ARM statt x86

Editorial: Plattformwechsel

Apple kehrt Intel den Rücken und setzt sie damit weiter unter Druck. Wie reagiert der Chip-Riese?
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Abkehr von Intel: Apple will künftig eigene Prozessoren in seinen Macs verbauen Abkehr von Intel: Apple will künftig eigene Prozessoren in seinen Macs verbauen
Bild: picture alliance/picture alliance / Peter Kneffel/dpa
Apple, deren Akti­en­kurs zuletzt trotz Covid-Krise kräftig zulegen konnte und deren Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung mitt­ler­weile die unvor­stell­bare Summe von 1,5 Billionen US-$ über­schreitet, ist wieder einmal dabei, die IT-Welt zu revo­lu­tio­nieren: Künftig sollen die haus­ei­genen A-Prozes­soren auf Basis des ARM-Designs auch im Apple Mac einge­setzt werden. Das bedeutet nichts weniger, als dass ein ursprüng­lich für Smart­phones entwi­ckelter Prozessor künftig auch Desktop-Computer und klas­si­sche Laptops antreiben wird.

Intel, die seit vielen Jahren die Prozes­soren für Apples Mac-Computer liefern, hatte vor Jahren noch den umge­kehrten Weg versucht: Ein abge­speckter und auf Effi­zienz getrimmter x86-Prozessor, der Intel Atom, sollte Desktop-Power ins Smart­phone bringen. Tatsäch­lich erblickten verein­zelte Intel-Smart­phones das Licht der Welt. Das Wohl­wollen der Kunden fanden diese aber nie. Der Autor dieser Zeilen erin­nert sich noch gut an ein Pres­se­ge­spräch mit einem Intel-Vertreter, wo dieser die Perfor­mance-Vorteile der Medfield-Platt­form darstellen wollte, indem er auf dem Display in einer langen Browser-Seite scrollte. Auf meinen Einwand, dass die Anzeige sichtbar ruckele und erkennbar weniger flüssig sei als auf dem zum Vergleich bereit­ge­hal­tenen Android-Gerät mit ARM-CPU, erhielt ich in Ober­lehrer-Manier die Antwort: "x86 hat die bessere Perfor­mance". Nun, bei Smart­phone-Prozes­soren stimmte das wohl nie, und bei Desktop-Prozes­soren gerät nun Intel eben­falls von mehreren Seiten unter Druck.

Speku­la­tionen, dass Apple bei den Mac-Prozes­soren von Intel auf haus­ei­gene ARM-Prozes­soren wech­seln könnte, gab es bereits 2012. Dass es erst jetzt so weit ist und der Umstieg in den kommenden zwei Jahren erfolgen soll, dürfte daran liegen, dass die ARM-Prozes­sor­fa­milie zuletzt noch einmal einen deut­li­chen Leis­tungs­schub erhalten hat: Bessere Grafik­ein­heiten (GPU) und Spezi­al­pro­zes­soren für die Berech­nungen von KI-Soft­ware ("Neural Proces­sing Unit", kurz NPU) haben den Abstand von ARM-Prozes­soren zu Intels x86-Prozes­soren noch­mals verrin­gert, bezie­hungs­weise in Teil­be­rei­chen die ARM-Prozes­soren sogar vorbei­ziehen lassen.

Der Mix machts

Abkehr von Intel: Apple will künftig eigene Prozessoren in seinen Macs verbauen Abkehr von Intel: Apple will künftig eigene Prozessoren in seinen Macs verbauen
Bild: picture alliance/picture alliance / Peter Kneffel/dpa
Apples Konzept war schon immer, nicht durch brachiale Bench­mark-Leis­tung zu über­zeugen, sondern durch ein stim­miges Konzept aus Design, Perfor­mance, Effi­zienz und Ergo­nomie. Damit ist für sie jetzt der Zeit­punkt für den Umstieg gekommen: ARM ist schnell genug, um normale Desktop-Aufgaben wie das Öffnen eines Office-Doku­ments oder das Anzeigen einer Website ohne merk­liche Verzö­ge­rungen durch­zu­führen. Für Aufgaben, für die die CPU alleine zu langsam ist, werden die Soft­ware-Entwickler auf die zahl­rei­chen Zusatz­pro­zes­soren zurück­greifen müssen: die GPU für die Bild- oder Video­be­ar­bei­tung oder die NPU für Text- und Bild­er­ken­nung.

Im Zwei­fels­fall kann der A-Prozessor in einem Mac zudem aufgrund des dickeren Akkus und der im größeren Gehäuse besseren Kühl­mög­lich­keiten länger höher takten als in einem iPhone. Am Ende wird also der Mac weiterhin eine bessere Perfor­mance haben als das iPhone. Aber der Abstand verrin­gert sich natür­lich weiter.

Intel unter Druck

Für Intel ist die Ankün­di­gung Apples natür­lich keine gute Nach­richt. Die letzten zwei Jahre war Intel schon dadurch unter Druck geraten, dass sie mit ihren Chip-Fabriken nicht mit der Konkur­renz Schritt halten konnten. So wird der Groß­teil der Intel-Prozes­soren bis heute mit 14-nm-Litho­grafie herge­stellt, während die Konkur­renz von TSMC und Samsung längst bei 7 nm ange­kommen ist. Aller­dings sind die Intel-Konkur­renten wohl etwas groß­zü­giger bei der Namens­ge­bung als Intel: Intels 10-nm-Prozess, dessen Chip­pro­duk­tion in den kommenden Monaten hoch­laufen soll, nachdem zuvor die Ausbeute verbes­sert werden konnte, erreicht etwa dieselbe Dichte an Logik-Einheiten wie der 7-nm-Prozess von TSMC und Samsung. Doch letz­tere starten dieser Tage bereits die 5-nm-Produk­tion: Die jeweils kommende Genera­tion von Apples A-Prozes­soren, Samsungs Exynos-Prozes­soren und Huaweis Kirin-Prozes­soren soll den Gerüchten und Ankün­di­gungen zufolge bereits in 5 nm produ­ziert werden. Und diese werden dann nicht nur in den neuesten iPhones, Samsung Galaxy Notes und Huawei Mates ihren Dienst tun, sondern eben auch in ersten MacBooks.

Beim Prozess­or­design hat sich wiederum Erzri­vale AMD mit seiner neuen Zen-Mikro­ar­chi­tektur eben­falls an Intel heran­ge­pirscht und bei der Perfor­mance pro Rechen­kern fast gleich­ge­zogen. Mit Zen 2 sind sie sogar stel­len­weise leicht an Intel vorbei­ge­zogen. Da AMD aber Zugriff auf die besseren Ferti­gungs­ver­fahren der Intel-Konkur­renz hat, können sie mehr Kerne pro Chip inte­grieren als Intel. Damit die Verlust­leis­tung dennoch gleich bleibt, müssen sie zwar die Kerne etwas nied­riger takten, die Gesamt­per­for­mance steigt aber aufgrund der höheren Kern­zahl dennoch deut­lich. In der Folge enden daher so gut wie alle Multi­core-Bench­marks bei preis­lich und vom Strom­hunger her vergleich­baren Prozes­soren zwischen Intels aktu­ellen Chips und AMDs Zen-2-Chips zugunsten von AMD. Nur bei der Spie­le­per­for­mance liegt AMD teils noch zurück, wohl, weil die meisten Spiele besser an die von den Verkaufs­zahlen her immer noch führenden Intel-Prozes­soren ange­passt sind.

Ist es ange­sichts dieser Umstände Zeit für einen Abge­sang auf Intel? Nun, sicher nicht. Intel hat aus den Zeiten, in denen sie den Prozes­sor­markt unan­ge­fochten domi­nierten, noch riesige Rück­lagen. Sollten sie weiter unter Druck geraten, werden sie diese Rück­lagen einsetzen, um ihre Prozes­soren neu zu erfinden und sich zurück an die Welt­spitze zu kata­pul­tieren. Sollten die Probleme mit der eigenen Ferti­gung anhalten, steht ihnen die Option offen, ihre Prozes­soren bei den jeweils führenden Auftrags­fer­ti­gern herstellen zu lassen. Bei neuen Prozes­soren geht Intel diesen Schritt sogar bereits: Für den Herbst hat Intel den dedi­zierten Grafik­pro­zessor Xe ange­kün­digt, der Nvidias GeFore- und AMDs Radeon-Prozes­soren Konkur­renz machen soll. Von Intel kommt aber nur das Chip-Design, der Chip-Hersteller wird nicht Intel, sondern TSMC sein.

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