Nokia

Mobilfunk auf dem Mond: Spielerei oder Notwendigkeit?

Mond­mis­sionen sind aktuell wieder in aller Munde. Dafür braucht es gute Funk­ver­bin­dungen. Auf dem Mond könnte ein 4G/LTE-Netz gebaut werden.
Von

Je nachdem, wie alt Sie sind, können Sie sich an den 21. Juli 1969 um 03:56:20 Uhr MEZ erin­nern: Da betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond und sprach die berühmten Worte: "That's one small step for a man, one giant leap for mankind!"

Mond­mis­sionen sind aktuell wieder in aller Munde. Viele Beob­achter sehen sie aller­dings vor allem im geopo­liti­schen Kontext, als Wett­streit riva­lisie­render Groß­mächte. Was in der Debatte dabei in den Hinter­grund gerät, sind die tech­nolo­gischen Höchst­leis­tungen und ehrgei­zigen Forschungs­ziele, für die viele Akteure unter­neh­mens­über­grei­fend und über Jahre hinweg eng koope­rieren.

Was macht Nokia dort oben?

Auf dem Mond braucht es ein Netz für Astronauten, Geräte und Sensoren. Das möchte Nokia bauen Auf dem Mond braucht es ein Netz für Astronauten, Geräte und Sensoren. Das möchte Nokia bauen
Foto: Intuitive Machines and Nokia Bell Labs
Der Netz­werk­aus­rüster Nokia zum Beispiel enga­giert sich gemeinsam mit Part­nern in der soge­nannten "Tipping-Point"-Initia­tive der NASA. Diese Initia­tive wertet indus­tri­elle Raum­fahrt­tech­nolo­gien aus ("Evalu­ierung"), welche die kommer­zielle Raum­fahrt und zukünf­tige NASA-Missionen unter­stützen sollen. Im Rahmen der unbe­mannten Mond­mis­sion IM-2, die aktuell für ein drei­mona­tiges Zeit­fenster ab November 2023 geplant ist und am Südpol des Mondes landen soll, arbeitet Nokia beispiels­weise mit den Firmen Intui­tive Machines und Lunar Outpost zusammen.

Strom­spa­rende LTE-Mikro­funk­zelle für Mobil­funk

Für diese Mission hat Nokia Bell Labs eine ener­gie­effi­ziente, kompakte und welt­raum­taug­liche Version seiner 4G/LTE-Mikro­funk­zelle entwi­ckelt. Sie ist speziell für die Reise zum Mond und die extremen Tempe­ratur-, Strah­lungs- und Umwelt­bedin­gungen auf der Mond­ober­fläche ausge­legt. Die IM-2-Mission startet vom Kennedy Space Center der NASA in Cape Cana­veral. Eine SpaceX-Falcon-9-Rakete wird den Nova-C Lander auf eine direkte Flug­bahn zum Mond bringen. Nach einer fünf­tägigen Reise wird der Nova-C Lander den Mond mehr­mals umkreisen. Dann zündet der Lander erneut seine Trieb­werke, um kontrol­liert auf der Mond­ober­fläche zu landen. Ziel ist der Shac­kleton Connec­ting Ridge am Südpol des Mondes.

Direkte Funk­ver­bin­dung zur Erde

Das 4G/LTE-Netz auf dem Mond wird aus zwei Haupt­kom­ponenten bestehen. Die erste ist die Basis­sta­tion, die in das Raum­fahr­zeug Nova-C Lander inte­griert wird und als Mobil­funk­standort für das Netz auf dem Mond dient. Die zweite Kompo­nente ist die Funk­aus­rüs­tung, die auf zwei Mond­fahr­zeugen instal­liert wird: der Mobile Auto­nomous Pros­pec­ting Plat­form (MAPP), einem Rover von Lunar Outpost, und dem Lander Micro-Nova von Intui­tive Machines. Zusammen bilden diese Funk­kom­ponenten ein Netz, über das die Fahr­zeuge und der Nova-C Lander mitein­ander kommu­nizieren können. Darüber hinaus wird es eine leis­tungs­starke Funk­ver­bin­dung direkt zur Erde geben, um Daten und Bilder zu über­tragen und die Fern­steue­rung der Fahr­zeuge über das Mobil­funk­netz zu ermög­lichen.

Kommen die ersten Bilder über das Netz von Nokia?

Die während der IM-2-Mission gesam­melten Daten werden zunächst viele Erkennt­nisse über eine Schlüs­sel­region des Mondes liefern und den Weg für die zukünftig wieder bemannten "Artemis"-Missionen ebnen. Nokia will damit beweisen, dass Mobil­funk­tech­nolo­gien die notwen­dige Konnek­tivität für künf­tige bemannte und unbe­mannte Missionen zu Mond und Mars bieten können. Astro­nau­tinnen und Astro­nauten werden dann Zugang zu Sprach-, Video- und Daten­kom­muni­kation sowie zu tele- und biome­tri­schen Daten haben. Für ihre Forschung müssen sie auf riesige Sensor­netz­werke zugreifen, wissen­schaft­liche Expe­rimente durch­führen und Roboter und andere Maschinen fern­steuern können. All diese Anwen­dungen erfor­dern ein robustes Netz. Bei Nokia ist man sich sicher: Viel­leicht werden die ersten Bilder von Eis auf dem Mond schon bald über das von Nokia gelie­ferte Netz zur Erde über­tragen.

Warum enga­gieren sich Unter­nehmen wie Nokia?

Mit der Tipping-Point-Initia­tive startet die NASA ein Zeit­alter öffent­lich-privater ("public-private") Part­ner­schaften, um die Entwick­lung von Raum­fahrt­tech­nolo­gien voran­zutreiben. Die dabei entste­henden Tech­nolo­gien könnten bei den bemannten Artemis-Missionen zum Einsatz kommen, die eine dauer­hafte Präsenz auf dem Mond als Vorbe­rei­tung für künf­tige bemannte Expe­ditionen zum Mars ermög­lichen sollen. So können Nokia und andere Unter­nehmen auch an der künf­tigen Welt­raum­wirt­schaft teil­haben.

So wie Kommu­nika­tion und Netze ein wesent­licher Bestand­teil der Wirt­schaft auf der Erde sind, werden sie es auch auf dem Mond und irgend­wann einmal auf dem Mars sein. Mobil­funk­netze werden Sensoren, Trans­port­fahr­zeuge, Expe­rimente, Forschungs­drohnen und Rover mitein­ander verbinden. Mobil­funk­netze können außerdem zur Fern­steue­rung über­lebens­wich­tiger Maschinen wie Bergbau- und Bauma­schinen einge­setzt werden. Und Netze werden Geräte wie Tablets, Laptops und Weara­bles mitein­ander verbinden. Eines Tages könnten Astro­nauten sogar ihre Smart­phones mit in den Welt­raum nehmen und sie theo­retisch genauso nutzen wie auf der Erde, sofern ihr Netz­betreiber/Service-Provider ein Roaming-Abkommen mit dem "Mond-" oder "Mars-Netz" hat. Welche Tarife dafür aufge­rufen werden, ist momentan noch Speku­lation.

Manche Erkennt­nisse sollen auch direkt für die Erde nutzbar sein: Die Mond­ober­fläche ist eine extrem unwirt­liche Umge­bung: Keine Atmo­sphäre, kein Schutz vor kosmi­scher Strah­lung und Tempe­raturen, die um bis zu 300 Grad Celsius schwanken können. Wer hier ein wirk­lich funk­tio­nie­rendes Netz aufbauen kann, kann auch ein Netz aufbauen, das in den extremsten Umge­bungen auf der Erde funk­tio­niert.

Für Nokia Bell Labs ist Welt­raum kein Neuland

Für Nokia Bell Labs hat die Erfor­schung des Welt­raums lange Tradi­tion. IM-2 ist nur das jüngste Beispiel in der langen Geschichte der Zusam­men­arbeit von Bell Labs mit Part­nern bei der Erfor­schung des Welt­raums. So arbei­tete Nokia bereits 1962 mit der NASA zusammen, um einen der ersten Kommu­nika­tions­satel­liten der Welt, Telstar 1, in den Orbit zu bringen. Nokia lieferte auch Tech­nologie für alle bemannten US-Raum­fahrt­pro­gramme von Mercury bis Apollo. Und 1964 machten zwei Forscher der Bell Labs, Arno Penzias und Bob Wilson, die entschei­dende Entde­ckung der kosmi­schen Mikro­wel­len­hin­ter­grund­strah­lung, die vom Urknall übrig­geblieben war.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

"Die sollen erst mal das Netz auf der Erde fertig bekommen, bevor sie auf dem Mond anfangen", werden viele Leser denken. Das ist verständ­lich. Ande­rer­seits ist schon heute absehbar, dass die letzten Funk­löcher über erdnahe Satel­liten gestopft werden müssen, weil ein Aufbau von Sende­sta­tionen an Kosten oder Wider­ständen vor Ort schei­tern könnte. Doch bis das soweit ist, wird es noch dauern. Deswegen ist fried­liche(!) Raum­fahrt wichtig.

Bei Tempe­ratur-Diffe­renzen von 300 Grad zwischen "Tag" und "Nacht" ist klar, wenn eine verbaute Technik das aushält, ist sie wirk­lich gut. Nur was wird diese Technik kosten? Sind die Netz­betreiber und deren Kunden auf der Erde über­haupt gewillt (oder in der Lage) das zu bezahlen? Für Nokia wäre ein erfolg­rei­ches Mond-Netz sicher eine gute Visi­ten­karte, um neue terres­tri­sche Aufträge zu bekommen.

Neu ist die Idee von Mobil­funk auf dem Mond nicht. Voda­fone hatte diese Idee schon im Jahre 2017.

Mehr zum Thema Forschung