VATM Tele-Kompass 2017: Breitbandnachzügler Deutschland
Wie schon die vergangenen Jahre auch, hat der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (kurz VATM) nach Berlin eingeladen, um über aktuelle Entwicklungen zum Thema Breitbandausbau zu diskutieren. Unter dem Motto "Breitband und Mobilfunk - wie gut steht Deutschland da?" haben die Verantwortlichen Gäste aus Politik, Wirtschaft und Forschung eingeladen, miteinander zu diskutieren.
Dabei stellte sich heraus, dass alle Anwesenden sich in einer Sache einig sind: Ohne Glasfaser wird Deutschland ewig hinterher hängen, wenn es um Breitbandanwendungen geht. Der von BearingPoint erstellte Bericht zeigt dies nur allzu gut: In fast allen Aspekten hat Deutschland das Nachsehen, sei es bei statistischen Investitionen pro Bundesbürger, technologischer Vorreiterrolle, prozentual anteiligen Breitbandverbindungen oder gar aktiv genutzter Glasfaser-Anschlüsse. Deutschland ist gefühlt im Breitband-Mittelalter.
Die Politik will mehr tun
Die Breitbandzukunft in Deutschland sieht mau aus, die Politik will das aber ändern
Logo/Grafik: VATM, Montage: teltarif.de
Aus dem politischen Leben hatte der VATM als Redner den FDP-Politiker Hans-Joachim Otto geladen, der nicht ohne kleine und nicht ganz ernst gemeinte Anspielungen auf die gescheiterten Jamaika-Sondierungen der Bundespolitik auskam. Worauf er jedoch im Rahmen der Veranstaltung sichtlich stolz hinwies, ist der Punkt, dass alle Parteien, die an den Sondierungen teilgenommen hatten, den Breitbandausbau mit Glasfaser bis 2025 und mindestens bis in die Häuser hinein anregen wollen. Aus Sicht der Verbände wie dem VATM ist das für sich gesehen zumindest ein sehr positives Signal.
In einem Punkt sorgte der Freie Demokrat auch für Zustimmung. So sprach sich Otto dafür aus, dass die Bundesregierung ihre Aktienanteile der Deutschen Telekom veräußern sollte. Dieses Vorhaben begründete er mit dem treffenden Satz: "Ein Spieler darf kein Schiedsrichter sein", was für einige Zustimmung im Publikum sorgte.
Weiterhin sprach er auch das Thema der Ausbauförderung an, bei dem er den Standpunkt vertrat, dass nur dann gefördert werden sollte, wenn keinerlei eigenwirtschaftlicher Ausbau möglich sei. Da passt es, dass aus Kreisen des BREKO vergangene Woche zu hören war, dass gerade mal zwei Prozent der vom Bund zur Verfügung gestellten vier Milliarden Euro für den Breitbandausbau mit echten Glasfaseranschlüssen bisher beantragt wurden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Ausbau von Glasfasernetzen seit dem Start des Fonds an sich bisher überwiegend aus eigenwirtschaftlichen Mitteln erfolgte.
Als einen Grund für die zurückhaltende Beantragung von Fördermitteln zum Glasfaserausbau sieht Otto unter anderem das vergleichsweise komplizierte Verfahren für einen solchen Antrag. Seiner Meinung nach, die sicherlich von weitaus mehr Personen geteilt wird, soll das Verfahren transparenter und vor allem schneller sowie unbürokratischer ablaufen.
In jedem Fall ist Otto zuversichtlich, dass die deutsche Wirtschaft den Breitband-Rückstand aufholen kann und auch wird.
Kleine Breitbandstatistiken
Die richtigen Voraussetzungen
Allerdings müssen dafür auch die Rahmenbedingungen stimmen, merkt Markus Laqua an, Partner und Segmentleiter Communications & Media bei BearingPoint. Dem von BearingPoint erstellten Telecommnications Outlook 2017 zufolge wird in Deutschland vor allem in sogenannte Legacy-Technologie investiert - oder anders ausgedrückt, in Vectoring und Super-Vectoring auf Kupferleitungen vom Verteilerkasten zum Kunden.
Insgesamt gesehen ist die Position des deutschen Breitbandmarktes im europäischen und internationalen Vergleich führender Industrienationen traurig. Gerade mit Südkorea, wo die Regierung frühzeitig auf langfristig zukunftsfähige Technologien wie eben Glasfaser setzte, ist der Vergleich ernüchternd.
Gab es 2000 noch keinerlei nennenswerten Breitbandanschlüsse mit 0,5 Prozent in Deutschland, war Südkorea mit 28,3 Prozent schon deutlich weiter. Gleiches Spiel 2015: Deutschland kommt auf einen Breitbandanteil von 76,2 Prozent und in Südkorea sind es 102,4 Prozent. Der letzte Wert lässt sich statistisch gesehen auf zum Teil Mehrfachanschlüsse von Glasfaser einzelner Haushalte zurückführen, so Laqua.
Auch in anderen Disziplinen und Vergleichen sieht es für die Breitbandzukunft Deutschlands vergleichsweise düster aus. Daher fordert Markus Laqua, einen Fünf-Punkte-Plan umzusetzen:
- Eine Regulierung des Marktes ist ein wichtiger Punkt für die Schaffung von Preiswettbewerb für Mobilfunkleistungen - die Entgeltregelung muss aber eine ordnungspolitische Ausnahme bleiben
- Langfristig gesehen sind Legacy-Technologien wie Kupfer physikalisch ausgereizt, daher ist derzeit nur die Glasfaser die einzig richtige Wahl für den Breitbandausbau
- Um den Anschluss zu den übrigen Industrienationen nicht zu verlieren, muss Glasfaser bis ins Haus (FTTB) oder gar Wohnung (FTTH) gelegt und der Bedarf gezielt gefördert werden
- Eine Regulierung kann europäische wie auch deutsche Telekommunikationsanbieter im Wettbewerb mit Over-the-top Content-Anbietern (OTT) nur bedingt unterstützen
- Telekommunikationsanbieter müssen die Vertikalisierung aus eigenem Willen anstreben, da sonst die eigene Wertschöpfung des künftigen Marktes immer weiter schrumpfen wird
In der anschließenden Panel-Diskussion mit Prof. Dr. Bernd Holznagel (Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Universität Münster), Markus Laqua, Stefan Schnorr (Abteilungsleiter Digital- und Innovationspolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Nadine Schön (stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Dr. Christoph Clément (Geschäftsleitung Vodafone Deutschland) und Wolfram Rinner (Geschäftsführer GasLINE GmbH & Co. KG), kam das Thema Breitbandausbau aus verschiedenen Blickwinkeln zum Gespräch.
Quintessenz dieser Panel-Diskussion war, dass der Bund die Rahmenbedingungen zur Förderung des Breitbandausbaus klarer formulieren muss, nur auf echte Glasfaseranschlüsse mittels FTTB/H beschränken und vor allem die Nachfrage nach Glasfaser unterstützend fördern sollte. Statistisch betrachtet haben über 70 Prozent aller Haushalte, die über einen echten Glasfaseranschluss per FTTB/H verfügen, keine entsprechenden Verträge mit Providern zur Nutzung abgeschlossen.
Für letzteres wird vor allem der Preis entsprechender Verträge angeprangert. Sobald in einem Gebiet neben Glasfaser auch Vectoring angeboten wird, sinkt die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen aufgrund der deutlich niedrigeren Kosten der klassischen VDSL-Anschlüsse erheblich.
Landwirtschaft und andere Breitbandbedürfnisse
Im Publikum saßen neben Vertretern einzelner VATm-Mitglieder und Politiker auch andere Verbände, wie zum Beispiel ein Sprecher des Verbands der Landwirtschaft. Er merkte an, dass Glasfaser nicht nur in Städten und Gewerbegebieten gefördert und ausgebaut werden sollte, sondern auch in der Breite und auf dem Land. Schließlich wird die Landwirtschaft in zukunft ebenfalls stetig weiter digitalisiert mit Dutzenden von Sensoren, die über alle möglichen Statistiken der täglichen Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben informieren.
Diese brauchen zwar nicht direkt Glasfaser, der für solche IoT-Geräte vorgesehene 5G-Netzstandard allerdings schon. Dabei spielen weniger die enorm hohen Bandbreiten eine Rolle, die mittels Glasfaser erzielt werden können, sondern die zeitkritischen kurzen Latenzen einer Glasfaserleitung.
Oder autonome Fahrzeuge, denen im Nahverkehrsbereich große Chancen eingeräumt werden. Ohne schnelle Glasfasernetze könnte die sichere Infrastruktur für autonomes Fahren an den Stadtgrenzen bereits passé sein und das Unfallrisiko aufgrund zu später Entscheidungen der Bordelektronik erheblich steigen. All das sind Fragen, denen sich die deutsche Politik in den kommenden Jahren stellen muss. Unterm Strich wird es daher noch etliche Diskussionen über das Wie geben - aber zumindest nicht mehr über das Ob.
Lesen Sie dazu in einem weiteren Beitrag, warum Glasfaser für den BREKO und BUGLAS ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.