Datenberg

Berliner Zeitung: Mobilfunkfirmen bunkern illegal Daten (Update)

Mehrere große Anbieter speichern länger und mehr Daten als erlaubt
Von Marie-Anne Winter mit Material von dpa

Nur wer nicht telefoniert, wird nicht gespeichert. Nur wer nicht telefoniert, kann der Speicherung seiner Daten entgehen.
Bild: fotolia
Um die Speicherung von Daten wird in Deutschland seit Jahren erbittert gestritten. Während Innenpolitiker und Ermittlungsbehörden auf eine möglichst umfassende Speicherung von Telekommunikationsdaten dringen, finden Datenschützer, dass ohnehin schon zu viele Daten für zu lange Zeit gespeichert werden. Wie sich im Frühjahr anlässlich einer Demonstration in Dresden gezeigt hat, werden ohnehin schon viel mehr Daten in größerem Umfang erhoben, als sich die meisten Menschen haben träumen lassen.

Nur wer nicht telefoniert, wird nicht gespeichert. Nur wer nicht telefoniert, kann der Speicherung seiner Daten entgehen.
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Wie die Berliner Zeitung heute berichtet, speichern auch deutsche Mobilfunkanbieter sensible Daten ihrer Kunden deutlich länger und in größerem Umfang als bislang angenommen. Die Mobilfunk-Anbieter T-Mobile, Vodafone und E-Plus speicherten mindestens einen und maximal sechs Monate lang, welcher Mobilfunkkunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem telefoniert hat. Bei diesen Informationen beruft sich die Zeitung auf eine vertrauliche Aufstellung der Münchner Generalstaatsanwaltschaft, die mittlerweile aber schon im Internet zu finden ist. Die Unternehmen verstoßen damit nach Ansicht von Datenschützern gegen die Vorgaben eines Verfassungsgerichts-Urteils zur Vorratsdatenspeicherung.

Nur o2 löscht bereits nach sieben Tagen

Dem Bericht zufolge sind die sogenannten Verkehrsdaten bei den genannten Anbietern für 90 Tage vollständig verfügbar. Nur der Anbieter o2 soll den größten Teil der Daten bereits nach sieben Tagen löschen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 geurteilt, dass die Unternehmen lediglich jene Daten erfassen und speichern dürfen, die sie für Abrechnungszwecke dringend benötigen. Alle anderen Daten müssten unverzüglich gelöscht werden.

Nach Ansicht von Datenschützern ist es deshalb unzulässig, den Standort eines Telefonteilnehmers oder die ankommenden Gespräche zu speichern, weil diese bei Inlandstelefonaten niemals berechnet würden. Auch welches Handy oder Smartphone (IMEI-Nummer) man benutzt, wird zumindest teilweise gespeichert - ebenfalls Daten, die nicht für eine Abrechnung relevant sein sollten. Nur bei Prepaidkarten werden dem Dokument zufolge "bis auf wenige Ausnahmen keine Verkehrsdaten gespeichert".

Update: Mobilfunker weisen Vorwürfe zurück

Die Mobilfunk-Anbieter haben inzwischen auf die Vorwürfe reagiert und weisen sie zurück. "Der Vorwurf ist unsererseits nicht nachvollziehbar", betonte eine Sprecherin der Deutschen Telekom heute auf Anfrage. Die Speicherpraxis sei nach Vorgaben des Bundesdatenschutzbeauftragten gestaltet. Auch von E-Plus hieß es: "Eine auch nur 'begrenzte' Vorratsdatenspeicherung im Sinne der durch das Bundesverfassungsgericht untersagten Praxis findet nicht statt."

Die Mobilfunk-Anbieter berufen sich darauf, dass die Daten nur zweckgebunden etwa für technische Erfordernisse oder die Abrechnung gespeichert würden - wie dies vom Telekommunikationsgesetz erlaubt sei.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein Bündnis von engagierten Datenschützern, das sich seit Jahren gegen die anlasslose Speicherung der Telefondaten wehrt, bezeichnete die Praxis der Telefonanbieter als illegal.

"Das bringt Millionen von Menschen in die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen, weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind oder mit der falschen Person telefoniert haben", kritisierte Ulrich Breuer vom AK Vorrat in der Zeitung. Völlig unverhältnismäßig nannte der Grünen-Netzpolitiker Malte Spitz die Speicherpraxis der Firmen. "Ich fordere alle betroffenen Unternehmen auf, diese Praxis schleunigst zu beenden", verlangte Spitz.

Argumente für Quick-Freeze-Verfahren

Die nun bekannt gewordene Praxis belegt eine Vermutung, die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Streit über die Vorratsdatenspeicherung mit ihrem Kabinettskollegen Hans-Peter Friedrich (CSU) geäußert hatte.

Die FDP-Ministerin setzt sich für das so genannte Quick-Freeze-Verfahren ein, bei dem anlassbezogene Telefondaten Verdächtiger "eingefroren", also nicht routinemäßig gelöscht werden. Das Bundesinnenministerium argumentiert wiederum, dass dann nicht ausreichend Daten bei den Anbietern vorlägen, um eine Straftat damit aufklären zu können. Friedrich verlangt deshalb eine generelle Speicherung aller Telefondaten aller Nutzer für sechs Monate.

Die Bundesjustizministerin wird in dem Streit auch durch ein wissenschaftliches Gutachten gestützt, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Es spricht sich für eine möglichst kurze Speicherung sensibler Daten aus und macht sich für das Quick-Freeze-Verfahren stark.

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