o2 beendet Bonitäts-Test mit Schufa
Telefónica/o2 hat den Test von Schufa Check Now nach massiver Kritik wegen "nicht erfüllter Erwartungen" sofort eingestellt.
Foto: Picture Alliance / dpa
Verbraucher können bestimmten Anbietern wie Finanz-Start-ups Einblick in ihr Bank-Konto bei einer anderen Bank gewähren. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn man ein neues Konto eröffnet und die neue Bank einen Blick auf das alte Konto werfen möchte, um über einen Überziehungsrahmen entscheiden zu können.
Bewertung der Zahlungsfähigkeit
Telefónica/o2 hat den Test von Schufa Check Now nach massiver Kritik wegen "nicht erfüllter Erwartungen" sofort eingestellt.
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Diese Daten sind für die Bewertung der Zahlungsfähigkeit der Verbraucher interessant. Ein Angebot der Schufa, die Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern (z.B. für Handyverträge) künftig auch anhand von deren Kontoauszügen zu bewerten, sorgte für Wirbel.
Die Auskunftei Schufa hatte in Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkkonzern Telefónica/o2 getestet, ob Verbraucher bereit sind, die für die Bewertung relevanten Kontodaten für zwölf Monate bei der Schufa speichern zu lassen. "Dabei fließen aktuell noch keine Daten", sagte Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Verbraucherschützer und Politiker kritisierten das Projekt, das o2 am Freitagabend für "beendet" erklärte.
Erwartungen nicht erfüllt
"Die Ergebnisse dieses Tests haben unsere Erwartungen leider nicht erfüllt", teilte Telefónica/o2 der dpa mit. "Daher hat Telefónica/o2 heute beschlossen, den Test zu beenden und das 'CheckNow'-Verfahren der Schufa nicht mehr länger zu nutzen."
Bei dem Test konnten mögliche Neukunden, die aufgrund ihrer schlechten Bewertung normalerweise keinen Handyvertrag bekommen würden, sich von der Schufa auf ihr Konto schauen lassen. "Bei Telefónica gibt es vereinzelt potenzielle Kunden, deren Vertragswunsch aufgrund einer fehlenden beziehungsweise unzureichenden oder älteren negativen Bonitätsinformationen abgelehnt werden musste, obwohl ihre aktuelle finanzielle Situation völlig unproblematisch war", so die Auskunft aus München.
An dem Pilotprojekt nahmen demnach etwa 100 Menschen freiwillig teil. Dazu mussten sie der Schufa ausdrücklich einen Auftrag erteilen. Der Konzern betonte: "Das Verfahren bietet die Schufa den Verbrauchern in komplett eigener datenschutzrechtlicher Verantwortung an." Die genutzten Kontoinformationen seien nicht gespeichert worden.
VZBV kritisiert "Kontoschnüffelei"
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, hatte der der Schufa «Kontoschnüffelei» vorgeworfen. "Eine solch tiefe Datenauswertung der Kontobewegungen für Scoringzwecke erlaubt Rückschlüsse auf Persönlichkeit, wirtschaftlichen Status und selbst politische Orientierungen der Kunden und führt damit letztlich zum vollkommen durchleuchteten Verbraucher." Man prüfe rechtliche Schritte für den Fall, dass die Auskunftei diese Pläne umsetzt.
Arztrechnung herausfiltern
Schufa-Vorstand Schröder betonte: "Sensible Daten wie beispielsweise die Bezahlung einer Arztrechnung werden automatisch herausgefiltert und dürfen nicht verarbeitet werden." Die gespeicherten Kontodaten beschränken sich nach Auskunft des Unternehmens ausschließlich auf relevante Daten zur Bonitätsbewertung und Betrugsbekämpfung.
Mit der freiwilligen Daten-Speicherung könne der Verbraucher weitere zukünftige Kontozugriffe durch Dritte vermeiden und seine Daten dennoch für ihn vorteilhaft in eine Schufa-Bonitätsbewertung einfließen lassen. Die Kontoanalyse finde nur einmal bei der Schufa statt. "Ziel ist es, dass Verbraucher von aktuellen positiven Kontoinformationen auch für zukünftige Transaktionen und Bonitätsabfragen profitieren können", sagte Schröder. "Die Daten sind dadurch aktueller, und wir erfüllen so auch Forderungen von Verbraucherschützern."
Ohne Zustimmung bleibt alles unverändert
Für Verbraucher, die keinen Auftrag zum Einblick ins Konto erteilten, bleibe es bei der klassischen Bonitätsprüfung, sagte Schröder. "Fällt die Bewertung nach den Kontodaten negativ aus, kann der Verbraucher seine Einwilligung widerrufen." Es bleibe dann bei der klassischen Bonitätsprüfung. "Aus unserer Sicht ist es für Verbraucher besser, die Schufa sammelt als neutrale Instanz die Daten treuhänderisch, als Unternehmen, die damit unmittelbar Geschäfte machen."
PSD2 erlaubt Zugriff
Seit Einführung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ist es möglich, dass Drittanbieter wie Finanz-Start-ups Einblick auf Konten bekommen können. Voraussetzung ist, dass der Kunde dem zustimmt. Die Schufa hatte Ende Dezember 2018 den Münchner Kontoinformationsdienst finAPI GmbH gekauft.
Schröder zufolge handelt sich bei dem Vorhaben um ein in Europa inzwischen gängiges Verfahren, "das auch andere Auskunfteien seit geraumer Zeit einsetzen". Die Schufa sei ständig in enger Abstimmung mit den Datenschutzbehörden. "Sie wurden vor dem Test informiert, zustimmen müssen die Datenschützer nicht."
Politik skeptisch bis kritisch
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte, dieses neue Geschäftsmodell werfe rechtliche Fragen auf. Daher werde sich das Ministerium, das davon erst jetzt erfahren habe, dies "genau anschauen». Schließlich gehe es hier um "besonders sensible Daten", und die Verbraucher müssten stets in der Lage sein zu verstehen, wofür sie jeweils ihre Einwilligung erteilen.
Die Grünen-Politiker Tabea Rößner und Konstantin von Notz kritisierten, die Schufa habe bereits heute Zugriff auf weitreichende Informationen über die Verbraucher, "die selbst nach wie vor nicht nachvollziehen können, wie und auf welche Weise diese Daten für den persönlichen Score gewichtet werden". Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte, es sei alarmierend, dass die Schufa Kontoauszüge der Verbraucher durchleuchten wolle. "Für niedrigere Preise und mehr Möglichkeiten im Rechtsverkehr sollen die Bürger mit ihren Daten bezahlen." Wenn Bürger am Ende nur durch die Einwilligung in diese Datenverarbeitung durch die Schufa einen Handy- oder Mietvertrag abschließen könnten, hätten sie faktisch keine freie Wahl mehr.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Es gibt Mitmenschen, deren finanzielle Situation ist nicht rosig. Weil sie ihre laufenden Verpflichtungen nicht mehr bezahlen konnten, sind mit entsprechendem Vermerk in den Datenbanken der Schufa, bei Bürgel, Infoscore oder anderen Dateien gelandet. Auch wer ganz normal einen Mobilfunkvertrag abschließt und genehmigt bekommt, wird durch diese Datenbanken "geprüft".
Ein Mobilfunkvertrag läuft über mindestens 24 Monate und oft gibt es für wenige Euros ein teures Handy dazu. Das ist attraktiv, aber auch gefährlich, weil der Kunde die tatsächlichen Kosten nur schwer abschätzen kann. In seinem Gehirn hat sich eingeprägt, dass jedes Handy nur 1 Euro kostet und Mobilfunk oder Festnetz eigentlich "kostenlos" sein müsste.
Laufzeit abschaffen?
Eine radikale Lösung wäre die generelle Abschaffung der Mindestlaufzeit, resp. die Verkürzung auf 1 Monat. Dann bräuchte es keine Bonitätsprüfung mehr, wer seine Rechnung nicht zahlt, kann nach deutlicher Vorwarnung abgeklemmt werden. Bleibt immer noch die Frage, wie man sich so ein Handy für 1000 Euro "schön rechnen" kann.
Der Einblick der Schufa hätte vielleicht dem einen oder anderen Kunden das Leben retten können. Die Menge der Daten welche die Schufa speichern kann, ist wertvoll und könnte - unter bestimmten Umständen - Begehrlichkeiten bei staatlichen Stellen wecken. Selbst wenn die Schufa ihre Daten schon aus Eigeninteresse unter Verschluss hält, kann sie sich dagegen wehren? Und was wäre nach einem intelligenten Hacker-Angriff?
Alternative Prepaid
Wer Probleme mit der Bonität hat, es könnte auch ein Prepaid-Vertrag sein. Die Tarife sind längst nicht mehr so schlecht und der Kunde ist einfach flexibler. Und wegen der Schulden sollte die Schuldnerberatung aufgesucht werden. Da gibt es Möglichkeiten, die viele Betroffene noch gar nicht kennen. Unser Tarifrechner hat für Sie das passende, nach Anforderungen (Telefonieminuten, Datenmengen und auch verwendeten Netzen (z.B. Telekom, Vodafone, o2) und der möglichen Technologie (LTE, VoLTE, 5G)