Fernsehen

ProSieben: Zukunft ohne Hollywood?

ProSieben ist nicht mehr die erste Adresse für Holly­wood-Fans. Diese Entwick­lung hat verschie­dene Gründe, auf nicht alle hat der Medi­enkon­zern Einfluss. Doch funk­tio­niert Privat­fern­sehen über­haupt ohne Block­buster?
Ein Kommentar von Björn König

Fern­seh­zeit­schriften sind im Strea­ming-Zeit­alter eigent­lich obsolet, manchmal liefern sie aber sogar histo­risch inter­essante Einblicke. Zum Beispiel die Hörzu aus der ersten Janu­arwoche 1989. Damals ging der neue Privat­sender Pro 7 auf Sendung. Was laut Programm­zeit­schrift am ersten Sendetag über den Bild­schirm flim­merte, wirkt aus heutiger Sicht so gar nicht nach dem typi­schen Programm eines Privat­sen­ders: "Tanz mit mir" - ein schwarz-weiß Film­musical mit Fred Astaire und Ginger Rogers aus dem Jahr 1934. Zuge­geben, das war auch damals schon kein taufri­scher Holly­wood-Block­buster. Dennoch wird bereits am ersten Sendetag deut­lich: US-Spiel­filme gehören zur Iden­tität des Privat­fern­sehens und sind von dort nicht wegzu­denken. Doch diese schein­bare Selbst­ver­ständ­lich­keit gilt heute aus verschie­denen Gründen nicht mehr.

US-Studios spielen nicht mehr mit

Bild: ProSieben Kann ProSieben auf Hollywood-Blockbuster verzichten?
Bild: ProSieben
Über viele Jahre hat sich in der TV-Branche ein bestimmtes Geschäfts­modell etabliert: Holly­wood­stu­dios produ­zieren Inhalte, haben aber keinen direkten Kontakt zum Zuschauer. An dieser Stelle kommen Fern­seh­sender wie ProSieben, RTL & Co. ins Spiel. Sie zeigen die Inhalte aufgrund von abge­schlos­senen Lizenz­ver­trägen mit den Studios. Was sich nun aber verän­dert hat: Holly­wood­stu­dios haben schlicht kein Inter­esse mehr an diesem Geschäfts­modell. Sie wollen selbst mit ihren Inhalten in die Wohn­zimmer der Zuschauer. Strea­ming-Dienste wie Disney+ oder Para­mount+ sind Grund­lage dieser neuen Stra­tegie.

Das ist vor allem für ProSieben ein echtes Problem, denn der Sender war von Anfang an zumin­dest im linearen Free-TV erste Adresse für US-Spiel­filme. Ersetzt man diese nun (wenn auch mögli­cher­weise aufgrund äußerer Umstände), verliert ProSieben einen zentralen Teil seiner bishe­rigen Sender­iden­tität. Zudem stellt sich die Frage: Können eigen­pro­duzierte Inhalte quali­tativ dem Mate­rial aus Holly­wood das Wasser reichen? Auch wenn Shows wie "The Masked Singer" und "Germanys Next Topmodel" teils durchaus respek­table Einschalt­quoten einfahren, zeigt sich ein offen­kun­diger Quali­täts­ver­lust. Natür­lich kann man am Fließ­band Shows produ­zieren und muss sich dann auch nicht mehr bei Vertrags­ver­hand­lungen mit Holly­wood­stu­dios ausein­ander­setzen, doch ist das wirk­lich nach­haltig?

USA bleiben wichtig

Die USA waren, sind und werden auch in Zukunft bei fiktio­naler Unter­hal­tung welt­weit den Ton angeben. Deshalb wird auch die Fern­seh­branche in Deutsch­land nicht umhin­kommen, trotz starker Strea­ming-Konkur­renz weiterhin auf irgend­eine Art und Weise mit Holly­wood im Geschäft zu bleiben. Ein Beispiel wie das funk­tio­nieren kann, zeigt aktuell Sky: Dort musste man bei Lizenz­inhalten der Major Studios in den vergan­genen Jahren herbe Verluste einste­cken.

Doch es gab eine Lösung: Aus Wett­bewer­bern werden Partner, wie im Falle von Para­mount. So grün­dete Sky-Mutter Comcast schlicht ein Joint Venture mit Para­mount, um in weiten Teilen Europas unter der Marke "SkyShowtime" einen eigenen Strea­ming-Dienst aufzu­bauen. Auch sonst gibt es Para­mount-Inhalte für Abon­nenten von Sky zumin­dest teil­weise ohne Aufpreis. Kommen derar­tige Modelle jedoch nicht infrage, bleibt noch weiterer Weg.

Selbst nach Holly­wood gehen

Mit seiner Tochter Red Arrow Studios enga­gierte sich ProSiebenSat.1 bei US-Produk­tionen. Von diesem Geschäfts­bereich hat sich die Sender­gruppe aus stra­tegi­schen Gründen getrennt, um sich auf lokale Inhalte zu konzen­trieren. Man mag über den Sinn und Zweck dieses Enga­gements disku­tieren, doch der Ausstieg könnte sich auch zum Bume­rang entwi­ckeln. ProSiebenSat.1 hatte als eines der ganz wenigen deut­schen Medi­enhäuser im US-Produk­tions­geschäft einen Fuß in der Tür.

Das ist in der heutigen Zeit von harten Direct-to-Consumer-Wett­bewerb ein unschätzbar wert­volles Asset. Vor allem im Bereich Serien sind "Origi­nals" das entschei­dende Schlag­wort über­haupt. Gerade Red Arrow hat mit "Bosch" bewiesen, dass man Welt­klasse in den USA produ­zieren kann. Die Serie zählt mitt­ler­weile zu den erfolg­reichsten und lang­lebigsten Amazon Origi­nals über­haupt. Dass sich das TV-Publikum in Deutsch­land kultu­rell von den USA unter­scheidet, ist unstreitig, der Erfolg von Disney, Netflix und Prime Video in Deutsch­land gibt der deut­schen TV-Branche aber auch eine weitere wich­tige Message mit auf den Weg: Ohne Holly­wood geht auch in Deutsch­land in Zukunft nichts.

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