Studie

5G im Wettbewerb: "Besonders restriktiv abgeriegelt"?

Seit es Service-Provider gibt, gibt es Klagen über die Netz­betreiber: "Die lassen uns verhun­gern". Ein Service-Provider will daher Netz­betreiber werden. Doch die Klagen reißen nicht ab.
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Die Klage ist nicht neu. In Kurz­form: Die etablierten Netz­betreiber geben den Service-Provi­dern und Discoun­tern kein 5G - oder wenn, dann ist es viel zu teuer, um es zu Kampf­preisen auf dem Markt verschleu­dern zu können.

Oder ausführ­licher: "Der Endkun­den­markt für Mobil­funk­dienst­leis­tungen weist erheb­liche Wett­bewerbs­defi­zite auf."

Studie soll Diskri­minie­rung belegen

Ein Gutachten im Auftrag von BREKO und 1&1 kommt zu dem Schluss, dass die drei Mobilfunker den Zugang zu 5G-Diensten "erschweren" Ein Gutachten im Auftrag von BREKO und 1&1 kommt zu dem Schluss, dass die drei Mobilfunker den Zugang zu 5G-Diensten "erschweren"
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Die Unter­neh­mens­bera­tung SBR-net Consul­ting hat dazu eine Studie für den Bundes­ver­band Breit­band­kom­muni­kation (BREKO) und den Service-Provider und künf­tigen Netz­betreiber 1&1 ange­fer­tigt.

Die drei seit langem etablierten Mobil­funk­netz­betreiber Deut­sche Telekom, Telefónica und Voda­fone, so der Vorwurf, beherrschten den Markt und würden sich gerade bei der neuen Mobil­funk­genera­tion 5G gegen­über Einstei­gern wie 1&1 "abschotten". Auch alter­native Fest­netz­betreiber hätten keine Chance, wett­bewerbs­fähige Bündel­ange­bote zu schnüren.

Die Gutachter legen noch nach: Bekannte Discounter-Marken wie "Aldi Talk" (im Netz von o2) oder "Lidl Connect" (im Netz von Voda­fone) erweckten "ledig­lich den Eindruck unab­hän­gigen Wett­bewerbs". In der Tat gibt es dort aktuell noch keinen Zugriff auf 5G-Dienste.

Was sind Service-Provider?

Das Prinzip der Service-Provider ist seit etwa 30 Jahren unver­ändert: Sie vermit­teln teil­weise einen direkten Vertrags­schluss zwischen Endkunden und den großen Netz­betrei­bern bzw. deren Service-Töch­tern, oder der Kunde wird vom Service-Provider direkt betreut und nutzt ein vorher ausge­wähltes Netz. Umbu­chen oder Roaming zwischen den Netzen ist nicht möglich.

Dann kommt die Studie auf den Punkt: Mit 1&1 und Freenet exis­tierten aktuell "nur zwei wesent­liche Mobil­funk­dis­counter", die in der Lage seien, "Dienste mit einer etwas größeren wirt­schaft­lichen Wert­schöp­fungs­tiefe zu erbringen". Das stimmt schon, denn (fast) alle anderen Mobil­funk-Service-Provider wurden längst im Zuge von Fusionen und Über­nahmen aufge­kauft und sind entweder bei Freenet oder im 1&1-Marken­ver­bund gelandet.

Vom Service-Provider zum Netz­betreiber

Der Netz­betreiber 1&1 ist bekannt­lich gerade "unter vielen Schwie­rig­keiten" dabei, vierter Netz­betreiber zu werden (und muss seinen Status als Service-Provider aufgeben), weil er seine "Wert­schöp­fungs­stufe entspre­chend weiter­ent­wickeln" möchte. Verständ­lich: Als Service-Provider ist man immer vom "good will" der Netz­betreiber abhängig, als eigener Netz­betreiber hat man die Netz­pro­duk­tion in eigenen Händen und kann in Grenzen versu­chen, die Kosten im Griff zu halten.

BNetzA solle eingreifen

Die Autoren der Studie plädieren dafür, dass die Bundes­netz­agentur eingreifen solle, um die "Chancen für ein verbes­sertes Angebot von Mobil­funk­vor­leis­tungen" und damit auch die Zahl der Akteure im Markt zu vergrö­ßern.

Schon bei den LTE-Produkten (LTE=4G) sei "die Fähig­keit zur Tarif­gestal­tung alter­nativer Diens­tean­bieter durch entspre­chende Vorleis­tungs­kon­ditionen" begrenzt gewesen. Trotzdem habe es hier Konkur­renz-Druck gegeben, eben­falls Ange­bote im Nied­rig­preis-Segment zu erstellen. Die Autoren nennen beispiels­weise die "Family"-Tarife der Telekom.

Im 5G-Bereich jedoch würden die drei großen Anbieter den Wett­bewerb "beson­ders restriktiv abrie­geln", stellen die Autoren der Analyse fest. Die "großen Drei" würden das Angebot von 5G-Tarifen als Mobil­funk­vor­leis­tung stark "verzö­gern" und ließen "den nach­fra­genden Unter­nehmen so kaum Möglich­keiten, Endkun­den­pro­dukte selbst zu gestalten".

Damit liege der Markt­anteil der drei echten Netz­betreiber ober­halb ihrer Quote im Gesamt­markt. Alter­native Anbieter hätten so keine Chance.

Kleine Glas­faser­netz­betreiber hoffen auf 1&1

Als deut­liches Beispiel sehen die Autoren der Studie den fran­zösi­schen Anbieter Tran­satel. Der hatte versucht, bei o2 möglichst güns­tige Preise zu bekommen, um Groß­han­dels­pro­dukte für flexible Mobil­funk- und Daten­zugänge (z.B. über eSIM oder für IoT-Anwen­dungen) reali­siert zu bekommen. Selbst die Anru­fung der Bundes­netz­agentur als Schieds­stelle habe nicht ausge­reicht. o2 wurde zwar zu Gesprä­chen "gebeten", es gab aber keine Vorgabe, wie "günstig" es denn sein sollte. Tran­satel war es am Ende "viel zu teuer".

Im Fall von 1&1 prüft mitt­ler­weile das Bundes­kar­tellamt, ob der Funk­tur­maus­rüster Vantage Towers, der zu Voda­fone gehört, das Unter­nehmen "unge­bühr­lich behin­dert" hat.

Warum ist der BREKO betei­ligt?

Nun mag man sich fragen, was der Glas­faser­netz­bauer und Breit­band­anbieter Verband BREKO damit zu tun hat. Die Antwort klingt plau­sibel: Auch regio­nale Glas­faser­anbieter "bräuchten ange­mes­sene Mobil­funk­vor­leis­tungen, um auf glei­cher Augen­höhe im Wett­bewerb bestehen und ihre eigenen Inves­titionen refi­nan­zieren zu können".

Das müsste ein Mobil­funk­pro­dukt "auf dem Stand der Technik im Bündel mit den selbst errich­teten Netzen und darauf ange­botenen Diensten" sein, sonst werde der Vertrieb bzw. Verkauf von Fest­netz­diensten "erheb­lich erschwert". Mehr als die Hälfte der 132 für das Gutachten befragten Glas­faser­netz­betreiber hätten Inter­esse am Einkauf von Mobil­funk­vor­leis­tungen geäu­ßert.

Hoff­nung auf 800, 1800 und 2600 MHz

Die aktu­ellen Frequenz­zutei­lungen in den Berei­chen 800 MHz, 1800 MHz und 2,6 GHz sollen Ende 2025 auslaufen. Hier sehen die Verfasser der Studie die Chance, "den Wett­bewerb auf dem deut­schen Mobil­funk­markt zu erhalten und zu beleben".

Große Hoff­nungen setzen sie auf den Markt­ein­tritt eines vierten Mobil­funk­betrei­bers. 92 Prozent der befragten Glas­faser­anbieter wünschen sich einen "Durch­bruch für 1&1". Um als Neuein­steiger ein flächen­deckendes Netz aufbauen zu können, seien ein fairer Anteil am Mobil­funk­spek­trum und ein diskri­minie­rungs­freies natio­nales Roaming "zumin­dest in der ersten Phase als Basis für eigene bundes­weite Ange­bote und deren Weiter­ver­mark­tung" erfor­der­lich. 1&1 sollte daher bei der kommenden Frequenz­ver­gabe die Option erhalten, sein Frequenz­port­folio entspre­chend zu ergänzen, heißt es in der Studie.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Service-Provider wurden erfunden, um den Mobil­funk­markt zu beleben. Sie verkaufen Mobil­funk­ver­träge in den bestehenden Netzen und brau­chen dazu einen maxi­malen Rabatt vom Original-Netz­betreiber, um ihre eigenen Kosten decken und attrak­tive Preise umsetzen zu können. Darauf haben die Netz­betreiber wenig Lust, weil es ihre Einnahmen und Rück­lagen für den Netz­ausbau schmä­lert.

Relativ neu sind die virtu­ellen Netz­betreiber, die im Gegen­satz zu klas­sischen Netz­betrei­bern eine eigene Vorwahl und eine eigene oder gemie­tete Vermitt­lungs­technik haben. Deren Kunden "roamen" beim echten Netz­betreiber, sofern man sich vorher auf die Kondi­tionen geei­nigt hat. Auch hier sind Sonder­preise gefragt, um attraktiv zu sein.

Nutzer und Politik erwarten von den Netz­betrei­bern, dass sie Deutsch­land am liebsten gleich und sofort "flächen­deckend" ausbauen. Das ist in Ballungs­gebieten, wo viele Menschen leben und arbeiten weniger ein Problem. Einsame Gegenden, wo auch Menschen leben oder Urlaub machen oder sich aufhalten, zu versorgen, ist relativ teuer. Das können Netz­betreiber nur leisten, wenn sie genü­gend Einnahmen zur Verfü­gung haben.

Die Alter­native, mit staat­licher Förde­rung diese "weißen" Gegenden auszu­bauen, ist wenig effi­zient, weil der Staat das Geld erst einsam­meln muss, dann muss es bean­tragt, geneh­migt und verteilt werden. Das ist wenig effektiv und dauert viel zu lange.

Eine gesamt­deut­sche Netz­gesell­schaft, die eigene Funk-Lizenzen bekommt und dann wirk­lich den letzten Winkel ausbauen muss, wäre eine Option gewesen. Sie würde keine Endkunden haben, sondern nur an Netz­betreiber oder Service-Provider liefern. Man könnte dieser Gesell­schaft beispiels­weise das gesamte 700-900-MHz-Spek­trum geben, und die müssten es dann effi­zient weiter­ver­mieten. Klingt toll, doch bis diese Gesell­schaft wirk­lich start­klar wäre, vergingen wohl Jahre, da mit massiven Wider­ständen und Gerichts­ver­fahren etc. zu rechnen wäre. Also ist das keine Lösung.

Service-Provider können schon heute 5G bekommen

Es stimmt einfach nicht, dass Service-Provider kein 5G bekommen können. Wer die Preis­listen, z.B. bei Freenet-Mobil­funk, aufmerksam studiert, sieht dort auch "Original Netz­betreiber Tarife" mit 5G. Nur unter­scheiden diese Tarife sich preis­lich gegen­über dem Original wenig und sind damit für preis­bewusste Kunden nicht sonder­lich attraktiv.

Der Wunsch der etablierten Netz­betreiber, den Markt­ein­tritt eines vierten Netz­betrei­bers zu verhin­dern, ist verständ­lich, funk­tio­niert aber auch nicht, weil im Zwei­fels­fall die Sympa­thien von Publikum und Politik auf der Seite des "schwa­chen David" sein werden.

Die Hoff­nung der kleinen Glas­faser-Netz­betreiber auf 1&1 könnte genauso enttäuscht werden. Erstens gibt es schon heute ein Rahmen­abkommen für Stadt­netz­betreiber im BREKO mit Telefónica-o2. Diese Anbieter können also schon heute SIM-Karten im o2-Netz verkaufen und tun das teil­weise auch.

Zwei­tens hat 1&1 ein spezi­elles Roaming-Abkommen mit o2, darf dieses Roaming aber nicht "weiter­ver­kaufen", z.B. an die o.g. Mini-Netz­betreiber oder andere Service-Provider. Das Netz von 1&1 wäre also erst dann inter­essant, wenn es quasi überall funk­tio­nieren sollte. Das kann aber noch dauern, falls es jemals dazu kommt.

Redet mitein­ander

Welche Möglich­keiten bleiben noch: Die vier Netz­betreiber müssten sich ernst­haft zusam­men­setzen und über­legen, wie sie die effektiv knappen Frequenzen so aufteilen können, dass alle was davon haben. Bei den Gesprä­chen könnten Bundes­netz­agentur und Kartellamt als neutrale Schieds­richter dabei sitzen, und viel­leicht sollte es wie bei einer Papst­wahl so lange dauern, bis sich alle geei­nigt haben. Dafür müsste auf eine sünd­haft teure Auktion, die nur wert­volles Geld verbrennt, ein für alle Mal verzichtet werden.

Die Aufgaben sind knifflig: 1&1 müsste verstehen, dass es die Leis­tungen der Kollegen nicht so günstig bekommen kann, wie es sich wünscht, und die drei Etablierten müssen Zuge­ständ­nisse machen, dass 1&1 im Markt bestehen kann. Aber: Ob vier Netz­betreiber auf Dauer über­lebens­fähig bleiben, ist eine andere Frage.

Sollte trotz aller Kritik die Auktion doch statt­finden, müsste einer der vier Netz­betreiber damit rechnen, am Ende "leer" auszu­gehen oder viel zu wenig Frequenzen zu bekommen. Die Folge: ein Markt­aus­tritt oder nach­träg­liche direkte Verhand­lungen mit einem Wett­bewerber. Auch das würde viel Zeit und Geld kosten.

Das über­geord­nete Ziel sollte eigent­lich der flächen­deckende Ausbau des Landes sein und nicht der Wunsch nach kurz­fris­tigen Kampf­preisen in über­las­teten, wack­ligen Netzen.

Schon früher hatte der Dach­ver­band der euro­päi­schen Service-Provider und virtu­ellen Netz­betreiber (MVNO Europe) entspre­chende Rege­lungen gefor­dert.

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