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ProSiebenSat.1: Erfolgreicher Kurswechsel bei Joyn?

ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets macht bei Joyn Nägel mit Köpfen. In Unter­föh­ring will man alle Kräfte der Sender­gruppe im Strea­ming bündeln. Nicht nur die Konkur­renz bleibt skep­tisch, auch das eigene Manage­ment konnte man nicht über­zeugen.
Ein Kommentar von Björn König

Sollen Joyn im Team breiter aufstellen: CEO Katharina Frömsdorf (l.), Benjamin Risom und Nicole Agudo Berbel Sollen Joyn im Team breiter aufstellen: CEO Katharina Frömsdorf (l.), Benjamin Risom und Nicole Agudo Berbel
Foto: Seven.One Entertainment Group
Wenn Medi­enma­nager ein Unter­nehmen verlassen, geschieht das in der Regel mit wohl­wol­lenden Worten. Die Gründe für den Abgang von Joyn-Chef Tassilo Raesig lassen sich bei aller Liebe aber wohl nicht in schönen Worten verpa­cken. Offenbar hatte er für die künf­tige Weiter­ent­wick­lung im Strea­ming-Geschäft von ProSiebenSat.1 unter­schied­liche Vorstel­lungen als das Manage­ment um Konzern­chef Bert Habets.

Über die konkreten Details lässt sich nur speku­lieren, doch im großen Ganzen ist klar, was Habets mit Joyn plant. Der Strea­ming-Dienst soll weitaus mehr Zuschauer errei­chen und gleich­zeitig zum zentralen Strea­ming-Aggre­gator in Deutsch­land werden. Den Ankün­digungen müssen nun vor allem hohe Inves­titionen folgen, um das selbst gesetzte Ziel zu errei­chen. Doch auch in anderen Berei­chen bleiben weiterhin Fragen offen.

Akti­enkurs leidet auch unter Habets

Sollen Joyn im Team breiter aufstellen: CEO Katharina Frömsdorf (l.), Benjamin Risom und Nicole Agudo Berbel Sollen Joyn im Team breiter aufstellen: CEO Katharina Frömsdorf (l.), Benjamin Risom und Nicole Agudo Berbel
Foto: Seven.One Entertainment Group
Auf den ersten Blick wirken die Pläne von Habets paradox, denn ProSiebenSat.1 hat sich selbst ein großes Spar­pro­gramm aufge­legt, in dessen Zusam­men­hang auch zahl­reiche Mitar­beiter die Sender­gruppe verlassen mussten. Der Druck beim Thema Finanzen kommt außerdem nicht von unge­fähr, schließ­lich sind nicht nur die wirt­schaft­lichen Rahmen­bedin­gungen alles andere als optimal.

Vor allem der italie­nische Groß­aktionär Media For Europe erhebt den durchaus nach­voll­zieh­baren Anspruch, dass sich die eigene Inves­tition in Unter­föh­ring nach­haltig auszahlt. Doch der Akti­enkurs von ProSiebenSat.1 hat vorsichtig formu­liert noch deut­lich Luft nach oben. Ein Problem, das sich mitt­ler­weile auch wie ein roter Faden durch die Amts­zeit von Habets zieht.

Sparen und Inves­tieren

ProSiebenSat.1 steht mit Joyn nun vor einem betriebs­wirt­schaft­lichen Inves­titi­ons­dilemma. Es ist nicht möglich eine Ziel­eigen­schaft zu verbes­sern ohne gleich­zeitig eine andere verschlech­tern zu müssen. Denn bekann­ter­maßen sind die finan­ziellen Ressourcen im Konzern begrenzt. Eben dies dürfte sich wohl auf abseh­bare Zeit auch nicht ändern.

Im Klar­text: Um Habets Ziele zu errei­chen, sind mehr Inves­titionen im Strea­ming nötig, und das bedeutet auf der anderen Seite auch schmerz­hafte Einspa­rungen. Beispiele sind das lineare TV-Geschäft, Produk­tionen und letzt­end­lich auch Personal. Aber selbst das wird vermut­lich nicht reichen, um Joyn lang­fristig in die erste Strea­ming-Liga zu führen.

Lob für Öffent­lich-Recht­liche

Habets lobte bereits die engere Koope­ration der öffent­lichen Sender ARD und ZDF mit Blick auf die engere Verzah­nung ihrer Media­theken. So erhalten Zuschauer dort mitt­ler­weile Zugriff auf Inhalte beider Anbieter. Habets sieht dies aber nur als ersten Schritt zu einer Strea­ming "Super-Platt­form" Joyn, auf der letzt­end­lich auch RTL mit an Bord sein soll.

Dieses "Frenemy-Modell", also eins­tige Wett­bewerber auf einer Platt­form zusam­men­zuschließen, um gegen den noch größeren Gegner US-Medi­enkon­zerne zu konkur­rieren, bleibt letzt­end­lich aber umstritten. Zu unter­schied­lich sind die Inter­essen und Geschäfts­modelle der Sender­gruppen. Vergessen darf man dabei auch nicht: Während ProSieben die Inhalte der Konkur­renz auf seiner Platt­form benö­tigt, sind zumin­dest die öffent­lich-recht­lichen Sender­gruppen auf eine solche Koope­ration nicht ange­wiesen. Denn deren Über­leben ist letzt­end­lich durch den Rund­funk­bei­trag gesi­chert - und zwar völlig unab­hängig von der Frage, wie erfolg­reich die US-Konkur­renz in Deutsch­land ist und wie sehr sie das Geschäfts­modell der Privat­sender bedroht.

ProSiebenSat.1 muss Farbe bekennen

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