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Editorial: Angriff auf die SMS

Jeder will im Messaging-Markt mitspielen
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Immer mehr Konkurrenz für die klassische SMS Immer mehr Konkurrenz für die klassische SMS
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Die SMS gehört nicht unbedingt zu meinen Lieblingen: Langwierige Eingabe auf engen Bildschirmtastaturen, wo man entsprechend oft danebentippt, oder früher gar mittels Mehrfachtastendruck auf dem Ziffernblock von Feature-Handys. T9 reduzierte zwar die Zahl der Tastendrücke, riet aber oft genug die falschen Wörter, oder kannte komplizierte Wörter erst gar nicht. Und für die Zustellung kassieren die Netzbetreiber auch heute noch teils hohe Entgelte. Mit keinem anderen Dienst verdienen die Netzbetreiber eine so hohe Umsatzrendite wie mit SMS.

Insofern sollte ich eigentlich froh sein, dass die SMS nun von vielen Seiten gleichzeitig angegriffen wird: Auf Smartphones haben Messaging-Apps, allen voran WhatsApp der SMS inzwischen den Rang abgelaufen. Um auch den letzten Nutzer zu überzeugen, liefert Google das Nexus 5 nicht mehr mit einer eigenen SMS-App aus, sondern integriert diesen Dienst in die eigene Chat-Software "Google Hangouts". Ähnlich setzt auch Vodafone künftig auf eine eigene Messaging-App namens Message+.

Immer mehr Konkurrenz für die klassische SMS Immer mehr Konkurrenz für die klassische SMS
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Jedoch bleiben Vorbehalte gegen das Messaging via App. Das beginnt mit der Kompatibilität - SMS können über 99% der Handys empfangen, während Whatsapp, Hangouts, Message+ und Co. jeweils den Smartphones vorbehalten bleiben, die den jeweiligen Messanger auch installiert haben. Auch funktioniert eine SMS zur Not noch bei minimalster Netzversorgung - damit eine Messasing-App eine Datenverbindung öffnen kann, ist eine deutlich höhere Signalstärke erforderlich.

Und während schon SMS aus Datenschutz-Sicht alles andere als vorbildlich sind - so bleiben in den Netzen regelmäßig mehr Metadaten hängen als die SMS selber an Daten enthält - sieht es bei den meisten Messaging-Apps noch schlimmer aus: Verschlüsselung? Fehlanzeige! Dafür fallen beim Messaging noch mehr Metadaten an, und die meisten Dienste speichern alle Nachrichten im Volltext auf ihren Servern.

Ein Standard gewünscht

Gut wäre es für alle Beteiligten, wenn sich tatsächlich ein Standard für Messaging-Apps durchsetzt. Dieser sollte die Möglichkeit des Austauschs zwischen den Welten (SMS, MMS, Joyn, ICQ, WhatsApp, Hangouts und letztendlich auch der guten alten E-Mail) vorsehen, zusätzlich ein hohes Sicherheitsniveau aufweisen und natürlich ausreichend performant sein. Optimalerweise ist der Dienst dezentral aufgestellt, so dass nicht alle Nachrichten durch einen zentralen Server laufen. Auch ein guter Spamschutz ist wünschenswert, was sich leider mit dem Ziel des guten Datenschutzes beißt.

Leider laufen die genannten Anforderungen den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten zuwider, und entsprechend ist allenfalls mit einer teilweisen Umsetzung zu rechnen. Die Netzbetreiber sind beispielsweise daran interessiert, den hochpreisigen Dienst SMS noch so lange wie möglich am Laufen zu enthalten, und entsprechend gering ist deren Interesse an (wenn auch nur etwas) offeneren Nachfolgern wie "Joyn".

Netzbetreiber-unabhängige Messaging-Anbieter wiederum sehen die Nachrichten ihrer Nutzer als ihren "Datenschatz" an, den sie nach Kräften auswerten wollen, um kontextsensitive Werbung zu verkaufen oder ihr eigenes Marketing (im Sinne der Akquise neuer Nutzer) zu optimieren. An Interoperabilität ist schließlich so gut wie niemand interessiert, schließlich hofft jeder Dienst, seine App zur führenden Messaging-App zu machen, die dann alle Nutzer weltweit installieren müssen.

Freilich sollte man die Macht der Nutzer nicht unterschätzen. Je mehr Unternehmen und Behörden performantes, interoperables und sicheres Messaging als wichtig für ihre Zwecke ansehen und entsprechende Dienste nachfrage, desto eher werden diese auch angeboten werden. Freilich ist hier zu befürchten, dass am Ende vor allem hochpreisige geschlossene Lösungen verkauft werden, mit unternehmensinternem Messaging-Server und auf das Unternehmen zugeschnittener Messaging-App.

Von solchen Unternehmenslösungen profitieren aber "normale" Nutzer nicht. Für sie erodiert vermutlich das Datenschutzniveau beim Messaging künftig weiter - sehr zur Freude der NSA.

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