Regulierung

Editorial: Ausmisten im Sonderrufnummern-Zoo

Müssen Anrufe zu 0700 wirk­lich mehr kosten? Und sind 032-Anrufe wirk­lich so teuer, wie von den Tele­fon­ge­sell­schaften abge­rechnet?
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In seinem Editorial fordert Kai Petzke ein Umdenken bei der Tarifierung von Anrufen zu Vorwahlen wie 0700 oder 032. In seinem Editorial fordert Kai Petzke ein Umdenken bei der Tarifierung von Anrufen zu Vorwahlen wie 0700 oder 032.
Bild: teltarif.de
Die Rufnum­mern­gasse 0700 wurde rund um die Dere­gu­lie­rung des Tele­fon­marktes mit viel Tamtam einge­führt. Die Rede war von einer "Rufnummer fürs Leben". Vor allem anspruchs­volle Privat­kunden sollten mit diesen in die Lage versetzt werden, stets unter derselben Nummer erreichbar zu bleiben, auch, wenn sie mal umziehen. Zudem sollten bei Bedarf komplexe Routings imple­men­tiert werden können, beispiels­weise tags­über eine auto­ma­ti­sche Weiter­lei­tung aufs Handy, während abends und nachts die Anrufe auf einer Mailbox landen.

Jahre später muss man konsta­tieren, dass die 0700 gefloppt ist. Der Haupt­grund sind hohe Kosten: Die Zutei­lung einer 0700-Nummer durch die Bundes­netz­agentur kostet 62,50 Euro, das Hosting der Nummer bei einem TK-Anbieter kostet meist eine monat­liche Grund­ge­bühr und der Anrufer zahlt vor allem vom Handy gesal­zene Minu­ten­preise. Aus dem Ausland oder aus dem Roaming ist die Anwahl der Nummern noch­mals teurer, wenn sie über­haupt möglich ist.

Für Geschäfts­kunden waren 0700er-Nummern von Anfang an unat­traktiv, weil die schon Jahre zuvor einge­führte 0180er-Gasse dieselbe Flexi­bi­lität und Stand­or­tu­n­ab­hän­gig­keit bot, aber bei den Verbrau­chern bereits deut­lich bekannter war. Beson­ders gern gesehen waren die teuren 0180-Nummern aller­dings nie. Auch deren Nutzung ist seit Jahren rück­läufig.

Mit der 2002 einge­führten Rufnum­mern­mit­nahme im Mobil­funk verloren die 0700-Nummern auch für Privat­nutzer ihr bishe­riges Allein­stel­lungs­merkmal, dass man sie auch nach Anbie­ter­wechsel oder Umzug behalten kann. Und da sich Smart­phones durchaus so program­mieren lassen, dass sie Anrufe von unbe­kannten Nummern tags­über durch­stellen und abends blockieren, sind die eingangs genannten Routing-Möglich­keiten für 0700-Nummern für die meisten Anwender auch kein Kauf­kri­te­rium mehr.

Telekom zieht den Stecker

In seinem Editorial fordert Kai Petzke ein Umdenken bei der Tarifierung von Anrufen zu Vorwahlen wie 0700 oder 032. In seinem Editorial fordert Kai Petzke ein Umdenken bei der Tarifierung von Anrufen zu Vorwahlen wie 0700 oder 032.
Bild: teltarif.de
Nun zieht die Deut­sche Telekom den Stecker: Sie wird zwar Anrufe zu 0700-Nummern weiterhin durch­stellen, aber sie wird das Hosting von 0700-Nummern im eigenen Netz nicht mehr anbieten. Das dürfte eine deut­liche Signal­wir­kung an die noch verblei­benden 0700-Nutzer haben, sich von der "Nummer auf Lebens­zeit" zu trennen. Anders als bei geschei­terten Ehen ist dabei auch kein Rosen­krieg zu befürchten.

Weg mit den Kosten!

Zu begrüßen ist dennoch die Initia­tive der Inter­es­sens­ge­mein­schaft 0700, die Aufpreise für die Anwahl von 0700 zu strei­chen. Die Voraus­set­zung dafür ist aller­dings, dass auf die bisher übli­chen Auszah­lungen an den Hoster der 0700-Nummern verzichtet wird. Damit würden künftig nicht nur Weiter­lei­tungen von 0700 aufs Smart­phone, sondern auch solche auf eine Fest­netz-Nummer in der Regel für den Inhaber der Nummer kosten­pflichtig werden.

Weiter­lei­tungen an ein VoIP-Telefon sollten aber auch künftig kostenlos möglich sein. Und man würde durch die Reduk­tion der Auszah­lungen den Anru­fenden die Scheu vor Anrufen zu diesen Nummern nehmen. Auch die Erreich­bar­keit aus dem Ausland wäre dann kein Problem mehr, da Anrufe zu 0700 dann über dieselben Inter­con­nects zuge­führt werden könnten wie Anrufe zu allen anderen geogra­fi­schen Rufnum­mern.

Bei derselben Gele­gen­heit könnte und sollte man auch die Sonder­preise für Anrufe zu VoIP-Nummern der 032-Gasse strei­chen. Anfangs hatten TK-Anbieter mit herkömm­li­chem geswitchten Tele­fon­netz tatsäch­lich einen Extra-Aufwand, um Anrufe zu 032 durch­zu­stellen. Doch inzwi­schen sollten alle Anbieter auch IP-Tech­no­logie im eigenen Netz imple­men­tiert haben. Außer der einma­ligen Einrich­tung der 032-Gasse entstehen für diese im Betrieb daher keine beson­deren Kosten mehr. Preise von beispiels­weise 49 Cent pro Minute beim Free S von o2 lassen sich mit tech­ni­schen Notwen­dig­keiten jeden­falls nicht begründen.

Weg mit den Sonder­re­geln!

In der Zeit von Peer-zu-Peer-Tele­fonie wie WhatsApp oder Skype und All-Net-Flat­rates sind Sonder­preise für einzelne Rufnum­mern­gassen wirk­lich über­holt, von wenigen Ausnahmen abge­sehen: Bei 0800 zahlt der Ange­ru­fene, damit der Anrufer auch dann anrufen kann, wenn er gerade eine leere SIM-Karte hat. Das ist sicher auch künftig noch sinn­voll. Mit 0900 werden tele­fo­ni­sche Auskunfts­dienste abge­rechnet, die wird es noch eine Zeit lang geben. Aber schon bei 0180 stellt sich die Frage, wie lange man damit noch die Verbrau­cher schröpfen will, wenn sie ein Unter­nehmen kontak­tieren. Und bei 0700 und 032 gehören sämt­liche Aufpreise besser heute als morgen abge­schafft.

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