Editorial: Auf der Suche nach dem universellen Ladekabel
Mit dem veralteten Micro-USB, USB-C und Apples Lightning kann man 99 Prozent aller aktuell in Gebrauch befindlichen Smartphones laden
Bild: picture alliance/Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Gleich vorweg: Die EU ist bereits weit gekommen. Aus dem früheren
Wildwuchs der Ladekabel, wo ein Stecker von Nokia nicht in das Handy
von Siemens passte (ja, das waren beides mal führende Handyhersteller
in Deutschland) ist halbwegs Ordnung geworden. Mit drei Kabeln -
dem veralteten Micro-USB, USB-C und Apples Lightning - kann man
99 Prozent aller aktuell in Gebrauch befindlichen Smartphones
laden.
Sogar immer mehr Laptops wechseln zu USB-C als Ladestandard. Und das ist sogar so kompatibel, dass mein aktuelles Smartphone sich mit dem Ladegerät meines aktuellen Laptops schnellladen lässt, und der Laptop umgekehrt auch am Smartphone-Ladegerät lädt. Der Laptop lässt sich sogar an einer recht schwachbrüstigen Powerbank betreiben. Zwar reichen deren 5 Volt und 1 Ampere nur im Leerlauf gerade so aus, unter Last entlädt sich die Laptop-Batterie trotzdem. Dennoch kann so die Powerbank immerhin die Laufzeit im Vergleich zum Betrieb mit nur der eingebauten Batterie verlängern.
Andererseits ist mitnichten alles gut
Mit dem veralteten Micro-USB, USB-C und Apples Lightning kann man 99 Prozent aller aktuell in Gebrauch befindlichen Smartphones laden
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Das beginnt schon damit, dass der USB-C-Standard eine Vielzahl an Spannungen und Stromstärken
zulässt. Nicht bei allen Kombinationen von Ladestecker und Gerät
kann optimal geladen werden, oft einigen sich beide Seiten
dann nur auf den Minimalmodus, der
weiterhin eine ganze Nacht zum Laden braucht. Apple setzt weiterhin
auf den proprietären Lightning-Standard. Dieser hat durchaus
Vorteile, so sind Lightning-Buchsen tendenziell weniger anfällig
für Beschädigungen als USB-C. Doch bis heute verweigert sich Apple
einer Lizenzierung von Lightning an die Konkurrenz zu akzeptablen
Konditionen.
Zudem entwickelt sich die Technologie schneller als die Regulierung. Kabelloses Laden wird immer beliebter und für Datenverbindungen (Kopfhörer, Datenübertragung zum Laptop etc.) sind die kabellosen Standards Bluetooth und natürlich WiFi/WLAN inzwischen weit führend vor den kabelgebundenen Alternativen. Apple zieht daraus wohl schon bald die Konsequenz und liefert das iPhone 13 ganz ohne Buchse aus. Wenn die Gerüchte stimmen, wird es weder einen Lightning- noch einen USB-C-Anschluss geben. Dadurch fällt eine Menge an Logik im Gerät weg, und es wird einfacher, das Gerät wasserdicht auszuführen. Nebenbei lassen sich so natürlich auch ein paar AirPods mehr verkaufen.
Gerade wegen der schnellen Entwicklung der Ladetechnologie tut aber die Regulierung durch die EU-Kommission weiterhin Not. Zwar hat sich beim kabellosen Laden der Qi-Standard weitgehend durchgesetzt. Eine vorbeugende Regulierung, die verhindert, dass Hersteller künftig versuchen, inkompatible Standards in den Markt zu drücken, wäre dennoch nicht verkehrt. Beim USB-C-Ladestandard wäre eine Mindestliste an unterstützten Spannungen und Stromstärken für unterschiedliche Leistungsstufen sinnvoll, vor allem auf Seiten der Ladegeräte, wo sich diese wahrscheinlich einfacher realisieren lassen als in den Endgeräten. Und dass sich künftig nicht nur Smartphones, Tablets und Laptops, sondern auch andere Kleinelektronik wie kabellose Tastaturen, Mäuse, Kopfhörer, Lautsprecher, Digitalkameras, E-Zigaretten oder Blutdruck-Messgeräte an die einheitlichen Ladebuchsen bzw. drahtlosen Ladestandards halten müssen, wäre ebenfalls nicht verkehrt.
Fragliche Müllreduktion
Weniger verständlich ist für mich allerdings der Vorstoß der EU-Kommission, die Industrie abermals dazu zu bewegen, standardmäßig keine Ladegeräte mitzuliefern. Zwar ist der damit verfolgte Ansatz der Reduktion des Elektronikmülls durchaus ehrenhaft. Andererseits führt der getrennte Verkauf von Ladesteckern auf jeden Fall zu mehr Verpackungsmüll. Und er kann indirekt sogar zu mehr Elektronikmüll führen, nämlich dadurch, dass unsichere Verbraucher überdimensionierte Ladegeräte kaufen. Dass sich die Kopfhörer auch am Laptop-Ladegerät aufladen lassen, bedeutet ja mitnichten, dass es auch sinnvoll ist, nur für diesen Zweck ein 65-Watt-Netzteil anzuschaffen, wenn es auch ein 5-Watt-Netzteil getan hätte.
Viele Kleingeräte, wie die besagten drahtlosen Kopfhörer oder Bluetooth-Lautsprecher, werden von den Herstellern zudem bereits überwiegend ohne Ladestecker, dafür mit kompatibler Ladebuchse ausgeliefert. Um die alle laden zu können, ist es also gar nicht verkehrt, dass Verbraucher noch die alten Ladegeräte ihrer früheren Smartphones herumliegen haben.