Modellfall

Stuttgarter Modell: Wie der Glasfaserausbau gelingen könnte

In einem aufwän­digen Verfahren wurde die Deut­sche Telekom von Politik und Gemeinden rund um Stutt­gart für den Glas­faser­ausbau "ausge­wählt". Das Land Baden-Würt­temberg hat noch mehr vor.
Aus Fellbach bei Stuttgart berichtet

Das Ausbau­gebiet umfasst also derzeit 174 Kommunen, die in der Stadt Stutt­gart sowie in den fünf benach­barten Land­kreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigs­burg und Rems-Murr liegen. In diesem Ballungs­raum leben rund 2,8 Millionen Menschen. Etwa 140 000 Unter­nehmen sind dort ange­siedelt.

Nach intensiven Diskussion zwischen Industrie und Politik konnte der Rahmenvertrag unterschrieben werden. Nach intensiven Diskussion zwischen Industrie und Politik konnte der Rahmenvertrag unterschrieben werden.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Bevor die Unter­schrift geleistet werden konnte, musste der Vertrag erst in allen in Frage kommenden 179 Kommunen disku­tiert werden. Er sei somit "basis­demo­kratisch" zustande gekommen, findet Minis­terprä­sident Winfried Kret­schmann. Kritiker wollen das nicht gelten lassen und reden lieber von einem "Geheim­vertrag".

Kret­schmann hofft, dass die fünf Kommunen, die im Moment noch einen anderen Weg gehen wollen, später doch noch dazu kommen. Er zitierte Bert Brecht: Die Mühen der Ebene von Euphorie, Ernüch­terung, Depres­sion zur Phase der Realität. Das sei ein Koope­rati­onspro­gramm für den "Maschi­nenraum Baden-Würt­temberg".

Aufwän­dige Vorbe­reitungen

Bereits im Juli 2018 hatte die Region Stutt­gart mit der Deut­schen Telekom ihre gemein­samen Ausbau­ziele bekannt gegeben: Bis zum Jahr 2025 soll allen gewerb­lichen Unter­nehmen im Ausbau­gebiet ein Inter­netzu­gang per Glas­faser bis zum Gebäude (FTTB) oder inhouse (FTTH) zur Verfü­gung stehen. Bis zum Jahre 2030 sollen 90 Prozent aller Privat­haus­halte im Gebiet von der schnellen Glas­faser profi­tieren, was bei Kriti­kern sofort die Frage aufwirft, warum die rest­lichen 10 Prozent nicht erschlossen werden? Die Telekom antwortet darauf, dass betrof­fene Gemeinden sich gerne an den Extra-Baukosten zu diesen schwer zu errei­chenden Kunden betei­ligen können.

174 von 179 Gemeinden in der Gigabit Region Stutt­gart haben sich zusam­menge­schlossen, ein gewal­tiger Kraftakt. Mancher Landrat, mancher Abge­ordnete hätte es lieber gesehen, die Netze selbst kommunal aufzu­bauen. Doch den Mut dazu brachten nur wenige Gemeinden wirk­lich auf. Die Stadt­werke Schorn­dorf beispiels­weise: "Wir haben uns jahre­lang über die miese Qualität der Tele­komlei­tungen geär­gert und da haben wir beschlossen, selbst ein Netz aufzu­bauen." Bei der Gigabit-Region wollen sie nicht mitma­chen, denn das dort verlegte Netz würde "am Ende ganz der Telekom gehören" und das gefällt ihnen nicht.

Telekom Chef Wössner: Hunderte Gespräche

Telekom Deutsch­land Chef Dirk Wössner hat hunderte Gespräche geführt, hat Entscheider getroffen und viele Bedenken ausge­räumt, Konflikte ausge­tragen, denn das Projekt ist eine große Nummer, das "Größte seiner Art in Europa". Für den Ausbau müsse es einen Ansprech­partner geben, was helfe, mit entspre­chender Geschwin­digkeit voran­zugehen, oder verein­facht: "Bagger statt Power­point". Der Kunde wird über OLT (Glasfaser) an das BNG, die LSR (Labeled Switch Router) und den LER (Label Edge Router) an das eigentliche Netz und die Programmlieferanten angeschlossen. Der Kunde wird über OLT (Glasfaser) an das BNG, die LSR (Labeled Switch Router) und den LER (Label Edge Router) an das eigentliche Netz und die Programmlieferanten angeschlossen.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de Grafik: Deutsche Telekom

Glas­faser für Fest­netz und Mobil­funk

Neben dem Glas­faser­netz will Wössner auch die Mobil­funk-Netze inkl. 4G und 5g ausbauen. "Wer Mobil­funk­abde­ckung will, wird sehen, dass es dafür den einen oder anderen Mobil­funk­mast braucht." Das Finden der Stand­orte wird immer schwie­riger, denn „Alle sind für Wind­kraft, aber keiner will Wind­räder“, die Geneh­migungs­verfahren, die derzeit 18-24 Monate dauern, müssen deut­lich schneller werden.

Start vor 1,5 Jahren

Heinz Jürgen Bahde, Geschäfts­führer Gigabit Stutt­gart GmbH, berich­tete, dass er vor 1,5 Jahren gestartet sei. Fünf Zweck­verbände sind für kommu­nale Nähe in der Gigabit-Region Stutt­gart aktiv. Es fand eine Abstim­mung zwischen gut und schlecht versorgten Regionen statt. 3187 Gemein­deräte, Regio­nalpo­litiker, Kreis­tags­abge­ordnete und Aufsichts­rats­mitglieder waren betei­ligt. Die Entschei­dung sei quasi „basis­demo­kratisch“ zustande gekommen. Große Kreis­städte mit Stadt­werken, die selbst schon ausge­baut haben, mussten aufwändig über­zeugt werden. War das umsonst? Wird das über­baut? Nein, es sei eine Koope­ration mit diesen Stadt­werken möglich. Fünf große Kreis­städte sollen noch über­zeugt werden.

Warum die Telekom den Zuschlag erhielt, lesen Sie auf Seite 3.

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