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"Glasfaser Direkt" beantragt Insolvenz

Inves­titionen in den Glas­faser­ausbau galten lange als sichere Bank. Das hat sich geän­dert, und wie voraus­gesagt beginnen die ersten Unter­nehmen zu wackeln.
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In Deutsch­land sollen rund 50 Milli­arden Euro für den Glas­faser­ausbau bereit­stehen. Am Geld mangelte es bisher nicht. Es bestand eher das Problem, dass es zu wenige geeig­nete Baufirmen mit passendem Personal und Geräten gibt.

Das zweite Problem: Es gibt zu viele neue Glas­faser-Firmen, die über wenig oder gar keine Erfah­rung mit dem Glas­faser­ausbau verfügen. Die zogen durchs Land und warben um Kunden. Deren Sub- und Sub-Sub-Unter­nehmer haben vor Ort viel Durch­ein­ander ange­richtet. Das sorgte bei poten­ziellen Kunden und der lokalen Politik für viel Ärger und Frust. Vieler­orts brüten Kreis­tage oder Gemein­deräte darüber, wie man von dem einen oder anderen Anbieter wieder los kommen könnte.

Open Access ist nicht so einfach

Alle Glas­faser­unter­nehmen beschworen das hohe Lied des "Open Access": Wenn Unter­nehmen A eine Glas­faser verlegt, sollen Unter­nehmen B oder C und so weiter diese auch nutzen und nichts eigenes darüber bauen. Auch die Telekom.

Doch in der Praxis ist das kompli­ziert: Wo liegt die Glas­faser genau, wo führt sie hin? Welche Technik wird im Detail verwendet? Gibt es klar defi­nierte Regeln, was bei Störungen passiert? Gerade kleine Unter­nehmen haben wenig Personal oder viel ausge­lagert. Sie können also bei Störungen nicht schnell genug reagieren. In jedem Ort und mit jeder kleinen Gesell­schaft müssen Verträge frisch aufge­setzt und reali­siert werden. Da riss der Telekom wohl der Gedulds­faden und sie begann auf einmal wieder "parallel" auszu­bauen, weil es für sie unterm Strich wohl güns­tiger und lang­fristig "plan­barer" ist.

Kata­strophe mit Ansage

Hello Fiber war die erste Glasfaser-Insolvenz. Gibt jetzt "glasfaser  direkt" auf oder findet sich noch ein Investor? Hello Fiber war die erste Glasfaser-Insolvenz. Gibt jetzt "glasfaser direkt" auf oder findet sich noch ein Investor?
Fotos: teltarif.de/Image licensed by Ingram Image, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de
In einem (zurück­gezo­genen) You-Tube-Video hatte ein regio­naler Glas­faser-Ausbau-Manager der Telekom schon vorher­gesagt, was jetzt wirk­lich passiert ist: Die ersten Glas­faser-Unter­nehmen werfen das Hand­tuch. Das erste Opfer war "helloFiber", ein Invest­ment des Liberty Global Konzerns von John Malone, der gerade erst seine Koax­kabel-Netze für viel (zu viel) Geld an Voda­fone verkauft hatte.

Nun hat als nächstes die "Glas­faser Direkt" einen Insol­venz­antrag gestellt. Der Grund ist einleuch­tend: Die unklare Wirt­schafts­lage, explo­die­rende Kosten und Zurück­hal­tung bei poten­ziellen Kunden. Viele Bürger lassen sich maximal die Glas­faser ins Haus legen, buchen aber keinen Anschluss oder "warten" darauf, ob die Telekom diese Glas­faser später noch anmietet, weil man die Telekom schon kennt und ungern wech­seln möchte.

Es ist genauso einleuch­tend, dass viele der konkur­rie­renden (neuen) Glas­faser­anbieter lieber die direkte Kunden­bezie­hung zum Endkunden haben möchten, weil sich das unterm Strich wohl besser rechnet (man kann noch lukra­tive Zusatz­leis­tungen verkaufen), als die Leitungen zu Groß­han­dels­preisen dem Erzkon­kur­renten zu vermieten.

Inves­toren bekommen kalte Füße

Wie zu erfahren war, hat sich der briti­sche Investor John Laing aus dem Glas­faser­ausbau in Deutsch­land verab­schiedet. Laing war wohl bei "Glas­faser Direkt" invol­viert, die seit 2021 zum ameri­kani­schen Finanz­investor ("Private Equity") KKR gehört. KKR, ein Name, den man immer wieder liest, wenn es um richtig viel Geld geht, beispiels­weise beim Axel-Springer-Konzern.

Eigent­lich sollten bei "Glas­faser Direkt" eine Milli­arde Euro in den Ausbau gesteckt werden. Doch so ganz raus ist "Glas­faser Direkt" noch nicht. Der Insol­venz­ver­walter sucht neue Geld­geber. So lange wird der Geschäfts­betrieb mit leicht redu­ziertem Personal weiter geführt.

Lohnt sich Glas­faser­ausbau nicht mehr?

Höhere Kapi­tal­markt­zinsen und gestie­gene Baukosten haben vielen Inves­toren "kalte Füße" beschert. Sie rechnen nochmal nach. Vor einem Monat war es "Hello Fiber", jetzt offenbar "Glas­faser direkt". Wer kommt als nächstes?

Die "Glas­faser Direkt" hat etwa 25.000 Haus­halte zum einen in der Eifel und zum andern in Teilen Bayerns mit Glas­faser versorgt. Im Moment werden noch die Orte Ammer­thal und Schnaitten­bach (Bayern) mit Glas­faser erschlossen. Dazu kommen noch weitere Gemeinden in Bayern, aber auch in Nord­rhein-West­falen, wo "Glas­faser Direkt" aktiv ist.

Probleme mit "Glas­faser Direkt" Tochter Eifel-Net

Eine Tochter der "Glas­faser Direkt" ist die "Eifel-Net", die schon über leid­volle Erfah­rungen beim Netz­ausbau in Konkur­renz zur Telekom verfügt. Weil das alles nicht so lief, wie gedacht, wollte "Eifel-Net" in Winzer­hausen (Kreis Ludwigs­burg bei Stutt­gart) ihren Kunden kurz­fristig kündigen. Die dort verbaute Technik sei "zu alt", hieß es.

Der vermut­lich wahre Grund klingt plau­sibler: Die Deut­sche Glas­faser baut in Winzer­hausen jetzt ein eigenes Netz und Unity­media (damals noch nicht bei Voda­fone) hatte sich dort auch schon versucht und wieder aufge­geben. Die Gemeinde Winzer­hausen (Groß­bot­twar) erfuhr davon nur durch Zufall, da sie selbst auch Kunde bei Eifel-Net sind.

Mit der für August 2022 ange­kün­digten Abschal­tung durch Eifel-Net wäre der Ort in der Internet-Stein­zeit gelandet. Eine gütliche Eini­gung kam nicht zustande, ein Gericht stellte klar: Eifel-Net muss sich an die verein­barten Vertrags­lauf­zeiten halten.

In der Heimat, der Eifel, genauer im Raum Bitburg-Prüm, hatte sich Eifel-Net eine mehr­jäh­rige juris­tische Schlacht gegen die Telekom gelie­fert. Streit­punkt: Öffent­lich geför­derter Glas­faser­ausbau durch die Deut­sche Telekom in sieben Gemeinden. Eifel-Net sprach von „Wett­bewerbs­ver­zer­rung“ und hätte dort liebend gerne selbst und möglichst exklusiv ausge­baut. Die Telekom hatte sich vorher viele Jahre an das Thema nicht heran­getraut.

BREKO Verband alar­miert

Der Bran­chen­ver­band BREKO ist alar­miert und versucht zu beru­higen: „Die Insol­venz der Glas­faser Direkt ist kein Indiz für eine abneh­mende Dynamik im deut­schen Glas­faser­ausbau. Der Glas­faser-Boom geht weiter, mit einer Viel­zahl von Anbie­tern, allein 230 Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter im BREKO, die weiterhin viele Milli­arden in Glas­faser­netze inves­tieren und den Ausbau auf dem Land und in den Städten voran­treiben."

BREKO betont, das Geschäfts­modell Glas­faser funk­tio­niere in Deutsch­land. Dies zeige sich durch den Einstieg neuer Inves­toren in den letzten Monaten, wie Altice Europe (SFR Frank­reich), die im Oktober ange­kün­digt hatten, gemeinsam mit Voda­fone Deutsch­land sieben Milli­arden Euro in den Glas­faser­ausbau zu inves­tieren, oder auch DIF Capital Part­ners, die seit November gemeinsam mit der Stadt Essen 180 Millionen Euro in Glas­faser­netze inves­tieren wollen.

Aber der BREKO sieht auch Risiken: "Das Beispiel 'Glas­faser Direkt' unter­streicht aller­dings die Wich­tig­keit passender Rahmen­bedin­gungen für Inves­titionen in den Glas­faser­ausbau, um Verun­siche­rungen im Markt zu vermeiden. Bereiche, in denen Branche und Politik drin­gend gemeinsam für bessere Voraus­set­zungen sorgen sollten, betreffen den volks­wirt­schaft­lich unsin­nigen Doppel­ausbau von Glas­faser­netzen, eine Fokus­sie­rung der öffent­lichen Förde­rung auf wirk­lich bedürf­tige Gebiete sowie die Beschleu­nigung und Digi­tali­sie­rung der Geneh­migungs­ver­fahren.“

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Idee, dass Unter­nehmen alleine im Wett­bewerb schleu­nigst überall Glas­faser ausbauen, konnte nicht funk­tio­nieren. Das war eigent­lich klar. Wenn ein Unter­nehmen Geld verdienen will und muss, dann wird es dort bauen, wo es sich noch irgendwie rechnet.

Neuere güns­tigere Technik haben auch entle­genere Regionen "rentabel" gemacht. Beson­ders, wenn auf Spar­flamme holter-di-polter mit vermeint­lich güns­tigen Sub-Sub-Unter­nehmen gebaut wird. Ab und zu soll auch "vergessen" worden sein, diese Sub-Sub-Unter­nehmen zu bezahlen und manche Baufirma musste zwischen­durch das Hand­tuch werfen, es blieben offenen Baugruben und frus­trierte Bürger und Verwal­tungen zurück.

Viel Murks beim Ausbau hat den Ruf nach der Telekom lauter werden lassen. Die hatte sich beim Glas­faser­ausbau scheinbar viel Zeit gelassen, aber aus Sicht der Telekom das Rich­tige getan: Mit der kupfer­basierten Vecto­ring-DSL-Technik konnten relativ viele Kunden in der Fläche erreicht werden. Ein Glas­faser­ausbau hätte sicher länger gedauert. Da zu den Vertei­ler­kästen schon Glas­faser liegt, kann die Telekom jetzt an die "letzten hundert Meter" zu ihren Kunden gehen. Private Unter­nehmen müssen beides aus dem Nichts bauen: Eine Infra­struktur von ihrem jewei­ligen Rechen­zen­trum in die Orte und dann noch zu den Kunden. Die Telekom hatte dafür über 100 Jahre Zeit. Die Konkur­renz nicht.

Unge­regelte Fragen bleiben, wie Open Access aussehen soll, Regeln bei Ausfällen und Störungen (SLA) und vor allen Dingen die Preise. Alles muss derzeit jedes Mal frisch verhan­delt werden. Das ist nerv­tötend und zeit­rau­bend und führt jetzt dazu, dass die Telekom lieber "über­baut", weil das offenbar schneller geht und lang­fristig wohl renta­bler ist.

Die Branche müsste sich zusam­men­raufen und Schnitt­stellen, SLAs und Preise allge­mein­ver­bind­lich für alle Betei­ligten aushan­deln. Der BREKO wäre dafür ein guter Gesprächs­partner, weil dort schon Know-How vorhanden ist, etwa aus der "Glas­faser Nord­west" einem Joint-Venture zwischen dem BREKO-Mitglied EWE und der Deut­schen Telekom.

Nur viel Zeit ist nicht. Die Kunden wollen und brau­chen die Glas­faser schnellst­mög­lich. Wenn die privaten Anbieter versagen, muss die Politik das regeln und wie bei Kupfer­netzen die Preise wieder per Ordre de Mufti (pardon der Netz­agentur) verordnen. Ob das besser ist?

Insge­samt muss die private Branche deut­lich quali­täts­bewusster werden, sonst bleibt am Ende - krass gesagt - nur noch die Deut­sche Telekom als halb­wegs funk­tio­nie­render Anbieter übrig. Dem Wett­bewerb täte das auf die Dauer wohl nicht gut.

So funk­tio­niert die Glas­faser.

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