Ungewisse Zukunft für RTL
Zentrale der Mediengruppe RTL Deutschland in Köln-Deutz
(c) dpa
Auf den ersten Blick erscheint die Strategie von Thomas Rabe paradox: Während europäische Konkurrenten wie die italienische Mediengruppe Media For Europe alle Kräfte in eine europäische Expansion investieren, will RTL seine operative Eigenständigkeit in europäischen Märkten wie Frankreich aufgeben, auch in Kroatien ist das bereits geschehen. Im TV-Geschäft soll sich RTL unter Bertelsmann-CEO Rabe vor allem auf den Kernmarkt Deutschland konzentrieren.
Doch auch hier läuft es für den Konzernchef alles andere als rund. Mittlerweile fragen Branchenexperten, wie lange sich Thomas Rabe überhaupt noch im Sattel halten kann. Sollte er die Probleme bei RTL+ sowie im Verlagsgeschäft nicht in den Griff bekommen, dürfte auch in Gütersloh die Stimmung endgültig kippen.
Kartellprüfer bleiben Hürde
Zentrale der Mediengruppe RTL Deutschland in Köln-Deutz
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Dass die Kartellwächter bei großen Fusionen im Mediengeschäft sehr genau hinschauen, war keine große Überraschung für RTL. Sowohl in Frankreich als auch den Niederlanden hätten die Verbindungen aus RTL und TF1 bzw. Talpa zu massiven Verwerfungen geführt. Dies gilt umso mehr in Frankreich, das ähnlich wie Deutschland ein vergleichsweise starker TV-Markt ist. Abseits von Canal+ haben TF1 und RTL den Kuchen weitgehend unter sich aufgeteilt.
Von daher wird auch ein weiterer Anlauf zu ähnlichen Ergebnissen führen. Immerhin: Im Gegensatz zum Berlusconi-Einstieg bei ProSiebenSat.1 können die Medienwächter bei RTL wenigstens keine politischen Gegenargumente vorbringen. Einfacher werden die Pläne für Rabe hierdurch freilich nicht. Die Mediengruppe befindet sich in einer deutlichen Zwickmühle: Weder ein Zukauf noch ein Verkauf an vergleichbar große Medienhäuser ist nach den Entscheidungen in Frankreich und Holland noch möglich.
Strategische Fehler in Deutschland
Auch am Rhein sieht es aktuell nicht besser aus. Die Strategie, RTL+ in einen multimedialen Streaming-Dienst aus Musik, Podcasts, Video und Print umzubauen, hat sich zu einem Schlag ins Wasser entwickelt. Wenig besser sieht es bei der Gruner + Jahr-Belegschaft am Hamburger Baumwall aus. Dass das Verlagsgeschäft unter Rabe abseits der Marke "stern" nur noch ein Schattendasein fristet, ist zumindest aktuell das größte Problem für Rabe.
Auch wenn es bitter klingt, sowohl die TV- als auch Verlagsstrategie von Bertelsmann ist offensichtlich gescheitert. RTL und Print ist kein nachhaltiges Zukunftsmodell, denn im Geschäft mit TV-Massenmedien kann der Verlag nur auf dem Abstellgleis landen. Womöglich ereilt Gruner + Jahr sogar das gleiche Schicksal wie einst Vox, das ursprünglich als anspruchsvolle Alternative zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk konzipiert war. Spätestens unter Bernd Reichart hat Vox auch wirklich den letzten Anspruch aufgegeben, Public Value zu produzieren.
Masse statt Klasse
RTL wird in Europa weiterhin sein Publikum finden, daran besteht kein Zweifel. Einen wirklichen inhaltlichen Mehrwert liefert die Mediengruppe allerdings schon längst nicht mehr. Jetzige Einschnitte und Neuausrichtungen im Verlagsgeschäft machen die Lage nur noch prekärer. RTL fehlt schlicht eine wirklich tragfähige Strategie, nicht nur in Deutschland, sondern auch dem internationalen Geschäft.
Um in TV und Streaming mit globalen Konkurrenten mitzuhalten, müsste RTL sehr viel Geld in die Hand nehmen. Dazu ist man in Köln offensichtlich kaum bereit. Wenig nachvollziehbar ist allerdings, dass Bertelsmann das eigene Tafelsilber in Hamburg vollkommen deklassiert. Gruner + Jahr hätte als Teil von RTL viele Chancen außerhalb der Landesgrenzen ergreifen können. Nun steht Rabe vor einem strategischen Scherbenhaufen, was - wie so oft in ähnlichen Fällen - die Mitarbeiter ausbaden müssen.