Philipp Reis: Fast vergessener Telefon-Erfinder aus Hessen
Der Gelnhäuser Bäckersohn Philipp Reis mit dem von ihm entwickelten "Ferntonapparat", einem Vorläufer des Telefons (Zeichnung aus dem Jahr 1923).
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Seine Erfindung, das Telefon, hat die Welt
verändert. Dennoch ist der deutsche Tüftler Philipp Reis, dessen
Todestag sich jetzt zum 150. Mal gejährt hat, heute weithin
unbekannt. "Er hat eine Jahrtausenderfindung gemacht, doch wenn man
heute irgendwo auf der Welt fragt, wer das Telefon erfunden hat, hört
man Alexander Graham Bell", sagt Reis-Biograf Wolfram Weimer.
Reis wurde 1834 im hessischen Gelnhausen geboren und wuchs als Vollwaise auf. Er machte eine kaufmännische Lehre und arbeitete später als Lehrer für Sprachen und Naturwissenschaften in Friedrichsdorf in der Nähe von Frankfurt/Main. Dort hält heute ein Museum die Erinnerung an den Erfinder wach.
In seiner Freizeit brütete Reis lange über die Frage, wie Töne mit
Hilfe von Strom über größere Entfernungen übertragen werden können.
1861 gelang ihm der Durchbruch und er stellte den Apparat, den er
"Telefon" nannte, vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt vor.
"Das Echo war äußerst enttäuschend - seine Erfindung wurde als
"Spielerei" abgelehnt", erzählt das Museum. Nach Angaben von Weimer
wurde Reis von den "feinen Herren Professoren" immer ein bisschen
belächelt als ein Bastler, der irgendetwas Unnützes erfindet.
Der Gelnhäuser Bäckersohn Philipp Reis mit dem von ihm entwickelten "Ferntonapparat", einem Vorläufer des Telefons (Zeichnung aus dem Jahr 1923).
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Reis starb mit nur 40 Jahren am 14. Januar 1874 in Friedrichsdorf an
Tuberkulose, bevor er seinen Apparat weiterentwickeln konnte. Sein Fernsprecher
funktionierte nur in eine Richtung - der Hörer konnte nicht sofort
antworten. Erst als in den USA Alexander Graham Bell in den 1870er
Jahren ein Gerät auf den Markt brachte, das abwechselnd ans Ohr und
dann an den Mund gehalten wurde, trat das Telefon seinen weltweiten
Siegeszug an. Laut Reis-Museum beruhte das von Bell 1875 eingereichte
Patent nach dessen eigenen Angaben auf den Arbeiten des Deutschen,
die der Amerikaner zumindest teilweise gekannt und verbessert habe.
"Mir tut es für Philipp Reis auch persönlich leid, dass er es so schwer im Leben hatte, aber nie den verdienten Respekt erhielt", erklärt Weimer. "Wenn wir ihn jetzt auch noch vergessen oder nichts für ihn tun, dann ist es doppelt bitter." Der frühere Chefredakteur von "Focus" und "Welt" hat dem Erfinder vor vier Jahren mit seiner Biografie "Der vergessene Erfinder" ein literarisches Denkmal gesetzt. Für Weimer, der als Verleger in Oberbayern lebt, ist das auch eine Sache des Lokalpatriotismus: Wie Reis wurde er in Gelnhausen geboren.
Weimer: Deutschland "eine Nation von Erfindern"
Der Fall Reis sei geradezu exemplarisch, sagt Weimer. "Wir sind eine Nation von Erfindern, Ingenieuren, Tüftlern und Bastlern. Und das gilt nach wie vor." Viele große technische Innovationen der vergangenen 200 Jahre seien von Deutschen erfunden worden. Aber die Deutschen seien nicht gut im Vermarkten. "Das ist eher eine Stärke der Amerikaner. Und manchmal nehmen uns die Amerikaner einfach unsere Erfindungen ab und machen daraus ein großes Geschäft."
An anderen Orten in der Welt ehre man Erfinder mit Denkmälern oder
großen Monumenten, sagt der Biograf. "Bei uns macht man das nicht
mehr, weil es irgendwie nicht mehr schicklich ist", kritisiert er.
Selbst Nobelpreisträger würden in Deutschland nicht richtig sichtbar
gemacht und medial gewürdigt. "Wir haben ein Defizit in der Würdigung
unserer naturwissenschaftlichen und Ingenieurleistungen."
Johann Philipp Reis mit einem Telefon nach einer Radierung von J.D. Cooper, die anhand einer Fotografie mittels Selbstauslöser durch Philipp Reis im Jahre 1862 entstand.
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Er wünsche sich mit Blick auf das 150. Todesjahr des Erfinders, dass
Philipp Reis sichtbarer gemacht werde. In seiner Heimatstadt
Gelnhausen könne er sich "eine Art Triumphbogen" an einer
Zufahrtsstraße vorstellen. Nicht einmal eine Autobahnausfahrt weise
in Gelnhausen auf den Erfinder hin. "Wir bräuchten eigentlich auch
ein Kommunikationsmuseum: Wenn du den Erfinder des Telefons hast,
dann muss ein Ort her, der das sichtbar macht." Er denke als Vorbild
an das Ludwig Erhard Zentrum in Fürth. "Die Bayern haben ein besseres
Händchen dafür, ihre Traditionen hochzuhalten und sie herzuzeigen."
Die hessische Landesregierung hat nach eigenen Angaben keine besondere Veranstaltung aus Anlass des 150. Todesjahres des hessischen Erfinders vorgesehen. Ehrende Veranstaltungen würden eher aus Anlass runder Geburtstage und nicht von Todestagen geplant, teilte die Staatskanzlei mit. Das bedeute aber nicht, dass das Land Hessen "einem seiner bedeutendsten Söhne" kein ehrendes Andenken bewahren würde, hieß es weiter. So werde Reis schon seit langer Zeit in der Broschüre Hessen-Pass in der Rubrik "Berühmte Hessinnen und Hessen" aufgeführt. Zudem seien mehrere Schulen nach Reis benannt.
Bürgermeister: "Triumphbogen nicht so ganz passend"
In Reis' Geburtsstadt Gelnhausen rufen Weimers Anregungen gemischte Reaktionen hervor. "Der Rückzug Napoleons führte zwar auch durch Gelnhausen und das Kinzigtal, aber ein Triumphbogen nach französischem Vorbild wäre zur Würdigung von Philipp Reis wohl nicht ganz so passend", sagt Bürgermeister Christian Litzinger (CDU). Selbstverständlich habe die Stadt aber Weimers Botschaft verstanden.
"Im digitalen Zeitalter, in dem die Kommunikation eine große Rolle spielt und viele neue Herausforderungen mit sich bringt, nehmen wir die Anregung, Philipp Reis monumentaler zu würdigen und ihn und sein Erbe in der Stadt noch sichtbarer werden zu lassen, gerne auf", sagte Litzinger. In Abstimmung mit den politischen Gremien und der Bürgerschaft - möglicherweise auch mit einem Ideenwettbewerb - werde man prüfen, welche weiteren Optionen infrage kämen.
Telefon-Nudeln und Anruf beim Christkind: Programm zum Reis-Jahr
Was bieten Friedrichsdorf und Gelnhausen im Reis-Jahr 2024 in Erinnerung an den Erfinder? In seiner Geburtsstadt Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis) und in Friedrichsdorf (Hochtaunuskreis), wo der Erfinder des Telefons vor 150 Jahren starb, wird in diesem Jahr auf vielfältige Weise an den Tüftler erinnert, dessen Fernsprecher die Welt veränderte.
Friedrichsdorf will den wohl berühmtesten seiner Bürger mit einem bunten Programm ehren, in dessen Mittelpunkt das Telefon steht. Laut Stadtverwaltung wird es immer wieder Spezialführungen im Philip Reis Haus geben sowie Möglichkeiten, auf seinen Spuren in der Stadt unterwegs zu sein. Ziel sei es, möglichst viele Menschen aus allen Generationen mit den Veranstaltungen anzusprechen, erklärte Erika Dittrich, die in der Stadtverwaltung für Archiv und Museen zuständig ist.
Das ganze Jahr hinweg sollen "persönliche Telefongeschichten" gesammelt und am Ende des Jahres in einer Lesung vorgestellt und vielleicht sogar als Büchlein veröffentlicht werden. Dazu gibt es Workshops für Kinder, die dabei erfahren sollen, wie die Kommunikation vor Erfindung des Telefons funktionierte. "Das ganze Jahr hindurch werden wir auf den städtischen Social-Media-Kanälen regelmäßig kleine Geschichten aus dem Leben von Philipp Reis posten", kündigte Dittrich an.
Das Telefon stehe bei vielen weiteren Veranstaltungen im Mittelpunkt, so bei einer Krimi-Lesung, einer Filmnacht und einem Vortrag zum Thema "Telefon in der Kunst". Ab Herbst sollen Erfinderwerkstätten Kinder in das Museum einladen; Senioren wird in Zusammenarbeit mit der örtlichen Diakonie der Hausnotruf vorgestellt. Bürgermeister Lars Keitel (Grüne) will Kindern im Museum aus Erich Kästners Buch "Das verhexte Telefon" vorlesen. Zum Abschluss des Philipp-Reis-Jahres kann man im Museum dann "mit einem besonderen Telefon mit dem Christkind telefonieren", erklärte Dittrich.
Das plant die Stadt Gelnhausen
Auch Reis' Geburtsstadt Gelnhausen plant mehrere Veranstaltungen im 150. Todesjahr des Erfinders. So soll es im Museum der Stadt Sonderführungen und eine interaktive Ausstellung zum Leben und Wirken des Erfinders geben. Auch an besonderes Merchandising wie Telefonhörer-Nudeln und Schulprojekte werde gedacht, teilte die Stadtverwaltung mit. So werde beispielsweise die Schülerzeitungsredaktion des Grimmelshausen-Gymnasiums Gelnhausen eine "Fake-News-Kampagne rund um Philipp Reis" über ihren Instagram-Kanal starten.
Beim computergestützten Outdoor-Spiel "Das Gelnhausen Protokoll" sollen Teilnehmer als Agenten die Geheimorganisation R.E.I.S. dabei unterstützen, die Kreisstadt vor dem Untergang zu retten. Komplexe Codes müssten geknackt und geheime Verstecke enttarnt werden. Im Spielverlauf sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Wissenswertes über den Tüftler lernen. Im September soll es ein Straßenfest zu Ehren des Erfinders in der Gelnhäuser Fußgängerzone und damit in Nähe zu dessen Geburtshaus geben, bei dem vermutlich auch internationale "Reis"-Gerichte angeboten werden.
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