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Internet in Europa über eigene Satelliten?

Um die digi­tale Kluft des Konti­nents zu über­brü­cken, soll ein Konsor­tium im Auftrag der Euro­päi­schen Union die Mach­bar­keit eines rein euro­päi­schen Satel­liten-Netz­werks zur Inter­net­ver­sor­gung unter­suchen.
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Der Airbus-Konzern ist beim Konsortium eines europäischen Satelliten-Internet-Systems mit dabei. Der Airbus-Konzern ist beim Konsortium eines europäischen Satelliten-Internet-Systems mit dabei.
Foto: Getty Images / Airbus
Die Euro­päi­sche Kommis­sion hat ein Konsor­tium aus euro­päi­schen Satel­liten­her­stel­lern, -betrei­bern und -dienst­leis­tern, Tele­kom­muni­kati­ons­anbie­tern und Anbie­tern von Start­diensten ausge­wählt, um die Entwick­lung, den Bau und den Betrieb eines welt­raum­gestützten euro­päi­schen Kommu­nika­tions­sys­tems zu unter­suchen.

Studie zur Mach­bar­keit

Der Airbus-Konzern ist beim Konsortium eines europäischen Satelliten-Internet-Systems mit dabei. Der Airbus-Konzern ist beim Konsortium eines europäischen Satelliten-Internet-Systems mit dabei.
Foto: Getty Images / Airbus
Die Studie soll die Durch­führ­bar­keit eines euro­päi­schen Satel­liten-Netzes bewerten, womit die "digi­tale Souve­ränität Europas" gestärkt und eine bessere und sichere flächen­deckende Verbin­dung in länd­lichen und oder "nicht-spot" Gebieten für Bürger, kommer­zielle Unter­nehmen und öffent­liche Einrich­tungen möglich wäre. Das Satel­liten-Netz solle eine Ergän­zung zum Erdbe­obach­tungs-System Coper­nicus und dem Posi­tions­bestim­mungs­system Galileo sein. Die Initia­toren hoffen, dass das neue "EU-Flagg­schiff-Programm ... die Syner­gien des tech­nolo­gischen Poten­zials", was in der Digital- und der Raum­fahrt­indus­trie ziem­lich ähnlich ist, voll ausschöpfen könnte. Die Mach­bar­keits­studie soll ein Jahr dauern und etwa 7,1 Millionen Euro kosten.

EU Kommissar Thierry Breton (einst Chef von Orange/France Telecom) befür­wortet das euro­päi­sche System für welt­raum­gestützte Inter­net­ver­bin­dungen und verspricht sich davon sichere Kommu­nika­tions­dienste für die EU und ihre Mitglied­staaten, sowie Breit­band­kon­nek­tivität für euro­päi­sche Bürger, Unter­nehmen und Mobi­litäts­sek­toren.

Basis GOVSATCOM

Das System soll auf dem GOVSATCOM-Programm der Euro­päi­schen Union zur Bünde­lung und gemein­samen Nutzung von Satel­liten­diensten aufbauen und ein hohes Maß an Zuver­läs­sig­keit, Ausfall­sicher­heit und Sicher­heit gewähr­leisten, was derzeit noch nicht auf dem Markt verfügbar sei. Außerdem werde es die EuroQCI-Initia­tive nutzen, die inno­vative Quan­ten­kryp­tografie-Tech­nologie fördern soll.

Was wird gebraucht, was darf es kosten?

Konkret soll die von der Euro­päi­schen Kommis­sion beauf­tragte Studie die Nutzer- und Tech­nik­anfor­derungen ermit­teln und einen vorläu­figen Archi­tek­tur­ent­wurf und ein Konzept für die Bereit­stel­lung von Diensten sowie damit verbun­denen Kosten­schät­zungen liefern. In dieser Phase werde auch eine öffent­lich-private Part­ner­schaft (PPP) (Politik und Indus­trie finan­zieren gemeinsam) in Betracht gezogen und bewertet.

Im Rahmen der Studie soll nun heraus­gefunden werden, wie ein welt­raum­gestütztes System aktu­elle und künf­tige kriti­sche Infra­struk­turen, einschließ­lich terres­tri­scher Netze, verbes­sern und sich mit diesen verbinden könnte. Dadurch könnte die EU besser auf eine eigene Cloud zuzu­greifen und digi­tale Dienste unab­hängig und sicher bereit­zustellen. Das soll Vertrauen in die digi­tale Wirt­schaft und stra­tegi­schen Auto­nomie und Wider­stands­fähig­keit Europas gegen­über auslän­dischen Anbie­tern (z.B. USA oder China) gewähr­leisten.

Verbunden mit 5G und vorbe­reitet für 6G

Das Satel­liten-System soll in das 5G-Ökosystem inte­griert werden und die ab etwa 2030 geplanten 6G-Tech­nolo­gien sollen auch beim Design berück­sich­tigt werden.

Die Initia­toren sind sich sicher, dass eine euro­päi­sche souve­räne Infra­struktur einer Viel­zahl von Sektoren zugu­tekommen könnte, wie Straßen- oder Seever­kehr, Luft­ver­kehr und Flug­siche­rung, und natür­lich der Entwick­lung auto­nomer Fahr­zeuge sowie bei vielen Anwen­dungen des Inter­nets der Dinge (IoT).

Das Europa-Satel­liten-Netz soll eine verbes­serte Sicher­heit bei der Über­tra­gung und Spei­che­rung von Infor­mationen und Daten bieten und die Bedürf­nisse verschie­dener Nutzer wie Regie­rungs­behörden, Finanz- und Bank­unter­nehmen, Wissen­schafts­netz­werke, kriti­sche Infra­struk­turen und Rechen­zen­tren unter­stützen.

Who is Who im Konsor­tium

Im Konsor­tiums finden sich ein "Who is Who" der euro­päi­schen Tech­nologie-Branche:

Noch(?) nicht dabei ist die Deut­sche Telekom, die zu den größeren euro­päi­schen Tele­kom­muni­kati­ons­anbie­tern gehört.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die EU kommt relativ früh auf den Trichter, dass eine Versor­gung entle­gener Gebiete mit einem stabilen und zuver­läs­sigen Internet ohne "Einfluss" von ameri­kani­schen, chine­sischen oder anderen Anbie­tern, keine schlechte Idee wäre. Ob es nun ein Satel­liten-System sein muss (der Himmel hängt schon mit viel Mate­rial sprich "Welt­raum­schrott" voll) oder ob es Stra­tosphären-Flug­zeuge (wie es die Deut­sche Telekom favo­risiert) oder Ballon-Platt­formen sein könnten, die man gezielter und wahr­schein­lich güns­tiger einsetzen könnte, mögen Fach­leute klären.

Dazu kommt, dass die Systeme wie Star­link (vom Tech­nologie Pionier Elon Musk (Tesla, Star-X, Hyper­loop) bereits so gut wie start­klar sind und auch OneWeb (vormals WorldVu, Greg Wyler) kann Dank Chapter 11 weiter arbeiten.

Oder wie es ein Internet-Nutzer in einem Forum zutref­fend schrieb: "Europa kommt rund 20 Jahre zu spät".

Ande­rer­seits: Das euro­päi­sche Satel­liten-Navi­gations-System Gallileo ist - von der Öffent­lich­keit weit­gehend unbe­merkt - seit 2016 in Betrieb. Und die GSM-Technik im Handy ist auch eine euro­päi­sche Erfin­dung. Also sollten sich die euro­päi­schen Initia­toren schleu­nigst ans Werk machen, bevor es wirk­lich zu spät ist.

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