Ermittlungsbehörden

Editorial: Und sie können WhatsApp doch "abhören"

Wie kommen die Behörden trotz Verschlüs­se­lung an WhatsApp-Chats? Und welche Alter­na­tiven gibt es für die User?
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Wie sicher ist WhatsApp? Wie sicher ist WhatsApp?
Bild: dpa
Grund­sätz­lich verwendet der Messenger-Dienst WhatsApp eines der besten verfüg­baren Sicher­heits­kon­zepte, um das Mitlesen von Nach­richten beim Trans­port zu verhin­dern: Dank Ende-zu-Ende-Verschlüs­se­lung können weder die Betreiber von WhatsApp, noch staat­liche Ermitt­lungs­be­hörden noch andere Dritte den Inhalt der Nach­richten entschlüs­seln, sondern ledig­lich der legi­time Empfänger. Sobald die Nach­richten aber zuge­stellt wurden, schwä­chelt das Sicher­heits­kon­zept von WhatsApp: Der Nach­rich­ten­ver­lauf wird nämlich unver­schlüs­selt auf dem Smart­phone gespei­chert.

Zwar verhin­dern sowohl iOS als auch Android norma­ler­weise, dass andere Apps auf die Nach­richten-Daten­bank zugreifen. Jedoch werden immer wieder so genannte Root-Exploits bekannt, mit denen Apps die Kontrolle über das System über­nehmen und damit insbe­son­dere belie­bige lokale Daten­zu­griffe durch­führen können. Hat das eigene Smart­phone mindes­tens eine unge­patchte, aber in Sicher­heits­kreisen bereits bekannte Root-Lücke, dann können die WhatsApp-Nach­rich­ten­pro­to­kolle durch geeig­nete Trojaner einschließ­lich des Bundestro­ja­ners ausge­lesen werden.

Ein zweites, wahr­schein­lich noch gravie­ren­deres Sicher­heits­pro­blem ist, dass WhatsApp den Chat­ver­lauf unver­schlüs­selt in die Cloud synchro­ni­siert. Das hat den Vorteil, dass man im Falle eines Dieb­stahls oder eines Smart­phone-Defekts das alte Chat-Proto­koll auf einem neuen Smart­phone wieder­her­stellen kann. Es hat aber auch den Nach­teil, dass somit die US-Geheim­dienste (die Zugang zu den Cloud-Servern von Google und Apple haben) und über das "Five-Eyes"-Abkommen auch die Geheim­dienste von Austra­lien, Groß­bri­tan­nien, Kanada und Neusee­land die Chat­pro­to­kolle einsehen können.

Ein dritter Weg, den WhatsApp-Chat einzu­sehen, führt über den Dienst WhatsApp Web. Dieser ermög­licht, eine Kopie des eigenen WhatsApp-Kontos auf dem PC oder Laptop anzu­zeigen. Die Einrich­tung ist schnell und unkom­pli­ziert: Die genannte Seite im Browser aufrufen, den ange­zeigten QR-Code mit WhatsApp auf dem Smart­phone scannen, fertig. Dieser Weg wurde offen­sicht­lich vom BKA genutzt, um Magomed-Ali C. zu über­wa­chen, einen kauka­si­schen Isla­misten und Bekannten des Breit­scheid­platz-Atten­tä­ters Anis Amri. Da zur Einrich­tung von WhatsApp Web zwin­gend WhatsApp auf dem Smart­phone geöffnet werden muss, war es dazu wohl nötig, dass es einem V-Mann gelang, C.s Smart­phone sich für einige Minuten unbe­ob­achtet "auszu­borgen". Die Methode hat auch den weiteren Nach­teil, dass die Ziel­person von der Über­wa­chung erfahren kann, wenn sie das Unter­menü für WhatsApp Web im Einstel­lungs­menü aufruft. Nur: 95 Prozent aller WhatsApp-Nutzer dürfte die WhatsApp-Web-Funk­tion ebenso unbe­kannt sein wie der zuge­hö­rige Menü­punkt.

Siche­rere Alter­na­tiven gibt es

Wie sicher ist WhatsApp? Wie sicher ist WhatsApp?
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Es gibt siche­rere Smart­phone Messenger, allen voran Signal und Threema. Nur: Will man diese nutzen, muss man auch seine Freunde vom Wechsel über­zeugen. Letz­teres gelingt aber meist nur bei den besten Freunden, nicht bei Gele­gen­heits­kon­takten. Und gegen Traffic-Analyse, also die Auswer­tung, wer wem wann von wo wie lange Nach­richten schickt, hilft auch die Ende-zu-Ende-Verschlüs­se­lung nicht. Aufgrund der genannten umfang­rei­chen Meta­daten kann in vielen Fällen auch ohne Kenntnis des genauen Inhalts einer Nach­richt auf deren unge­fähre Bedeu­tung geschlossen werden.

Die "Abhörer" sitzen also am längeren Hebel. Im Fall von C. gelang es ihnen, einen wahr­schein­lich gefähr­li­chen Isla­misten fest­zu­nehmen, bevor es zu einem Anschlag kam. Wie oft hingegen dank legaler, halb­le­galer oder ille­galer Abhör­maß­nahmen und anderer Daten­schutz­ver­gehen es zu unnö­tigen Opfern kommt, erfasst keine Statistik. Aktuell gehen die von dem "NSU 2.0" verschickten Droh­briefe durch die Presse. Die Kontakt­daten der Opfer wurden zumin­dest zum Teil auch mithilfe von Abfragen aus der Poli­zei­da­ten­bank ausge­kund­schaftet. Wie viel perfider wären solche Taten noch, wenn die Bedroher oder Stalker auch noch Zugriff auf die persön­li­chen Chats ihrer Opfer hätten?

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