Streaming: Werbung rettet Netflix nicht
Es wirkt einfach paradox: In den vergangenen Jahren wurden Netflix-Abos quasi von Jahr zu Jahr teurer. Zuletzt kratzte der Streaming-Marktführer aus Los Gatos nahezu an der 20-Euro-Grenze. Immer wieder machte man im Management deutlich, dass Preiserhöhungen unvermeidbar seien, um die Produktion von kostspieligen Originals zu finanzieren. Und jetzt? Die teuren Netflix-Serien und Filme werden quasi verramscht. Für unter fünf Euro im Monat. Nicht etwa im Rahmen einer Aktion, sondern als dauerhafter Einstiegspreis. So mancher Abonnent, der dem Streaming-Dienst seit Jahren die Treue hält und brav alle Preiserhöhungen gezahlt hat, dürfte sich nun auf den Arm genommen fühlen. Zudem spricht wenig für das neue Angebot.
Netflix ist nicht mehr Premium
Evan Peters als Serienkiller Jeffrey Dahmer bei Netflix
Foto: Netflix
Netflix wollte sich mit hoher Content-Qualität und hohen Preisen zu einer Art "Apple des Streamings" entwickeln. Diese Strategie ging allerdings nicht auf. Zwar stiegen die Preise regelmäßig an, die Qualität von Inhalten entwickelte sich allerdings eher in die entgegengesetzte Richtung. Schlimmer noch, Netflix bekam Konkurrenz von Disney, HBO Max und Paramount+. Diese liefern allesamt mehr Qualität zu günstigeren Preisen.
Und genau dort liegt das Problem: Wenn die Qualität der Inhalte grundsätzlich nachlässt, spielt es im Endeffekt keine Rolle, ob diese allein durch Abogebühren oder auch mit Werbung finanziert werden. Sinnvoll wäre stattdessen für Netflix eine zweigleisige Strategie: Ein vollkommen werbefreier Streaming-Dienst mit ausschließlich Premium-Content sowie ergänzend einen werbefinanzierten Streaming-Dienst mit weniger prominenten Inhalten. So wie es auch Paramount mit Pluto TV und Amazon mit Freevee gezeigt haben.
Kaum Mehrwert für Abonnenten
Der einzige Grund, sich noch für ein Netflix-Abo zu entscheiden, sind die Originals. Lizenzinhalte wie Star Trek sind längst wieder auf dem Weg zu Paramount & Co. Zumal Netflix bereits selbst angekündigt hat, dass man eine Reihe von Inhalten aus rechtlichen Gründen ohnehin nicht mit Werbeunterbrechung zeigen darf. Auch das macht die Entscheidung für Netflix nicht unbedingt wahrscheinlicher.
Ja, kombinierte AVoD und SVoD-Modelle haben mittlerweile in der Streaming-Welt ihren festen Platz. Bei Hulu, bei Paramount+ und auch bei HBO Max. Aber all diese Modelle sind mehr oder weniger aus der Not heraus entstanden. Für die Studios gab es im Prinzip nur eine Option: Weniger Umsatz pro Kunde oder eben gar keinen Umsatz. Netflix hat nun gleichermaßen in den sauren Apfel gebissen, allerdings mit zweifelhaften Aussichten.
Goldgräberstimmung im Streaming ist vorbei
Alle US-Studios müssen der Realität ins Auge sehen: Die Goldgräberstimmung im Streaming ist vorbei. Schon der ehemalige Disney-Chef Bob Iger hatte es kürzlich in einem Interview deutlich gemacht. Nicht alle Streaming-Dienste werden sich dauerhaft am Markt halten können. Immerhin, für Netflix zeigte er sich optimistisch. Gleiches gilt für Disney+, Apple TV+ und Amazon Prime Video.
Die entscheidende Frage hat Iger allerdings nicht beantwortet: Nämlich welche Geschäftsmodelle am Ende überleben: SVoD, AVoD oder eine Kombination aus beiden Modellen? Egal ob Werbung oder Abogebühren - die Taschen sowohl der Werbebranche als auch der Zuschauer sind nicht unendlich tief. Skalierbarkeit und damit vor allem Größe hingegen sind in der Streaming-Branche entscheidende Kriterien. Was Netflix also viel dringender als Werbung braucht, sind schlagkräftige Content-Partnerschaften. Denn solange die Inhalte stimmen, bleiben Abonnenten bei der Stange. Ausschließlich mit Werbung am Preis zu schrauben ist indes keine erfolgreiche Strategie für eine erfolgreiche Streaming-Zukunft.
Netflix: Weniger Geld für Inhalte