Starlink

Editorial: Wie kommen wir zum euro­päischen Satelliten-Internet?

Star­link macht es vor, wie man überall auf der Welt schnelles Iinternet bereit­stellen kann. Kommt die nächste Star­link-Gene­ration sogar aus Europa?
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Europäisches Sat-Internet geplant Europäisches Sat-Internet geplant
Foto: KA-Sat, teltarif.de
Es ist nach der Mond­lan­dung wohl das ambi­tio­nier­teste Raum­fahrt­unter­nehmen aller Zeiten: Der jüngst zum reichsten Mann der Welt gekürte Erfinder und Entre­pre­neur Elon Musik baut mit Star­link eine riesige Satel­liten­kon­stel­lation auf, dank derer künftig die gesamte Erdober­fläche mit schnellem Inter­net­zugang versorgt werden soll. Schon in der ersten Ausbau­stufe sind dafür 1 584 Satel­liten vorge­sehen, künftig könnten es gar 30 000 Satel­liten werden. 900 Satel­liten sind bereits im Orbit, die in der Regel in Gruppen zu je 60 Satel­liten gestartet werden. Die Starts kann Elon Musk mit seiner Rake­ten­firma SpaceX zu opti­mierten Kosten durch­führen, da die Haupt­stufen der von dieser herge­stellten und betrie­benen Falcon-9-Raketen voll­ständig wieder­ver­wendet werden können. Nur die in der Herstel­lung deut­lich güns­tigeren Ober­stufen gehen noch verloren.

Da das Star­link-System so viele Satel­liten verwendet, können diese in einer Höhe von 550 km vergleichs­weise tief fliegen und dennoch die gesamte Erdober­fläche komplett abde­cken. Die Signal­lauf­zeiten (Ping) sind daher bei Star­link deut­lich kürzer als bei anderen Satel­liten­sys­temen wie Iridium oder Thuraya. Viele Beta-Tester zeigten sich mit den erreichten Daten­raten von um die 100 MBit/s im Down­stream und Ping-Zeiten im Bereich von 20 bis 40 ms durchaus zufrieden - zumal diese Werte auch und gerade dort verfügbar sind, wo es derzeit weder DSL noch mobiles Internet gibt. Mit 100 US-Dollar monat­lich und 499 US-Dollar einmalig ist der Dienst aber auch nicht gerade günstig. Und dank einer Leis­tungs­auf­nahme von ca. 100 Watt sind Star­link-Termi­nals - noch - nicht gut mobil nutzbar.

Konkur­renzlos im Weltall

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Foto: KA-Sat, teltarif.de
Ernst­hafte Konkur­renz zu Star­link ist derzeit nicht in Sicht. Das liegt schon daran, dass derzeit niemand anderes derart effi­ziente Raketen baut wie SpaceX. Am weitesten ist noch Jeff Bezos (nach dem Coup von Musk derzeit "nur" noch der zweit­reichste Mann der Welt) mit der von seiner Welt­raum­firma "Blue Origin" entwi­ckelten Rakete "New Shepard". Dieser gelang 2015 wenige Tage vor einer Falcon 9 von SpaceX der Flug auf 100,5 km Höhe - dem offi­ziellen Beginn des Welt­raums - und die anschlie­ßende weiche Landung auf dem eigenen Rake­ten­strahl. Nur ist die New Shepard rein für solche Subor­bital-Flüge konzi­piert. Sie führen keine Ober­stufe mit, und sie kommen nicht einmal andeu­tungs­weise in die Nähe der aber­wit­zigen Geschwin­dig­keit von knapp acht Kilo­meter pro Sekunde, die zum Errei­chen eines stabilen Orbits benö­tigt werden.

Zwar plant Blue Origin dieses Jahr den Erst­start ihrer Schwer­last-Orbi­tal­rakete "New Glenn". Ob dieser aber wie geplant dieses Jahr statt­findet und ob er dann auch gleich den Orbit erreicht, ist ange­sichts der übli­chen Verzö­gerungen und Fehl­schläge in der Raum­fahrt­indus­trie alles andere als gewiss. Selbst, wenn alles nach Plan läuft: Bis sich New Glenn im Markt der Satel­liten-Start­sys­teme etabliert hat, dürfte die Mitte des Jahr­zehnts erreicht sein. Zu diesem Zeit­punkt plant Musk bereits die Instal­lation der zweiten Star­link-Satel­liten­genera­tion.

Diskus­sion auf euro­päi­scher Ebene

Zu begrüßen ist, dass sich auch die EU-Kommis­sion über das drohende Musk­sche Internet-Satel­liten-Monopol Sorgen macht und eine Studie über eine "euro­päi­sche" Alter­native in Auftrag gegeben hat. Doch schon hier beginnen die Probleme: Ein Satel­liten-Internet-System mit nied­rigen Latenzen muss aus physi­kali­schen Gründen niedrig flie­gende Satel­liten mit einer kurzen Umlauf­zeit von nur ca. 100 Minuten verwenden. Es ist nicht möglich, solche Satel­liten über Europa zu konzen­trieren, der Schwarm wird sich immer sofort welt­weit verteilen.

Letz­teres ist noch nicht einmal ein Problem: Schnelles Internet wird schließ­lich welt­weit benö­tigt. Funk­löcher gibt es auch außer­halb der EU zur Genüge. Und in einer Zeit, in der die USA es sich dank NSA-Spio­nage und welt­weiter Sank­tionen mit so manchem Handels­partner verderben, könnte ein von Europa aus gestar­tetes und kontrol­liertes Satel­liten-Internet mit besserem Daten­schutz und ohne poli­tische Einfluss­nahme sicher bei vielen Kunden punkten. Es ist daher meines Erach­tens Unsinn, ein solches Satel­liten-Internet nur für Europa zu denken. Es sollte zwar von Europa projek­tiert, gebaut und gestartet werden, aber für die ganze Welt. Airbus-Flug­zeuge - ein hervor­ragendes Beispiel für die Fähig­keit Europas, einen Tech­nologie-Rück­stand aufzu­holen - werden schließ­lich auch welt­weit verkauft und betrieben.

Statt über die Satel­liten-Tech­nologie - die unter­scheidet sich nicht wesent­lich von der normaler Mobil­funk-Basis­sta­tionen - sollte sich die EU-Studie zudem auf zukunfts­fähige Satel­liten-Start­sys­teme fokus­sieren: Die Ariane-6-Rakete, die demnächst die Ariane 5 ablösen soll, ist nämlich noch ein ganz klas­sisches und daher teures Wegwer­fra­keten-Design. Statt aber nur SpaceX und Blue Origin nach­zuei­fern und Träger­raketen wieder auf dem Rake­ten­strahl landen zu lassen, sollte Europa noch einen Schritt weiter gehen und den Rake­ten­antrieb der Zukunft entwi­ckeln.

Neuar­tige Rake­ten­antriebe

Eine mögliche Zukunfts­option, die ich hier als Beispiel heraus­stellen will, von der ich aber nicht prüfen kann, ob die Tech­nologie auch machbar ist, ist das luftat­mende Sabre-Trieb­werk der engli­schen Tech­nolo­gie­schmiede Reac­tion Engines: Bis zur gut fünf­fachen Schall­geschwin­dig­keit kann das Sabre-Trieb­werk mit Umge­bungs­luft statt mit Raketen-Sauer­stoff fliegen. Steigt die Geschwin­dig­keit weiter, kann es unter­bre­chungs­frei auf echten Rake­ten­antrieb umschalten. Fünf­fache Schall­geschwin­dig­keit ist übri­gens nur wenig lang­samer als das Tempo, bei der die bereits erwähnte Falcon-9-Haupt­stufe die Ober­stufe ausklinkt und sich anschlie­ßend auf die Landung vorbe­reitet.

Da bei einer mit Wasser­stoff und Sauer­stoff betrie­benen Welt­raum­rakete der Sauer­stoff sechsmal so viel wiegt wie der Wasser­stoff, bewirkt die Nutzung von ange­saugter Luft statt mitge­führtem Sauer­stoff während der anfäng­lichen Flug­phase eine dras­tische Gewichts­reduk­tion. Besser noch: Da der inerte Stick­stoff der ange­saugten Luft sich durch die Verbren­nungs­wärme eben­falls ausdehnt, trägt auch dieser zum Vortrieb bei. So steigt der spezi­fische Impuls - das Verhältnis aus Vortrieb zum Gewicht des verbrauchten Treib­stoffs - in der Start­phase von 450 s beim eben­falls mit Wasser­stoff betrie­benen Haupt­trieb­werk des Space Shuttle auf projek­tierte 3 500 s beim Sabre-Trieb­werk. Erst nach Errei­chen der fünf­fachen Schall­geschwin­dig­keit wird auf Sauer­stoff statt Luft umge­schaltet - von da an verhält sich das Sabre-Trieb­werk wie ein herkömm­liches Rake­ten­trieb­werk mit entspre­chendem Verbrauch.

Reac­tion Engines hält es für möglich, auf Basis des Sabre-Trieb­werks ein Rake­ten­flug­zeug zu entwi­ckeln, das direkt ohne Stufen­abtren­nung den Welt­raum errei­chen und nach dem Aussetzen von Satel­liten wie das Space Shuttle zur Erde zurück­gleiten und aero­dyna­misch landen kann.

Beur­tei­lung des Projekts

Ob Reac­tion Engines beim Trieb­werks­design sauber gerechnet hat, oder ob das alles nur "heiße Luft" ist, kann ich nicht beur­teilen. Im Vergleich zu herkömm­lichen Jet-Trieb­werken beinhaltet das Sabre-Trieb­werk einen zusätz­lichen Schritt, bei dem die Wärme der einströ­menden und (im Über­schall­bereich schon durch die Aero­dynamik vorver­dich­teten und so erhitzten) Luft über einen Zwischen­träger (nämlich Helium) an den ultra­kalten Treib­stoff über­tragen wird. Für mich als Physiker klingt das sinn­voll, auch, wenn ich nicht alles bis zum Ende durch­rechnen kann: Durch die Vorküh­lung sinkt das Volumen der einströ­menden Luft. Somit können die Kompres­soren, mit denen die Luft auf die für das Trieb­werk nötigen Drücke kompri­miert wird, entspre­chend kompakter gebaut werden, und es wird weniger Energie für deren Betrieb benö­tigt. Da die Wärme, die der Luft entzogen wird, dem Treib­stoff zuge­führt wird, geht zudem insge­samt keine Energie verloren. Der Treib­stoff wird übri­gens zunächst auf "Betriebs­druck" gebracht und erst dann erwärmt, sodass die Treib­stoff­pumpe eben­falls kompakt bleiben kann.

Bisher konnte Reac­tion Engines frei­lich erst Einzel­kom­ponenten ihres Trieb­werks unter simu­lierten Bedin­gungen testen. Schließ­lich gibt es derzeit kein Flug­zeug, dass mal so "Mach 5" fliegt, und das zudem trotz des hohen Tempos aero­dyna­misch flexibel genug ist, dass man ein zusätz­liches Trieb­werk anbringen könnte. Auch Strö­mungs­kanäle und andere Test­stände für Mach 5 sind außer­ordent­lich rar. In der Folge dauert jeder einzelne Kompo­nen­ten­test bei Reac­tion Engines jeweils Jahre - einem Zeit­raum, in dem SpaceX ganze neue Raketen entwi­ckelt und erprobt.

Eine EU-Förde­rung, die Konzepte wie das von Reac­tion Engines auf die tatsäch­liche Mach­bar­keit hin unter­sucht, und bei posi­tiver Beur­tei­lung dann beschleu­nigt, indem sie die für die prak­tische Entwick­lung und Erpro­bung nötigen Tech­nolo­gien fördert, würde viele zukunfts­fähige Arbeits­plätze schaffen und sichern. Eine Studie, die ausrechnet, wie viele Satel­liten man in einer Konstel­lation braucht, um die "weißen Flecken" endlich von Europas Internet-Land­karte zu tilgen, würde hingegen nur bestä­tigen, dass Elon Musk schon alles richtig gemacht hat. Und selbst, wenn Reac­tion Engines britisch ist: Eine euro­päi­sche Förde­rung für euro­päi­sche Welt­raum­tech­nologie wäre dennoch sinn­voll und auch möglich. Viel­leicht führt diese am Ende sogar wieder zu mehr Zusam­men­arbeit zum Wohle aller.

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