die Auftei­lung zugunsten von 5G zu prio­risieren.

Alte Endge­räte werden zu Elek­tro­schrott

Alte 2G/3G-Handys werden durch die Umstel­lung auf den 2G-Stan­dard zurück­geworfen. Zum Tele­fonieren und SMSen reicht dieser, für E-Mail, Websurfen oder den Bilder­ver­sand per WhatsApp hingegen nicht. Beson­ders im Billig­seg­ment wurden nach der LTE-Einfüh­rung 2010 noch bis 2014 oder 2015 zahl­reiche nicht-LTE-fähige Smart­phones verkauft. Diese können daher künftig Daten (faktisch) nur noch über WiFi-Netze über­tragen. Viele Smart­phones aus der Anfangs­zeit von 3G haben zudem keine WiFi-Unter­stüt­zung, diese werden trotz inte­grierter Kamera und Browser damit zu reinen Handys degra­diert. Berück­sich­tigt man aller­dings die Kamera- und Display-Qualität dieser uralt-Geräte und die geringe Prozes­sor­geschwin­dig­keit, dürfte klar werden, dass die Zahl der Lieb­haber, die sich diese Geräte für die Daten­nut­zung heute noch antun, doch sehr über­schaubar sein dürfte.

Positiv ist, dass die Mobil­funk­branche sich weiterhin anstrengt, die ursprüng­lichen Verspre­chen aus der 3G-Ära nun mit 5G endlich zu erfüllen. Jedoch kostet das dafür nötige Upgrade der Netze und der Endge­räte erstmal Geld. Wenn im Gegenzug aber zumin­dest ein Teil der Nutzer auf den Fest­netz­anschluss verzichten kann, weil das Handy­netz zuver­lässig und bezahlbar eine ausrei­chende Daten­rate liefert, dann sparen die Nutzer auch wieder. Bis es so weit ist, muss aber 5G erstmal im Massen­markt ankommen, was noch ein paar Jahre dauern wird.

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