Handy Birthday: 30 Jahre digitaler Mobilfunk
Postminister Dr. Christian Schwarz-Schilling und sein französischer Kollege waren sich einig: Es wurde dringend Zeit für einen europäischen Standard. Die gemeinsame Arbeitsgruppe dafür hieß "Groupe Speciale Mobile (GSM)" und das Netz sollte irgendwann europaweit funktionieren. 1987 hatten französische und deutsche Fachleute die Norm fertig. Der Ministerialbeamte Wolfgang Schiewer entwickelte einen europaweit gültigen Frequenzplan für das neue Netz, der später Schiewer-Plan genannt wurde.
Der neue europäische Standard musste implementiert und aufgebaut werden. Fünf Jahre später war klar: Wer C sagt, muss auch D sagen. Auf das C-Netz folgte nach einem Jahr Versuchsbetrieb das D-Netz, der erste „Mobilfunk für alle“. So startete die Telekom im Juli 1991 in Stuttgart auf dem Killesberg z.B. eine erste GSM900-Teststation, der Autor war live dabei.
GSM wird global
Der Vollständigkeit halber: Erst später wurde in den USA bei einer Konferenz in Atlanta gezeigt, wie schnell man ein GSM-Netz aufbauen kann (damals angekoppelt ans Netz der Swisscom). Das fand in den USA Gefallen, das Kürzel GSM wurde schnell in „Global System for Mobile Communication“ umdefiniert.
D-Netz: Erstmalig private Konkurrenz
Handys, die Geschichte schrieben: Motorola 3200, Ericsson GH172, Nokia Communicator 9000, Nokia 7110, Nokia 6150, Apple iPhone "1", usw.
Foto: Vodafone
Bei der Vergabe von Mobilfunklizenzen in Deutschland sollte es privaten Wettbewerb geben. Zwei Lizenzen wurden ausgeschrieben, die Deutsche Bundespost Telekom galt als gesetzt ("D1"), die private Lizenz gewann das "Mannesmann"-Konsortium, das unter dem Begriff "D2 privat" in die Geschichte einging.
Offizieller Starttermin der D-Netze sollte der 1. Juli 1992 werden. Doch Mannesmann zog seinen Einschalttermin kurzfristig auf den 30. Juni 1992 vor, um in den Geschichtsbüchern später als "Erster" stehen zu können. Das Kuriosum: Es gab zwei Netze, aber kaum Geräte. "God, send Mobiles" war die neue Übersetzung für GSM.
1992 erste Kunden im Netz
Erste Kunden hatten sich eines der wenigen lieferbaren Geräte direkt von den Herstellern Ericsson, Nokia oder Motorola besorgt, auch das Unternehmen "Orbitel" gehörte zu den Pionieren (wurde später von Ericsson übernommen).
Mobiltelefon oder Handy? Hauptsache Telefonieren und SMS
Motorola 3200 - der Knochen. Es konnte telefonieren und erst später z.T. auch SMS.
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Im April 1993, ein knappes Jahr nach dem Start, waren bei der Telekom schon 130.000 Teilnehmer in deren D1-Netz unterwegs.
Marktführer war damals "D2 privat" von Mannesmann. Das Unternehmen war neu und unverbraucht, der "Post/Telekom" haftete so etwas wie "Beamten-Mief" und Schwerfälligkeit an. Mannesmann startete bundesweit mit nur 100 Basisstationen.
Zunächst lagen die Vertrags-Angebote bei monatlichen 85 DM (Telekom) bzw. 78 DM (Mannesmann D2 privat) plus Minutenpreisen von 1,30-1,44 DM oft im 6-, 10- oder 15-Sekundentakt. Prepaid gab es damals noch nicht.
Die ersten klobigen D-Netz-Telefone wogen mehr als 500 Gramm, hatten eine Akkuleistung für maximal 120 Minuten Gesprächszeit und kosteten satte 3000 D-Mark. Das war für damalige Verhältnisse ein kleines Vermögen, ein Arbeitnehmer verdiente 1992 durchschnittlich nur rund 4000 D-Mark (brutto).
Vodafone kauft Mannesmann
Im Jahre 2000 gab es eine gewaltige Zäsur. Für die unglaubliche Summe von 180.000.000.000 (180 Milliarden) Euro kaufte die britische Vodafone plc den deutschen Mobilfunker Mannesmann Mobilfunk und sein Angebot "D2 privat". Anfangs hieß der deutsche Ableger noch Vodafone D2, bald nur noch Vodafone. Beobachter halten die Übernahme auch rund 20 Jahre später immer noch für einen großen Fehler.
Die Entdeckung der Privatkunden
Erst spät wurden die Privatkunden entdeckt. Nun kamen Tarife für etwa 50 Mark im Monat bei deutlich höheren Minutenpreisen knapp unter der 2-DM-Schranke in Mode. In einem letzten Aufbäumen hatte die Telekom ihr analoges C-Netz noch auf 29 Mark Grundgebühr reduziert. Doch die Kostenrechner in Bonn beschlossen, das C-Netz vorzeitig abzuschalten und alle Kunden ins D-Netz umzusiedeln. Das fanden nicht alle Nutzer gut, denn in der Startphase waren die D-Netze noch nicht weit genug ausgebaut.
Die Preise fürs mobile Telefonieren sanken langsam. Ein technisches Abfallprodukt, die SMS (für Short Message Service), wurde populär. Man konnte asynchron Nachrichten austauschen, die Gegenstelle las diese, sobald Zeit oder Gelegenheit dafür war. In der zweiten Hälfte des 1990er Jahrzehnts wurden SMS zum Renner: 1999 verschicken die Deutschen rund 3,6 Milliarden SMS. Der Duden nahm das sperrige Wort „Simsen“ in seinen offiziellen Wortschatz auf.
Mobiles Internet war am Anfang eines: Richtig teuer.