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Italien: Finanzinvestor KKR will Telecom Italia (TIM) kaufen

In Italien könnte ein ehema­liger staat­licher Tele­kom­muni­kati­ons­kon­zern von einem Finanz­investor gekauft und von der Börse genommen werden. Bleibt das öffent­liche Inter­esse gewahrt?
Von mit Material von dpa

Kann Telekom Italia an einen Investor verkauft werden? Kann Telekom Italia an einen Investor verkauft werden?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Sollen Tele­kom­muni­kati­ons­unter­nehmen gänz­lich frei an der Börse oder an Inves­toren verkauft werden können? Oder gibt es eine gewisse soziale Verpflich­tung, weil Tele­kom­muni­kation eigent­lich zur Grund­ver­sor­gung gehört. Der aktu­elle Fall spielt in Italien. Dort will der welt­weit tätige Finanz-Investor KKR Italiens Tele­kom­muni­kati­ons­kon­zern TIM kaufen und gleich von der Börse nehmen.

KKR will TIM kaufen

Kann Telekom Italia an einen Investor verkauft werden? Kann Telekom Italia an einen Investor verkauft werden?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Die börsen­notierte Betei­ligungs­gesell­schaft KKR (die Buch­staben stehen für die Gründer Kohl­berg, Kravis und Roberts), die auch der größte Anteils­eigener des Medi­enkon­zerns Axel Springer ("Bild-Zeitung" etc.) ist, hinter­legte in Italien höchst offi­ziell ihr Kauf­inter­esse. Dieses sei "nicht bindend und indi­kativ", teilte TIM - die frühere Telecom Italia - nach einer außer­ordent­lichen Vorstands­sit­zung am Sams­tag­abend mit.

KKR möchte 100 Prozent der Aktien des ehema­ligen Staats-Mono­pol­kon­zerns erwerben und den Konzern dann von der Börse nehmen. Der Investor bietet dafür 0,505 Euro pro Aktie. An der Börse lag der Kurs am Freitag noch bei 0,35 Euro.

TIM unter Druck

TIM steht in Italien gewaltig unter Druck: Die letzten Quar­tals­ergeb­nisse waren für die Anleger enttäu­schend, auch ein Deal mit der Strea­ming­platt­form DAZN zur Über­tra­gung von Fußball­spielen der wich­tigen "Serie A" in dieser Saison brachte nicht die erhofften Zuwachs­zahlen an Lauf­zeit­ver­tags­kunden ("Abon­nenten"). Neue Anbieter wie Iliad haben die Tarife für Mobil­funk­anschlüsse in gnaden­lose Tiefen geprü­gelt.

Aktuell ist der fran­zösi­sche Medi­enkon­zern Vivendi Haupt­anteils­eigner an TIM. Er möchte schon länger Ände­rungen in der Stra­tegie und es wurde auch speku­liert, dass Vivendi eine komplette Über­nahme von TIM im Sinn haben könnte. Auch andere Inves­toren wie Capital Part­ners "CVC" aus Luxem­burg oder "Advent" könnten an TIM Gefallen finden.

Rendite vs. Gemein­wohl

Den Finanz­inves­toren geht es dabei um Rendite. Sie kaufen Unter­nehmen, bauen sie um oder nehmen sie ausein­ander und verkaufen sie früher oder später wieder, möglichst mit viel Gewinn. Ob ein bestimmter Ort endlich Glas­faser oder Mobil­funk -Versor­gung bekommt, ob eine über­las­tete Funk­zelle endlich besser ange­bunden wird und mehr Kapa­zität bekommt, inter­essiert da unter Umständen eher weniger.

Der Investor KKR ist auch in Italien bereits aktiv. KKR ist an der TIM-Tochter "FiberCop" betei­ligt, ein Unter­nehmen, das italie­nische Gemeinden mit Glas­faser­lei­tungen versorgen soll.

Italien in Aufre­gung

In Italien sorgte die Nach­richt vom Kauf­wunsch der KKR sofort für helle Aufre­gung. Als erstes Medium hatte die Tages­zei­tung "Corriere della Sera" darüber berichtet. Die italie­nische Regie­rung reagierte noch am Abend, "die Entwick­lungen zu verfolgen". Zunächst sei es aber ein gutes Zeichen für das Land, wenn Inves­toren sich für italie­nische Unter­nehmen inter­essierten, hieß es offi­ziell dazu.

KKR will zunächst einmal in die Bücher von TIM schauen, wofür rund vier Wochen einge­plant sind, wie TIM erläu­terte. Zudem werde eine Einschät­zung der Behörden erwartet. Ein "Golden Power" genanntes Gesetz erlaubt es der italie­nischen Regie­rung beispiels­weise, Deals auslän­discher Inves­toren in für den Staat stra­tegi­schen Berei­chen zu verhin­dern.

Finanz­minis­terium: Markt soll bewerten

Das Finanz­minis­terium in Rom betonte in einer Stel­lung­nahme: "Das Inter­esse dieser Inves­toren an Inves­titionen in wich­tige italie­nische Unter­nehmen ist eine posi­tive Nach­richt für das Land. Wenn dies eintreten sollte, werde es zuerst der Markt sein, die Soli­dität des Projekts zu bewerten.

TIM ist der größte Tele­fonie­betreiber des Landes. Es ist auch das Unter­nehmen, das den rele­van­testen Teil der Tele­kom­muni­kati­ons­infra­struktur hält. Die Regie­rung wird die Entwick­lung der Inter­essen­bekun­dung genau beob­achten und die Projekte, die sich auf die Infra­struktur auswirken, sorg­fältig bewerten, auch im Hinblick auf die Ausübung ihrer Vorrechte." Und weiter findet das Minis­terium, dass der Breit­band­ausbau in Italien Prio­rität haben müsse, auch um die Anfor­derungen des milli­arden­schweren euro­päi­schen Wieder­auf­bau­fonds zu erfüllen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Unter­stellt der Finanz­investor KKR kann TIM kaufen und von der Börse nehmen, dann werden wich­tige Entschei­dungen in Zukunft eher hinter verschlos­senen Türen fallen, da eine Gesell­schaft in Privat­besitz sicher­lich nicht so trans­parent infor­mieren muss, wie eine börsen­notierte Aktien-Gesell­schaft. Da aber die Akti­vitäten dieser Gesell­schaft spür­bare Auswir­kungen auf das Leben und die Bedin­gungen der italie­nischen Kunden haben wird, bleibt beim Beob­achter ein ungutes Gefühl zurück.

Gut möglich, dass die italie­nische Regie­rung in letzter Minute doch noch den Notaus-Knopf drückt oder mit strikten Auflagen dazwi­schen grätscht. Dann könnte es natür­lich für die Inves­toren nicht mehr so lukrativ sein. Eine kniff­lige Situa­tion.

Der Satel­liten-TV-Anbieter-Astra hat vorge­sorgt und einen neuen Satel­liten bestellt.