Datenschutz

Vertragsabschluss: o2 möchte viele Häkchen haben

Viele Kunden stimmen bei Vertrags­abschluss im Shop weit­gehend unbe­merkt Daten­über­mitt­lungen zu, die sie eigent­lich gar nicht wollen. Es lohnt sich später nach­zuschauen.
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Die Seite netzpolitik.org beschäf­tigt sich seit Jahren kritisch mit Netz­themen, beispiels­weise mit der immer weiter stei­genden Neugier der Politik, in der trüge­rischen Hoff­nung vorher zu wissen, bevor ein schweres Verbre­chen geschehen könnte. Aktuell haben sie das Thema Daten­schutz bei o2 aufge­griffen.

Das Problem ist nicht neu. Wer in o2-Shops einen Vertrag abschließt, muss ein Haufen Fragen zur Person und zum gewünschten Vertrag (auch Prepaid ist ein Vertrag) und dem Tarif beant­worten und schluss­end­lich seine Zustim­mung zur werb­lichen Ausge­stal­tung und zur Verwen­dung seiner Daten geben. Da die notwen­digen Formu­lare meist vom Shop-Verkäufer entweder auf Papier oder am Computer ausge­füllt werden, bekommt der Kunde das oft gar nicht mehr so richtig mit.

Manchem "freien" Shop-Betreiber ist das schon bewusst, aber o2 verspricht dem Händler wich­tige Prämien, die nur dann ausbe­zahlt werden, wenn diese Kreuze alle vorliegen. Also fühlen sich die Shop-Betreiber "unter Druck gesetzt" und kreuzen für den Kunden alles an.

Möglichst viele Daten sammeln

netzpolitik.org: Übt o2 moralischen Druck auf seine Händler aus, alle Häkchen im Vertrag anzukreuzen? netzpolitik.org: Übt o2 moralischen Druck auf seine Händler aus, alle Häkchen im Vertrag anzukreuzen?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Der Netz­betreiber möchte die gespei­cherten Kunden­daten auf verschie­denste Weise verwenden: Beispiels­weise die Bewe­gungs­daten, um vorher­sehen zu können, wo beson­ders viele Kunden unter­wegs sind, damit man recht­zeitig das Netz verdichten oder anders konfi­gurieren kann. Dann möchte er den Kunden auf allen mögli­chen Wegen anspre­chen können, um auf neue Ange­bote aufmerksam zu machen: Musik­dienste, Kino­karten, Fitness-Studios, Konsu­men­ten­kre­dite einer befreun­deten Bank und was auch immer. Nur eigent­lich müsste der Verkäufer im Laden den Kunden danach einzeln fragen, aber da würde der Kunde im Zwei­fels­falle eher "Nein" sagen und dann ist die "Quali­täts­prämie" beim Teufel. Also wird weiter fleißig ange­kreuzt.

Marke der Frei­heit?

Netzpolitik.org stellt süffi­sant fest, dass o2 sich als "Marke der Frei­heit" in Szene setzt und dem Kunden die Hoheit über seine Daten lassen möchte. Da gab es schon einmal die Idee, den Kunden - wenn er oder sie will - noch inten­siver nach seinen Vorlieben und Gewohn­heiten zu befragen, und dafür sogar etwas echtes Geld zu geben.

Doch am Ende war die Summe so verschwin­dend gering, weil eine ordnungs­gemäße Bezah­lung in Dimen­sionen vorstoßen würde, die sich im laufenden Betrieb niemals wieder refi­nan­zieren würde. Also schlief das Thema ein.

10.000 unge­wollte Häkchen?

netzpolitik.org vermutet, dass es mit diesen "unter­gescho­benen Häkchen" so einige Zehn­tau­send Verstöße gegen die DSGVO im Jahr geben könnte. Wollte man das Dilemma auflösen, müsste man das ganze Vertriebs­kon­zept der Branche, das nur auf Provi­sionen für neu abge­schlos­sene Verträge oder Dienste oder Optionen besteht, komplett auf den Kopf stellen.

Sollten die Händler fair bezahlt werden und jegli­cher Vermark­tungs­druck heraus­genommen werden, müssten wohl auch die Endkun­den­tarife neu defi­niert (sprich: teurer) werden. Das wird aber den meisten Kunden wiederum nicht einleuchten.

Nach­träg­liche Abhilfe ist möglich

Nun können Kunden, die erst im Nach­hinein von dieser Praxis erfahren haben oder ihre Einstel­lung zu ihrer Daten­sou­verä­nität ändern möchten, sich im Online-Tool unter www.o2online.de Meine Daten einloggen und das ändern. Aller­dings war das o2-Kunden­portal sowohl im Web als auch in der App in den letzten Tagen immer wieder gestört. Und es gibt auch Berichte, wonach sich mache Häkchen sich später wie von Geis­ter­hand geän­dert haben könnten. Regel­mäßiges Nach­schauen schafft Klar­heit.

Wenn der Anbieter nach einer Kontakt­auf­nahme per E-Mail fragt, ist das relativ gut lösbar, wenn man sich dafür eine eigene E-Mail Adresse einrichtet. Dann weiß man, wer da schreibt oder woher die Daten kommen könnten, sollte aber jede dieser Mails unbe­dingt kurz durch­lesen, weil sich zwischen all dem schönen Marke­ting-Sprech auch vertrags­wich­tige Dinge verste­cken oder sogar ein wirk­lich inter­essantes Angebot liegen könnte.

Der Erlaubnis zu Anrufen sollte man wider­spre­chen, weil sonst leicht die Gefahr besteht, am Telefon zur Unzeit bequatscht zu werden, was man eigent­lich gar nicht haben wollte. Bei SMS-Nach­richten ist meist ein Link enthalten, wo man Seiten des Netz­betrei­bers aufrufen möchte, die kann man ruhig auch abwählen. Den Brief sollte man erlauben, damit vertrags­wich­tige Infor­mationen noch durch­kommen. Nicht nur der Kunde, auch der Netz­betreiber kann einen Vertrag kündigen und muss dazu mit dem Kunden Kontakt aufnehmen können.

Daten­schützer infor­miert?

netzpolitik.org hat beim Bundes­daten­schutz­beauf­tragten Ulrich Kelber nach­gefragt. Die Behörde hat bereits Ermitt­lungen aufge­nommen: „Wir kennen die Vorwürfe gegen den Mobil­funk­anbieter und prüfen den Fall derzeit“, heißt es von dort. Man bitte jedoch um Verständnis, dass Details zum aktu­ellen Zeit­punkt noch nicht genannt werden könnten.

Ein solcher Einwil­ligungs­schwindel, so netzpolitik.org,, höhle nicht nur das Grund­recht auf Daten­schutz aus: Für die Verant­wort­lichen könnte das Vorgehen zu erheb­lichen Sank­tionen führen, erklärt ein Jurist. „Die Daten­ver­arbei­tung würde dann ohne gültige Rechts­grund­lage erfolgen, sodass wir uns im Bußgeld­bereich von bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des unter­neh­mens­weiten Jahres­umsatzes bewegen. Darüber hinaus kann das Verhalten wett­bewerbs­widrig sein und damit unter anderem von Wett­bewer­bern abge­mahnt werden.“ Auch Scha­den­ersatz­for­derungen betrof­fener Kunden seien möglich.

Da darf man gespannt sein.

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