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Datenschutzbeauftragter: Kein Facebook für die Regierung

Unkom­pli­zierte Infor­mationen für Zehn­tau­sende Follower - gegen daten­schutz­recht­liche Bedenken. Sollen Bundes- und Landes­regie­rungen ihre Face­book-Seiten abschalten? Daten­schützer fordern das.
Von mit Material von dpa

Die Geschichte ist nicht neu. In der Diskus­sion um mangelnden Daten­schutz bei Face­book dringt der hessi­sche Daten­schutz­beauf­tragte Alex­ander Roßnagel erneut darauf, dass die Landes­regie­rung ihren Auftritt dort deak­tiviert. „Die Daten­ver­arbei­tung beim Betrieb einer solchen Seite ist rechts­widrig“, sagte er in Wies­baden. Ihm sei voll­kommen klar, dass die öffent­lichen Stellen die Bürger infor­mieren wollen und müssen, erläu­terte Roßnagel, der auch für die Infor­mati­ons­frei­heit in Hessen zuständig ist. „Aber dies muss auf eine Art und Weise geschehen, die nicht gegen Recht verstößt.“

Das Thema soll auch beim Daten­schutztag Hessen und Rhein­land-Pfalz am Dienstag in Frank­furt auf der Tages­ord­nung stehen. Roßnagel verwies auf eine Entschei­dung des Ober­ver­wal­tungs­gerichts von Schleswig-Holstein, wonach der Betrieb einer Fanpage bei Face­book einen „schwer­wie­genden daten­schutz­recht­lichen Verstoß“ darstellt.

Hinter­grund ist, dass Face­book spei­chert, wer welche Seiten besucht, um Profile der Nutzer zu erstellen. Dadurch soll Werbung gezielter plat­ziert werden können.

Gespräche mit Landes­regie­rung über Lösung

Sollen Regierungsstellen ihre Facebook-Fanpages wegen mangelhaftem Datenschutz abschalten? Sollen Regierungsstellen ihre Facebook-Fanpages wegen mangelhaftem Datenschutz abschalten?
Foto: Picture Alliance/dpa/KEYSTONE
Roßnagel setzt nach eigenen Worten auf weitere Gespräche mit der Landes­regie­rung und eine Lösung. „Die kann aber nicht so aussehen, dass man einfach so weiter­macht.“ Im Bund sei man schon einen Schritt weiter, sagte Roßnagel. Der Bundes­daten­schutz­beauf­tragte habe dem Bundes­pres­seamt eine Anord­nung ange­kün­digt, die Fanpages der öffent­lichen Stellen still­zulegen. Das Bundes­pres­seamt habe noch bis Mitte August Zeit für eine Stel­lung­nahme - dann müssten die Seiten entweder deak­tiviert werden oder es käme zu einem Gerichts­pro­zess.

Alter­nativen zu Face­book?

Roßna­gels Vorschlag zufolge sollte die Landes­regie­rung ihre Inter­net­seite hessen.de weiter als Infor­mati­ons­platt­form für die Bürger ausbauen. Zu Face­book gebe es daten­schutz­kon­forme Alter­nativen, sagte er und nannte die Platt­form Mast­odon. Sie sei zwar noch „ein zartes Pflänz­chen“ mit vergleichs­weise wenigen Nutzern. „Aber auch Face­book hat mal klein ange­fangen.“ Auf Mast­odon sind etwa der hessi­sche und der rhein­land-pfäl­zische Landtag bereits vertreten.

Die Landes­regie­rung nutze sämt­liche Elemente einer modernen und bürger­nahen Presse- und Öffent­lich­keits­arbeit, erklärte der stell­ver­tre­tende Regie­rungs­spre­cher Marco Kreuter. „Dazu zählen selbst­ver­ständ­lich auch die reich­wei­ten­starken sozialen Medien und Netz­werke wie Face­book.“ Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig schnelle und direkte Kommu­nika­tions­kanäle sind.

80.000 Follower aufgeben?

Allein die Zahl der Follo­werinnen und Follower der Face­book-Seite der Landes­regie­rung habe sich in den vergan­genen drei Jahren auf rund 80.000 mehr als verdrei­facht, erläu­terte Kreuter. Die Staats­kanzlei unter­nehme große Anstren­gungen, um sowohl dem Daten­schutz als auch der Infor­mati­ons­pflicht gerecht zu werden. Dazu solle künftig auch Mast­odon als weiterer Kanal genutzt werden, erklärte Kreuter.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Dass Face­book ganz eigene Vorstel­lungen von Daten­schutz hat, sollte längst allge­mein bekannt sein. Wenn sich die Regie­rungen und die Politik von Face­book und ähnli­chen reich­wei­ten­starken Ange­boten wegen "Daten­schutz" zurück­ziehen, dann über­lassen sie diesen Raum denje­nigen, die mit unserem Staat ohnehin nichts anfangen können und von einer anderen - aber nicht unbe­dingt besseren - Welt träumen oder bereits daran herum­bas­teln.

Wenn Face­book recht­lich eindeutig gegen Daten­schutz­gesetze verstößt, muss der Staat diese durch­setzen. Es gibt viele Face­book-Anwender, die vertrauen Face­book frei­willig ihr gesamtes Leben an. Viel­leicht muss das Daten­bewusst­sein des Einzelnen besser gelernt werden. Doch wie soll das in den Schulen funk­tio­nieren, wenn die Schüler sich mit der Materie zig mal besser auskennen, als die Lehrer, die es beibringen sollen?

Andersrum: Wenn Face­book, Insta­gram, TikTok etc. sich penibel an Daten­schutz­regeln halten würden, wäre das dahin­ter­lie­gende Geschäfts­modell stark rampo­niert. Wollten die Face­book-, Insta­gram, oder TikTok-Nutzer für ein absolut daten­schutz­kon­formes soziales Netz­werk monat­liche Beiträge zahlen? Höchst­wahr­schein­lich nicht.

In dem Zusam­men­hang ist viel­leicht auch inter­essant, dass die dpa (Deut­sche Presse-Agentur) seit Anfang 2019 mit Face­book im Bereich Fakten­check zusammen arbeitet. Diese Zusam­men­arbeit ist Teil der Koope­rationen von Face­book mit inter­natio­nalen Fakten­check-Orga­nisa­tionen, die vom unab­hän­gigen Inter­national Fact Checking Network (IFCN) zerti­fiziert wurden. Seit April 2022 kura­tiert die dpa-Toch­ter­gesell­schaft dpa-Infocom GmbH zudem Face­book-News.

Das soziale Netz­werk TikTok verspricht Schutz vor versteckter Werbung.

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