Explosion

Zerstörter Facebook-Satellit: Erste heiße Spur zur Ursache

Noch auf der Startrampe zerfetzte vor gut einem Monat eine heftige Explosion eine Falcon-9-Rakete von SpaceX und zerstörte dabei den Facebook-Satelliten. Hat die Missachtung eines lästigen Alltagseffekts Sauerstoff auf Abwege gebracht und so zur Katastrophe geführt?
Von

Der von SpaceX missachtete lästige Alltagseffekt ist die Bildung von Kondenswasser an kalten Oberflächen. Serviert man im Sommer im Freien ein Glas heißen Tee und ein Glas gekühlter Cola, dann bildet sich an dem Cola-Glas sofort außen ein Wasserfilm, während das Tee-Glas trocken bleibt. Deswegen ist es in der Kneipe üblich, unter Biergläser einen der bekannten Bierdeckel zu legen.

  Glas Cola
Bild: fotolia.com / Pavlo Kucherov
Nun hat SpaceX beim Upgrade der Falcon 9 von v1.1 auf v1.2 die Temperatur des getankten Sauerstoffs von vorher ca. -183 °C auf nun -207 °C gesenkt. Da sich Flüssigkeiten - von wenigen Ausnahmen abgesehen - beim Abkühlen zusammenziehen, kann SpaceX so entsprechend mehr Sauerstoff in die Rakete tanken, ohne diese zu vergrößern, und so die Leistung entsprechend steigern. Nur: Die bisher übliche Sauerstoff-Temperatur von -183 °C ist die Temperatur, bei der Sauerstoff kocht, die Temperatur von -207 °C hingegen ist nicht mehr weit weg von der Temperatur, bei der Sauerstoff einfriert. Die Sauerstoffleitung, durch die die Falcon 9 v1.2 betankt wird, wird dadurch also so kalt, dass sich außen an der Leitung Kondenssauerstoff bilden kann!

  Glas Tee
Bild: fotolia.com / goir
Nun ist Sauerstoff selber nicht brennbar, aber er fördert die Verbrennung von all dem, was brennbar ist. Das geht so weit, dass man aus einem saugfähigen und brennbarem Material - zum Beispiel poröser Aktivkohle, Holzmehl oder Aluminiumstaub - und Sauerstoff eine Bombe bauen kann. Einfach den Sauerstoff über das saugfähige Material schütten, warten, bis der Sauerstoff aufgesaugt worden ist, und dann zünden. Das funktioniert auch, wenn der Flüssigsauerstoff nicht rein, sondern mit einem Anteil von Flüssigstickstoff gemischt ist, wie es bei flüssiger Luft üblich ist.

Beispielsweise wurde der Simplon-Tunnel in der Schweiz mit Flüssigluft-Sprengstoff in die Alpen gesprengt. Im Jahr 1930 verkaufte der Kältespezialist Linde über tausend Tonnen des von ihm Oxyliquit genannten Sprengstoffs zum Selbermischen vor Ort. Dass inzwischen insbesondere im Bergbau andere Sprengmittel üblicher geworden sind und Oxyliquit keine Marktbedeutung mehr hat, bedeutet aber nicht, dass diese Mischung ungefährlich geworden wäre!

Die brisante Mischung: Isolationsmaterial und Sauerstoff

Hier kommt nun ein weiteres Detail ins Spiel: Die Sauerstoffleitung am Startturm der Falcon-9-Rakete ist außen mit PU-Schaum umhüllt. So lange diese Isolation keine Schadstellen hat, ist das gut. Denn der PU-Schaum isoliert die kalte Flüssigkeit im Rohr und so wird es außen am PU-Schaum nirgendwo kalt genug, als dass sich Kondenssauerstoff bilden könnte.

Jedoch wird es, so die Isolation nicht extrem dick ist, angesichts der tiefen Temperaturen in der Sauerstoffleitung immer noch kalt genug, dass sich außen auf dem PU-Schaum Kondenswasser und Eis bilden. Diese Eisbildung kann die Isolation beschädigen. Und gibt es überhaupt erstmal Isolationsschäden, werden sich diese jedes Mal, wenn eine Rakete betankt und der kalte Sauerstoff durch die Leitung gepumpt wird, verstärken, weil sich natürlich dort, wo es schon Schäden gibt, besonders viel Kondenswasser sammelt.

Und gerade die Falcon 9 wird oft betankt: Vor dem Start für den Static-fire-Test. Und dann gab es in der letzten Zeit - auch aufgrund der noch nicht perfekt beherrschten Unterkühlungs-Technologie - vergleichsweise viele Startabbrüche, bei denen die Rakete erst betankt und dann später doch wieder geleert wird. Entsprechend ist es denkbar, dass sich am Tankrohr für den Flüssigsauerstoff in der Zwischenzeit Stellen gebildet haben, an denen die Isolation so stark beschädigt ist, dass die Luft direkt an das Rohr herankommt. Dort kann sich dann nicht nur Kondenswasser, sondern auch der oben genannte Kondenssauerstoff bilden.

Wird der Kondenssauerstoff nun vom Isolationsmaterial an den weniger beschädigten Stellen des Rohres aufgesaugt, bildet sich nicht nur die vorgenannte explosive Mischung. Der aufgesaugte Sauerstoff setzt die Isolationswirkung des Isolationsmaterials stark herab und begünstigt damit die Bildung weiteren Kondenssauerstoffs! So wird die Bombe immer größer.

Ernsthaft: Flüssigsauerstoff plus ein saugfähiges brennbares Material (z.B. Holzmehl oder poröse Kohle) ergibt einen brisanten Sprengstoff, der schon durch leichte Schläge oder einen Funken zur Detonation gebracht werden kann. Die energetische Ausbeute ist bei optimaler Mischung höher als bei Dynamit, die Detonationsgeschwindigkeit beträgt 3000 Meter pro Sekunde und mehr. Vermarktet wurde dieser Sprengstoff anfangs des 20ten Jahrhunderts unter dem bereits genannten Namen "Oxyliquit".

Nun hat SpaceX den PU-Schaum der Sauerstoffleitung am Startturm außen mit einer weiteren Lage aus Metall umwickelt. Diese sollte verhindern, dass Kondenswasser in den Schaum eindringt, dort zu Eis wird und nach und nach die Isolation so weit beschädigt, dass sogar Sauerstoff kondensieren kann. Also alles richtig gemacht? Nun, wie TechX auf Youtube anhand von Bildern von vor dem Start zeigt, fehlte diese Metall-Umwicklung bereits an etlichen Stellen. Vermutlich war sie bei früheren Starts beschädigt worden.

Ungünstiges Wetter

Am Tag des Static-fire-Tests waren nach den Analysen von TechX die Wetterbedingungen denkbar ungünstig für SpaceX: Der Wind stand so, dass er den beim Betanken der Rakete verdampfenden Sauerstoff zurück Richtung Startturm blies - wo er dann gleich wieder außen am Sauerstoffrohr kondensieren konnte. Zudem gab es an dem Tag starke Gewitterneigung, so dass es immer wieder zu elektrischen Entladungen kam. Dabei reicht schon ein kleiner Zündfunke aus, um Oxyliquit bzw. mit Flüssigsauerstoff vollgesaugten PU-Schaum zur Detonation zu bringen.

Bei der Explosion der Sauerstoffleitung weggesprengte Fragmente wurden zu Geschossen, die die Tanks der SpaceX-Rakete großflächig aufrissen. Mindestens ein Geschoss traf den im Flüssigsauerstofftank der Oberstufe untergebrachten kleinen Helium-Tank, so dass letzterer sofort explodierte, was die erste deutliche Spur in den von der Rakete übertragenen Daten bildete. Weniger als 100 Millisekunden nach diesem Treffer war bereits so viel von der Rakete kaputt, dass die weitere Datenübertragung abbrach.

Der Youtube-Kanal von TechX enthält zahlreiche weitere, sehr sehenswerte Analysen zu dem Unfallhergang. Die Schilderung deren Inhalte würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Nur ein Detail: Der Knall zwei Sekunden vor der großen Explosion war wahrscheinlich eine erste, kleine Explosion von Sauerstoff-PU-Schaum-Sprengstoff. Das Leuchten dieser ersten, kleinen Explosion wird in einer detaillierten Auswertung, die die Differenzen zwischen einzelnen Videoframes verstärkt, deutlich sichtbar.

Eine offizielle Stellungnahme von SpaceX zur Unfallursache steht noch aus. Ich persönlich wäre aber stark überrascht, wenn diese am Ende wesentlich anders lautet als: "Zuerst ist das Sauerstoffrohr des Startturms explodiert".

vorherige Seite:

Mehr zum Thema Technologie