Meinung

Streaming: Werbung rettet Netflix nicht

Ein Netflix-Abo für unter fünf Euro wirkt auf den ersten Blick wie eine Kampf­ansage an die Konkur­renz. Tatsäch­lich war die Entschei­dung schlicht unaus­weich­lich und macht deut­lich, wie sehr die Vormacht­stel­lung in Los Gatos bröckelt.
Ein Kommentar von Björn König

Es wirkt einfach paradox: In den vergan­genen Jahren wurden Netflix-Abos quasi von Jahr zu Jahr teurer. Zuletzt kratzte der Strea­ming-Markt­führer aus Los Gatos nahezu an der 20-Euro-Grenze. Immer wieder machte man im Manage­ment deut­lich, dass Preis­erhö­hungen unver­meidbar seien, um die Produk­tion von kost­spie­ligen Origi­nals zu finan­zieren. Und jetzt? Die teuren Netflix-Serien und Filme werden quasi verramscht. Für unter fünf Euro im Monat. Nicht etwa im Rahmen einer Aktion, sondern als dauer­hafter Einstiegs­preis. So mancher Abon­nent, der dem Strea­ming-Dienst seit Jahren die Treue hält und brav alle Preis­erhö­hungen gezahlt hat, dürfte sich nun auf den Arm genommen fühlen. Zudem spricht wenig für das neue Angebot.

Netflix ist nicht mehr Premium

Foto: Netflix Evan Peters als Serienkiller Jeffrey Dahmer bei Netflix
Foto: Netflix
Netflix wollte sich mit hoher Content-Qualität und hohen Preisen zu einer Art "Apple des Strea­mings" entwi­ckeln. Diese Stra­tegie ging aller­dings nicht auf. Zwar stiegen die Preise regel­mäßig an, die Qualität von Inhalten entwi­ckelte sich aller­dings eher in die entge­gen­gesetzte Rich­tung. Schlimmer noch, Netflix bekam Konkur­renz von Disney, HBO Max und Para­mount+. Diese liefern alle­samt mehr Qualität zu güns­tigeren Preisen.

Und genau dort liegt das Problem: Wenn die Qualität der Inhalte grund­sätz­lich nach­lässt, spielt es im Endef­fekt keine Rolle, ob diese allein durch Aboge­bühren oder auch mit Werbung finan­ziert werden. Sinn­voll wäre statt­dessen für Netflix eine zwei­glei­sige Stra­tegie: Ein voll­kommen werbe­freier Strea­ming-Dienst mit ausschließ­lich Premium-Content sowie ergän­zend einen werbe­finan­zierten Strea­ming-Dienst mit weniger promi­nenten Inhalten. So wie es auch Para­mount mit Pluto TV und Amazon mit Freevee gezeigt haben.

Kaum Mehr­wert für Abon­nenten

Der einzige Grund, sich noch für ein Netflix-Abo zu entscheiden, sind die Origi­nals. Lizenz­inhalte wie Star Trek sind längst wieder auf dem Weg zu Para­mount & Co. Zumal Netflix bereits selbst ange­kün­digt hat, dass man eine Reihe von Inhalten aus recht­lichen Gründen ohnehin nicht mit Werbe­unter­bre­chung zeigen darf. Auch das macht die Entschei­dung für Netflix nicht unbe­dingt wahr­schein­licher.

Ja, kombi­nierte AVoD und SVoD-Modelle haben mitt­ler­weile in der Strea­ming-Welt ihren festen Platz. Bei Hulu, bei Para­mount+ und auch bei HBO Max. Aber all diese Modelle sind mehr oder weniger aus der Not heraus entstanden. Für die Studios gab es im Prinzip nur eine Option: Weniger Umsatz pro Kunde oder eben gar keinen Umsatz. Netflix hat nun glei­cher­maßen in den sauren Apfel gebissen, aller­dings mit zwei­fel­haften Aussichten.

Gold­grä­ber­stim­mung im Strea­ming ist vorbei

Alle US-Studios müssen der Realität ins Auge sehen: Die Gold­grä­ber­stim­mung im Strea­ming ist vorbei. Schon der ehema­lige Disney-Chef Bob Iger hatte es kürz­lich in einem Inter­view deut­lich gemacht. Nicht alle Strea­ming-Dienste werden sich dauer­haft am Markt halten können. Immerhin, für Netflix zeigte er sich opti­mis­tisch. Glei­ches gilt für Disney+, Apple TV+ und Amazon Prime Video.

Die entschei­dende Frage hat Iger aller­dings nicht beant­wortet: Nämlich welche Geschäfts­modelle am Ende über­leben: SVoD, AVoD oder eine Kombi­nation aus beiden Modellen? Egal ob Werbung oder Aboge­bühren - die Taschen sowohl der Werbe­branche als auch der Zuschauer sind nicht unend­lich tief. Skalier­bar­keit und damit vor allem Größe hingegen sind in der Strea­ming-Branche entschei­dende Krite­rien. Was Netflix also viel drin­gender als Werbung braucht, sind schlag­kräf­tige Content-Part­ner­schaften. Denn solange die Inhalte stimmen, bleiben Abon­nenten bei der Stange. Ausschließ­lich mit Werbung am Preis zu schrauben ist indes keine erfolg­reiche Stra­tegie für eine erfolg­reiche Strea­ming-Zukunft.

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