5G-Forschung

Autonomer Gabelstapler: 5G in der industriellen Erprobung

Der Lehr­stuhl für Förder­technik Mate­rial­fluss Logistik (fml) der TU München stellte 5G-Forschungs­pro­jekte für die Indus­trie" vor. teltarif.de war vor Ort.
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In Garching bei München liegt der Campus der Tech­nischen Univer­sität München (TUM). Dort wird an zwei mögli­chen Anwen­dungs­fel­dern für 5G im Bereich Logistik geforscht. Kern­stück ist ein von o2 Telefónica errich­tetes und für die TUM betrie­benes 5G-Campus­netz auf 3,7 GHz, das mit einer Campus-Lizenz der Bundes­netz­agentur funkt.

Anwen­dungs­for­schung zu 5G in der Indus­trie

Das AGV Fahrzeug (silber) kann vorwärts, rückwärts und querfahren und Anhängelasten ziehen und wird über 5G gesteuert. Das AGV Fahrzeug (silber) kann vorwärts, rückwärts und querfahren und Anhängelasten ziehen und wird über 5G gesteuert.
Marc Müller / TUM
Professor Dr.-Ing. Johannes Fottner, Leiter des Lehr­stuhls für Förder­technik Mate­rial­fluss Logistik (fml) und sein Team präsen­tierten auf 5G-Tech­nologie basie­rende Möglich­keiten der Nutzung eines auto­nomen Trans­port­fahr­zeugs (Auto­mated Guided Vehicle - AGV). Der fahrer­lose auto­nome Roboter wurde vom fml entwi­ckelt und gebaut. Das Fahr­zeug ist in der Lage, große Lasten zu trans­por­tieren, auf Wunsch auch als kleiner Zug mit Anhän­gern.

Faszi­nie­rend: Das Fahr­zeug fährt nicht nur vorwärts und rück­wärts, sondern bewegt sich - ohne zu drehen - in alle Fahrt­rich­tungen - also auch quer zur Ausrich­tung - durch den Raum, obwohl die "Räder" etwas anderes anzu­zeigen scheinen.

Schnelle Reak­tions­zeiten

Durch die Anbin­dung an das 5G-SA-Netz können künf­tige Entwick­lungen wie eine zentrale, koor­dinierte Steue­rung einer ganzen Flotte von solchen AGV weiter­ent­wickelt werden. Wichtig sind dabei nied­rigen Reak­tions­zeiten in 5G-Netzen, um flexibel und sichere Routen zu erlauben oder auf Verän­derungen oder "Störungen" sofort reagieren zu können, bevor etwas passiert (Beispiel ein Mensch oder ein anderes Fahr­zeug kommt in die Quere). Bisher waren entspre­chende Fahr­zeuge wegen der begrenzten Zuver­läs­sig­keit ihrer Daten­ver­bin­dungen und Reak­tions­zeiten bei ihren Einsätzen stark einge­schränkt.

Fern­steue­rung eines Gabel­stap­lers

Der mit 5G und Kameras ausgerüstete Gabelstapler wird von einem Computerpult aus ferngesteuert. Der mit 5G und Kameras ausgerüstete Gabelstapler wird von einem Computerpult aus ferngesteuert.
Foto: TUM München / fml
Was auf den ersten Blick wie eine nette Spie­lerei aussieht, macht durchaus Sinn: Die Fern­steue­rung eines modi­fizierten, ansonsten aber markt­übli­chen Gabel­stap­lers. Das Fahr­zeug wurde so umge­rüstet, dass zusätz­liche Funk­tionen wie Objekt­erken­nung, sowie auto­mati­sierte Funk­tionen und Bewe­gungen erforscht werden können. Der Bediener sitzt auf einer Galerie und hat vor sich mehrere Bild­schirme, einen Stan­dard-PC mit Lenkrad und Gaspedal sowie einen Joystick. Er könnte zum Fahr­zeug Blick­kon­takt aufnehmen, aber es gibt auch Ecken, in denen das Fahr­zeug unter­wegs ist, die er nicht einsehen kann.

Campus-Netze notwendig

Für die zuver­läs­sige, breit­ban­dige und schnelle Vernet­zung ist das 5G-Campus-Netz von o2 Telefónica das notwen­dige Funda­ment betonten die Experten. Nur so sei die notwen­dige Bild­ver­arbei­tung für Sicher­heits- und Logis­tik­funk­tionen mittels hoher Cloud-Rechen­leis­tung über­haupt möglich.

„Schon jetzt wird klar sichtbar, wie viele Technik-Entwick­lungen mit 5G Campus­netzen ihr Poten­tial ausschöpfen bzw. nur mit 5G reali­siert werden können“, erklärt Mallik Rao, CTIO von o2 Telefónica, der sich das Projekt vor Ort anschaute und sehr detail­lierte Fragen an die Forscher stellte. „Die Forschung daran ist für o2 Telefónica beson­ders inter­essant, denn sie hilft uns, Unter­nehmen den konkreten Nutzen der Technik zu zeigen.“

Wissen­schaft­lich-Tech­nische Zusam­men­arbeit

Prof. Dr.-Ing. Johannes Fottner TUM/fml Prof. Dr.-Ing. Johannes Fottner TUM/fml
© Andreas Heddergott / TU Muenchen
Im Rahmen der Koope­ration von o2 Telefónica und der Tech­nischen Univer­sität München sind die gemein­schaft­liche Betreuung von Studi­enar­beiten, Gast-Vorträge von o2 Telefónica Spezia­listen bei Vorle­sungen und Veran­stal­tungen des fml vorge­sehen. Außerdem soll es für Studenten Möglich­keiten geben, bei o2 Telefónica studi­enbe­glei­tende Prak­tika zu absol­vieren. Telefónica verspricht sich von dieser Zusam­men­arbeit den früh­zei­tigen Kontakt zu hoch­qua­lifi­zierten Berufs­ein­stei­gern.

Professor Dr.-Ing. Johannes Fottner findet, dass „o2 Telefónica ein wich­tiger Tech­nologie-Partner für uns (ist). Mit der Zusam­men­arbeit ermög­lichen wir unseren Studenten Einblick in die Themen der Digi­tali­sie­rung in Deutsch­land. Zugleich kann das Unter­nehmen durch den Infor­mations- und Erfah­rungs­aus­tausch von unseren Forschungs­erkennt­nissen profi­tieren.“

Der Logistik-Professor wies in seinem Vortrag deut­lich darauf hin, dass es keine 100-prozentig fehler­freie Technik geben könne, der Mensch müsse immer die Aufsicht behalten, um eingreifen zu können. Die Technik solle für die Menschen und nicht der Mensch für die Technik da sein.

Zukunft der Campus-Netze bei 26 oder 60 GHz?

Malik Rao, CTIO Telefónica schaute sich das Projekt vor Ort an. Malik Rao, CTIO Telefónica schaute sich das Projekt vor Ort an.
Foto: Telefónica / o2
Derzeit funken die Campus-Netze noch auf 3,7 GHz. Malik Rao, CTIO von o2-Telefónica ist sicher, dass die nächste Gene­ration auf 26 GHz oder 60 GHz funken wird. Hier kann dann noch mehr Band­breite zur Verfü­gung gestellt werden. Band­breite ist für die Studenten des Fach­berei­ches fml wichtig. Wenn zeit­gleich mehrere Fahr­zeuge gesteuert und über­wacht werden wollen, sind Band­breiten von aktuell 1 GBit/s nicht mehr ausrei­chend, um beispiel­weise die Bild- und Sensor-Daten sicher zu über­tragen.

Vorteil Campus­netz vs. gene­relle Funk­ver­sor­gung

Inter­essante Beob­ach­tungen konnte teltarif.de am Rande der Veran­stal­tung im Seminar-Raum machen: Nur wenn ein Fenster geöffnet wurde, gab es LTE-Versor­gung im Raum, nach dem Schließen, verschwanden die Signale, bis auf ein schwa­ches E der Telekom, bei dem trotzdem keine Daten­ver­bin­dung möglich war. Zwar gibt es in der Univer­sität auch ein offenes WLAN, doch auch hier flossen zu Webseiten keine Daten, warum auch immer.

Bei den 5G-Campus-Netzen für die Indus­trie 4.0 ist das Versor­gungs­pro­blem lösbar, außerdem sind diese Netze autark. Sie sind auf ein "Campus" (Firmen­gelände, eine Halle) beschränkt, in der Regel hängen ausrei­chend Antennen an der Decke. Diese Netze müssen hier 150 Prozent flächen­deckend sein, weil sonst die kriti­schen Prozesse nicht funk­tio­nieren oder Gefahren drohen, wenn Liefer­fahr­zeuge zusam­men­stoßen oder stecken bleiben, weil das Netz ausfällt. Bei den Campus-Netzen werden übri­gens nur Daten ausge­tauscht. Tele­foniert wird darüber nicht.

Während Campus-Fahr­zeuge bereits bestens versorgt sind, gibt es in der U-Bahn Berlin noch Nach­hol­bedarf.

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