Kompliziert

Europa, Facebook, Google und Medien: "Es ist kompliziert"

Was ist da los in Austra­lien? Face­book und die Regie­rung liefern sich ein Ping­pong samt Droh­kulisse und Annä­herungs­ver­suchen um die Bezah­lung von jour­nalis­tischen Inhalten im Netz. Was macht das mit Europa und Deutsch­land?
Von dpa /

Facebook und die EU - ein schwieriges Verhältnis Facebook und die EU - ein schwieriges Verhältnis
Bild: dpa
Der Bezie­hungs­status lautet gerade wohl: "Es ist kompli­ziert". In Deutsch­land verfolgte man tage­lang einen Streit zwischen der austra­lischen Regie­rung und Face­book. Man fragt sich: Wird sich die Bundes­regie­rung demnächst auch so mit dem welt­größten sozialen Netz­werk oder dem Such­maschinen-Betreiber Google zoffen?

Face­book hatte jour­nalis­tische Inhalte auf seiner Platt­form gesperrt, um gegen ein geplantes Medi­enge­setz zu protes­tieren. Der Zeitungs­ver­leger­ver­band BDZV in Deutsch­land wertete das Ganze so: "Face­book zeigt sein wahres Gesicht: Auf die Markt­macht folgt jetzt die poli­tische Macht".

Verlage an Werbe­ein­nahmen betei­ligen?

Facebook und die EU - ein schwieriges Verhältnis Facebook und die EU - ein schwieriges Verhältnis
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Das Gesetz in Austra­lien würde Face­book und Google verpflichten, Verlage an den Werbe­ein­nahmen zu betei­ligen, die sie in Verbin­dung mit dem Präsen­tieren jour­nalis­tischer Verlags­inhalte gene­rieren. Die Eska­lation hatte Züge von einem Rosen­krieg, bei dem jeder schon mal seine Folter­instru­mente zeigte. Jetzt will man sich offen­sicht­lich doch irgendwie auf einen Kompro­miss einigen. Der Senat in Canberra verab­schie­dete am Mitt­woch das Gesetz.

Für Europa ist die Gemenge­lage wegen der unter­schied­lichen Rechts­lage nicht eins zu eins vergleichbar und hat doch auch hier­zulande die Debatte ange­heizt. Euro­päi­sche Verleger haben sich unter dem Eindruck des Krachs in einer unge­wöhn­lichen Allianz mit Google-Konkur­rent Micro­soft zusam­men­geschlossen. Sie wollen dafür kämpfen, dass sich Europa und Deutsch­land ein Beispiel an Austra­lien nehmen. Es geht um einen Schieds­gericht-Mecha­nismus zwischen Verlagen und Platt­formen bei strit­tigen Zahlungen für Verlags­inhalte im Netz. Dieser soll lang­wie­rige unge­klärte Prozessen und Hänge­par­tien vermeiden.

Deutsch­land an Streit­schlich­tungs­modell inter­essiert

Am 24. März wollen sich auch die Mitglieder des Bundes­tags­aus­schusses Digi­tale Agenda einen Über­blick zur Lage in Austra­lien und den Streit mit Face­book sowie die Eini­gungs­pläne machen, wie der digi­tal­poli­tische Spre­cher der Unions-Bundes­tags­frak­tion, Tankred Schi­panski (CDU), der Deut­schen Presse-Agentur sagte. Dazu werde ein Vertreter der austra­lischen Botschaft einge­laden.

"Die austra­lische Debatte ist inter­essant, vor allem mit Blick auf das Streit­schlich­tungs­modell", erklärte Schi­panski. Es sei zu über­legen, ob ein solches Modell auch für Europa eine Option sein könne. Auch die Vorsit­zende im Kultur­aus­schuss des EU-Parla­ments, Sabine Verheyen, betonte in einem dpa-Gespräch, dass man die Debatte in Austra­lien - auch mit Blick auf mögliche Schlüsse für Europa - weiter beob­achten wolle.

Nicht nur in Austra­lien, sondern auch in Europa und in Deutsch­land verspüren die großen US-Platt­formen schon länger Gegen­wind. Die Kritik von Verlagen und aus der Politik hindert aller­dings die Menschen nicht daran, Face­book, Google und Co. inten­siver zu nutzen als jemals zuvor.

EU will Platt­formen stärker regu­lieren

In der EU gibt es Bestre­bungen, Platt­formen im Netz verstärkt zu regu­lieren. Desin­for­mation, Hass­rede und Wett­bewerbs­bedenken haben das befeuert. Mit neuen Regeln und der Andro­hung von Milli­arden­strafen soll die Markt­macht von Internet-Giganten begrenzt werden. Das Gesetz für digi­tale Märkte (Digital Markets Act, DMA) befasst sich mit den wett­bewerbs­recht­lichen Aspekten. Das Gesetz für digi­tale Dienste (Digital Services Act, DSA) geht gesell­schaft­liche Fragen an.

Das Bundes­jus­tiz­minis­terium teilte auf dpa-Anfrage mit, dass der Vorstoß der Verleger zum Schlich­tungs­mecha­nismus im Kontext des "Digital Markets Act" disku­tiert werden könnte. "Dabei ist klar­zustellen, dass es sich in der Sache nicht um eine "Schlich­tung" im allge­meinen Sinne handelt, da eine solche vom Grund­satz der Frei­wil­lig­keit gekenn­zeichnet ist. Vorlie­gend wird jedoch eine staat­liche Vergü­tungs­fest­set­zung in einem nicht funk­tio­nie­renden Markt ange­strebt."

Im Bundestag steht demnächst die Urhe­ber­rechts-Reform an, die das Bundes­kabi­nett Anfang Februar beschlossen hatte. In dem Paket wurden auch Leis­tungs­schutz­rechte für Verlage fest­gelegt. Deutsch­land setzt damit verab­schie­dete EU-Urhe­ber­rechts-Richt­linien um, die Frist läuft im Juni ab. Für Verlage heißt das, dass sie einen Anspruch auf Vergü­tung haben, wenn Platt­formen Verlags­inhalte veröf­fent­lichen.

Das Bundes­jus­tiz­minis­terium stellt dazu fest: "Es gibt Pres­sever­legern das Recht, Nutzungen zu erlauben oder zu verbieten. Es verpflichtet aber für sich genommen niemanden, entspre­chende Lizenzen zu erwerben, Inhalte zu nutzen und diese zu vergüten."

Platt­formen wollen lieber frei­wil­lige indi­vidu­elle Verein­barungen

Face­book beharrt darauf, nicht zu einem Vertrags­abschluss mit den Verlagen gezwungen zu werden. Der Artikel 15 der Euro­päi­schen Richt­linie schaffe keine Verpflich­tung, Verlage für die von ihnen einge­stellten Inhalte zu bezahlen, und sehe auch keinen verbind­lichen Schlich­tungs­mecha­nismus vor. Statt­dessen solle sicher­gestellt werden, dass die Platt­formen den Rech­teinha­bern - etwa Nach­rich­ten­ver­lagen - die Kontrolle darüber geben, wie und wann ihre Links erscheinen. "Daher glauben wir, dass der Artikel 15, wenn er getreu und fair umge­setzt wird, ein prak­tika­bler Rahmen ist, und wir freuen uns auf eine sinn­volle Umset­zung."

Man habe Bedenken, erklärte Face­book weiter, dass der aktu­elle Gesetz­ent­wurf in Deutsch­land die Zusam­men­arbeit mit Rech­teinha­bern einschränken und die Krea­tivität im Internet begrenzen werde. "Der Beitrag, den wir durch unsere Produkte, unsere Part­ner­schaften und Lizenzen für Inhalte in den Berei­chen Unter­hal­tung, Musik, Nach­richten, Sport, Spiele und anderen Medien erbringen, beläuft sich welt­weit auf mehr als drei Milli­arden US-Dollar pro Jahr."

Ein früheres Pres­seleis­tungs­schutz­recht in Deutsch­land war wegen eines Form­feh­lers vom Euro­päi­schen Gerichtshof gekippt worden. In der Zwischen­zeit hat Google aber auch schon mit bestimmten Verlagen indi­vidu­elle Lösungen verein­bart. Damit hat sich das Unter­nehmen die Rechte gesi­chert, Verlags­inhalte nicht nur als kurzes "Snippet" - also als Anreißer - im "Google News Show­case" (Nach­rich­ten­bereich) zu präsen­tieren, sondern voll­stän­dige Artikel oder Videos.

Face­book verfolgt mit "Face­book News" einen ähnli­chen Ansatz, ist damit aber nur in den USA und Groß­bri­tan­nien online. Aller­dings will das Netz­werk auch in Deutsch­land mit Verlagen zusam­men­arbeiten, um Nach­rich­ten­inhalte in einem eigenen Bereich zu präsen­tieren. "In den kommenden Monaten" soll es losgehen.

Mit ihren Umar­mungs­bemü­hungen können Google und Face­book längst nicht bei allen Verlagen landen. Insbe­son­dere die durch die Verwer­tungs­gesell­schaft Corint Media (ehemals VG Media) vertre­tenen Verlage halten die Offerte für nicht fair und setzen sich für eine strikte staat­liche Regu­lie­rung ein. Es bleibt also kompli­ziert.

Die EU-Kommis­sion will übri­gens die Mitte 2022 auslau­fende Roaming-Verord­nung um zehn Jahre verlän­gern. Zudem sind weitere Verbes­serungen für die Kunden geplant.

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