Breitbandausblick

VATM Tele-Kompass 2017: Breitband­nachzügler Deutschland

Der VATM hat erneut zum Tele-Kompass nach Berlin geladen, der diesmal unter dem Motto des Ausblicks auf den Telekommunikationsmarkt stand. Dabei haben Politik und Wirtschaft interessante Einblicke gegeben und Diskussionen geführt.
Aus Berlin berichtet Stefan Kirchner

Die richtigen Voraussetzungen

Allerdings müssen dafür auch die Rahmen­bedingungen stimmen, merkt Markus Laqua an, Partner und Segmentleiter Communications & Media bei BearingPoint. Dem von BearingPoint erstellten Telecommnications Outlook 2017 zufolge wird in Deutschland vor allem in sogenannte Legacy-Technologie investiert - oder anders ausgedrückt, in Vectoring und Super-Vectoring auf Kupfer­leitungen vom Verteiler­kasten zum Kunden.

Insgesamt gesehen ist die Position des deutschen Breitband­marktes im europäischen und internationalen Vergleich führender Industrie­nationen traurig. Gerade mit Südkorea, wo die Regierung frühzeitig auf langfristig zukunfts­fähige Technologien wie eben Glasfaser setzte, ist der Vergleich ernüchternd.

Gab es 2000 noch keinerlei nennens­werten Breitband­anschlüsse mit 0,5 Prozent in Deutschland, war Südkorea mit 28,3 Prozent schon deutlich weiter. Gleiches Spiel 2015: Deutschland kommt auf einen Breitband­anteil von 76,2 Prozent und in Südkorea sind es 102,4 Prozent. Der letzte Wert lässt sich statistisch gesehen auf zum Teil Mehrfach­anschlüsse von Glasfaser einzelner Haushalte zurückführen, so Laqua.

Auch in anderen Disziplinen und Vergleichen sieht es für die Breitband­zukunft Deutschlands vergleichs­weise düster aus. Daher fordert Markus Laqua, einen Fünf-Punkte-Plan umzusetzen:

  • Eine Regulierung des Marktes ist ein wichtiger Punkt für die Schaffung von Preis­wettbewerb für Mobilfunk­leistungen - die Entgelt­regelung muss aber eine ordnungs­politische Ausnahme bleiben
  • Langfristig gesehen sind Legacy-Technologien wie Kupfer physikalisch ausgereizt, daher ist derzeit nur die Glasfaser die einzig richtige Wahl für den Breitbandausbau
  • Um den Anschluss zu den übrigen Industrie­nationen nicht zu verlieren, muss Glasfaser bis ins Haus (FTTB) oder gar Wohnung (FTTH) gelegt und der Bedarf gezielt gefördert werden
  • Eine Regulierung kann europäische wie auch deutsche Telekommunikations­anbieter im Wettbewerb mit Over-the-top Content-Anbietern (OTT) nur bedingt unterstützen
  • Telekommunikations­anbieter müssen die Vertikalisierung aus eigenem Willen anstreben, da sonst die eigene Wertschöpfung des künftigen Marktes immer weiter schrumpfen wird

In der anschließenden Panel-Diskussion mit Prof. Dr. Bernd Holznagel (Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Universität Münster), Markus Laqua, Stefan Schnorr (Abteilungs­leiter Digital- und Innovations­politik, Bundes­ministerium für Wirtschaft und Energie), Nadine Schön (stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestags­fraktion), Dr. Christoph Clément (Geschäfts­leitung Vodafone Deutschland) und Wolfram Rinner (Geschäfts­führer GasLINE GmbH & Co. KG), kam das Thema Breitband­ausbau aus verschiedenen Blickwinkeln zum Gespräch.

Quintessenz dieser Panel-Diskussion war, dass der Bund die Rahmen­bedingungen zur Förderung des Breitband­ausbaus klarer formulieren muss, nur auf echte Glasfaser­anschlüsse mittels FTTB/H beschränken und vor allem die Nachfrage nach Glasfaser unterstützend fördern sollte. Statistisch betrachtet haben über 70 Prozent aller Haushalte, die über einen echten Glasfaser­anschluss per FTTB/H verfügen, keine entsprechenden Verträge mit Providern zur Nutzung abgeschlossen.

Für letzteres wird vor allem der Preis entsprechender Verträge angeprangert. Sobald in einem Gebiet neben Glasfaser auch Vectoring angeboten wird, sinkt die Nachfrage nach Glasfaser­anschlüssen aufgrund der deutlich niedrigeren Kosten der klassischen VDSL-Anschlüsse erheblich.

Landwirtschaft und andere Breitbandbedürfnisse

Im Publikum saßen neben Vertretern einzelner VATm-Mitglieder und Politiker auch andere Verbände, wie zum Beispiel ein Sprecher des Verbands der Landwirtschaft. Er merkte an, dass Glasfaser nicht nur in Städten und Gewerbegebieten gefördert und ausgebaut werden sollte, sondern auch in der Breite und auf dem Land. Schließlich wird die Landwirtschaft in zukunft ebenfalls stetig weiter digitalisiert mit Dutzenden von Sensoren, die über alle möglichen Statistiken der täglichen Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben informieren.

Diese brauchen zwar nicht direkt Glasfaser, der für solche IoT-Geräte vorgesehene 5G-Netzstandard allerdings schon. Dabei spielen weniger die enorm hohen Bandbreiten eine Rolle, die mittels Glasfaser erzielt werden können, sondern die zeit­kritischen kurzen Latenzen einer Glasfaser­leitung.

Oder autonome Fahrzeuge, denen im Nahverkehrs­bereich große Chancen eingeräumt werden. Ohne schnelle Glasfaser­netze könnte die sichere Infrastruktur für autonomes Fahren an den Stadtgrenzen bereits passé sein und das Unfallrisiko aufgrund zu später Entscheidungen der Bordelektronik erheblich steigen. All das sind Fragen, denen sich die deutsche Politik in den kommenden Jahren stellen muss. Unterm Strich wird es daher noch etliche Diskussionen über das Wie geben - aber zumindest nicht mehr über das Ob.

Lesen Sie dazu in einem weiteren Beitrag, warum Glasfaser für den BREKO und BUGLAS ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.

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