Messaging

RCS: Der Provider-übergreifende SMS-Nachfolger

Nachdem erste Versuche mit RCS alias Joyn in Deutsch­land geschei­tert waren, etabliert sich nun der RCS-Stan­dard auch hier. Wir erklären die Technik und was die Vorteile gegen­über Messen­gern wie WhatsApp sind.
Von / Julian Ruecker

RCS: Messaging-Standard der GSMA RCS: Messaging-Standard der GSMA
Logos: GSMA, Montage: teltarif.de
Nachdem sich die SMS in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren als einer der größten Erfolgs­pro­dukte und Geld­ein­nah­mequellen für die Mobil­funk-Provider erwiesen hatte, wollten die Netz­betreiber einen Nach­folger etablieren, der einer­seits die tech­nischen Beschrän­kungen der SMS über­windet, aber ande­rer­seits gut bei den Kunden ankommt und weiterhin kräftig die Kasse bei den Anbie­tern klin­geln lässt. Doch genau damit begann zunächst die Geschichte eines Miss­erfolgs.

Der erste SMS-Nach­folger, die MMS, funk­tio­nierte bei einem kompa­tiblen Gerät tech­nisch zwar, war den meisten Kunden aber zu teuer und immer noch zu unfle­xibel. Kaum jemand war dazu bereit, für Nach­richten mit pixe­ligen Bild­chen in Brief­mar­ken­größe oder quäkenden Sound­dateien jeweils 39 Cent zu bezahlen. Ab 2009 eroberten Smart­phone-Messenger wie WhatsApp welt­weit im Sturm die Smart­phones der Nutzer, ohne nach Hersteller- oder Provider-über­grei­fenden Stan­dards zu fragen.

Doch die Tatsache, dass insbe­son­dere die großen Messenger-Anbieter aus den USA nach wie vor bei Fragen des Daten­schutzes keine zufrie­den­stel­lenden Antworten geben, lässt immer mehr Smart­phone-Nutzer nach einer Alter­native rufen. Denn immer noch kann über Messenger nur kommu­nizieren, wer beim selben Dienst ange­meldet ist - viele Nutzer vermissen die Netz- und Anbieter-über­grei­fende Einfach­heit der SMS.

Die Antwort darauf lautet: Genau das gibt es bereits - mit dem Stan­dard RCS, genannt Rich Commu­nica­tion Services. Und RCS setzt sich nun auch in Deutsch­land weiter durch.

Joyn: Erste erfolg­lose RCS-Versuche

RCS: Messaging-Standard der GSMA RCS: Messaging-Standard der GSMA
Logos: GSMA, Montage: teltarif.de
Die deut­schen Netz­betreiber hatten sich erst lange nach dem Erfolg von WhatsApp & Co. Gedanken darüber gemacht, was sie der Messenger-Über­macht aus den USA entge­gen­setzen könnten. Der erste Versuch ist aller­dings gleich in die Hose gegangen: Mit einiger Verzö­gerung stand der Joyn genannte Dienst seit August 2012 für Kunden von Voda­fone zur Verfü­gung, seit Anfang des Jahres 2013 auch für Kunden der Telekom, aller­dings zunächst nur in einer Beta-Version. E-Plus hatte gar kein Inter­esse, und bei o2 verzö­gerte sich der Start immer wieder - bis 2015.

Bei Joyn haben die deut­schen Netz­betreiber so gut wie alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte: RCS war in Form von Joyn nur über Apps der Netz­betreiber verwendbar, oft funk­tio­nierte die Netz-über­grei­fende Kommu­nika­tion nicht. Auch die Mobil­funk-Reseller und Discounter blieben ausge­schlossen, was alles zusammen eigent­lich gleich von Beginn an das Todes­urteil von Joyn bedeu­tete. Preise zwischen 19 und 39 Cent pro Joyn-Nach­richt (nach einer anfäng­lichen Gratis-Phase) wollte im übrigen auch kaum jemand bezahlen. Joyn wurde zwischen 2017 und 2019 überall wieder einge­stellt.

Was ist eigent­lich RCS?

Dabei hatte RCS eigent­lich von Anfang an beste Voraus­set­zungen, der legi­time Nach­folger der SMS zu werden. Nach ersten Bran­chen-Initia­tiven 2007 wurde die GSMA, also die GSM Asso­cia­tion als Stan­dar­disie­rungs­orga­nisa­tion für Mobil­funk-Stan­dards, 2008 der Koor­dinator für die RCS-Entwick­lung. RCS ist im Gegen­satz zu typi­schen Smart­phone-Messen­gern keine rein Internet-basierte Chat-App, sondern ein Infra­struktur-basierter Netz-Dienst, so wie es zuvor die SMS und die MMS schon gewesen waren. Damit ist RCS per se unab­hängig von einzelnen Netz­betrei­bern, Provi­dern Herstel­lern oder Diens­tean­bie­tern - diese müssen sich nur dazu entscheiden, RCS zu unter­stützen.

Ein wich­tiger Entwick­lungs­schritt nach dem Joyn-Desaster war die Veröf­fent­lichung des Stan­dards "RCS Universal Profile" im November 2016. Damit wurden wich­tige Funk­tionen wie die Netz- und Länder-über­grei­fende Kommu­nika­tion, Chat, Grup­pen­chat, Datei­über­tra­gung, Audio-Messa­ging, Video­frei­gabe, Gerä­tefrei­gabe, erwei­terte Anrufe, Stand­ort­frei­gabe und Live-Vorschau beim Tippen einge­führt. Netz­betreiber, die das Universal Profile bereit­stellen, garan­tieren die problem­lose Kommu­nika­tion mit anderen Netz­betrei­bern welt­weit.

Version 2.0 des "RCS Universal Profile" brachte 2017 Messa­ging als Platt­form, APIs, Plug-In-Inte­gra­tion und eine verbes­serte Authen­tifi­zie­rung und App-Sicher­heit. "Messa­ging als Platt­form" bietet Unter­nehmen die Möglich­keit, ähnlich wie bei WhatsApp Busi­ness, RCS als Kommu­nika­tions­kanal mit Kunden zu verwenden, auch über Chat­bots. Mit Version 2.4 von "RCS Universal Profile" wurde im Oktober 2019 die Plug-In-Inte­gra­tion wieder aus dem Stan­dard entfernt, dafür wurde eine naht­lose Weban­sicht inte­griert.

Wie man es von Messen­gern kennt, kann der Nutzer per RCS also nicht nur Texte, sondern auch Bilder, Videos, Sprach­nach­richten, Dateien oder den eigenen Standort über­tragen. Auch die Gruppen-Kommu­nika­tion ist über RCS möglich.

Die RCS-Initia­tive von Google

Android Messages von Google: Eine der beliebtesten RCS-Apps Android Messages von Google: Eine der beliebtesten RCS-Apps
Logo: Android, Foto/Montage: teltarif.de
Nachdem RCS in zahl­rei­chen Ländern erfolg­reich einge­führt worden, in Deutsch­land aber auf keinen grünen Zweig gekommen war, ergriff plötz­lich Google als Entwickler des Android-Betriebs­sys­tems 2016 das Heft des Handelns und verkün­dete, RCS in Android imple­men­tieren zu wollen. Das geschah dann 2017 durch die Inte­gra­tion von RCS in die bishe­rige SMS-App Android Messages. Seither steht RCS für Android-Smart­phones nahtlos zur Verfü­gung, wenn es der eigene Netz­betreiber frei­geschaltet hat. Im Dezember 2020 leitete Google die ersten Schritte für die Ende-zu-Ende-Verschlüs­selung bei Android Messages ein, nachdem die App zuvor schon für die Nutzung im Desktop-Browser fit gemacht worden war. Weitere Details lesen Sie auf unserer sepa­raten Ratge­ber­seite zu Android Messages.

Auch Samsung als welt­größter Hersteller von Smart­phones unter­stützt seit 2018 RCS, und zwar in Form seiner App Samsung Messages. Seiner­zeit hat Samsung bekannt gegeben, dass zwischen Samsung Messages und Google Android Messages eine naht­lose RCS-Kommu­nika­tion ermög­licht wird. Eher ein trau­riges Thema ist RCS hingegen bei Apple-Nutzern: 2019 hatten die an RCS teil­neh­menden Firmen zwar einmal massiv Druck auf Apple ausgeübt, RCS auf Apple-Geräten zu unter­stützen, das ist aber bislang nicht geschehen. Zuletzt ließ Apple-Chef Tim Cook im September 2022 verlauten, dass es keine derar­tigen Pläne gibt.

Provider imple­men­tieren RCS netz­seitig

Durch die Initia­tiven von Google und Samsung, die eine sepa­rate Entwick­lung von RCS-Apps nun unnötig machen, sind seit dem Jahr 2021 weitere deut­sche Anbieter auf den RCS-Zug aufge­sprungen. cong­star imple­men­tiert als erster deut­scher Mobil­funk-Discounter RCS netz­seitig, o2 möchte RCS als Kontakt­kanal für seine Kunden anbieten.

Es bleibt also span­nend, wie sich RCS in Deutsch­land weiter durch­setzen wird und ob der Stan­dard jemals das Zeug dazu bekommen wird, die momentan noch allseits domi­nie­renden, aber proprie­tären Smart­phone Messenger abzu­lösen.