Mehr Details: "Linke" Themen dominieren bei ARD & ZDF
ARD, ZDF und Deutschlandradio wird vor allem aus dem konservativen Lager immer wieder politische Einseitigkeit vorgeworfen, obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk laut Medienstaatsvertrag "eine möglichst breite Themen- und Meinungsvielfalt ausgewogen darstellen" soll. In der von der Stiftung Mercator kofinanzierten Studie haben Professor Marcus Maurer, Simon Kruschinski und Pablo Jost vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz untersucht, ob diese Vorwürfe zutreffen – mithilfe der bislang umfangreichsten Inhaltsanalyse dieser Art.
Wirtschaft, SPD und Grüne dominieren bei Berichterstattung
Eine Studie untersuchte die Berichterstattung bei ARD und ZDF
Quelle: tagesschau.de, Screenshot: Michael Fuhr/teltarif.de
Die Studie "Fehlt da was? Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten" zeige, dass im Untersuchungszeitraum April bis Juni 2023 bestimmte Themen (Wirtschaftspolitik) und Parteien (SPD, Grüne) die Medienberichterstattung dominierten. Dennoch war die Vielfalt an Themen und Akteuren in den untersuchten neun öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten (Fernsehen, Hörfunk, Online-Medien) insgesamt hoch. Gleiches galt auch für die 38 reichweitenstarken privatwirtschaftlich organisierten Nachrichtenmedien (Fernsehen, Print- und Online-Medien), die als Vergleich dienten. Insgesamt haben die Mainzer Forscher fast 10.000 Nachrichtenbeiträge aus dem Zeitraum analysiert.
Die Studie hat die Positionierung der Nachrichtenformate entlang grundlegender gesellschaftlicher Konfliktlinien untersucht. Sie zeigt, dass die Berichte in allen neun öffentlich-rechtlichen Formaten insgesamt eher eine sozialstaatliche als eine marktliberale Perspektive einnahmen. Zugleich überwogen in sieben der neun Formate liberal-progressive die konservativen Perspektiven. Diese leichte "linke" Dominanz sei allerdings keine Besonderheit der Öffentlich-Rechtlichen. In dieser Hinsicht entsprach die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Formate aber weitgehend jener der Vergleichsmedien.
Forderung: Mehr Raum für konservative Positionen
"Unsere Studie zeigt zwar, dass in den Nachrichtenformaten von ARD, ZDF und Deutschlandradio durchaus an der ein oder anderen Stelle Raum für eine Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen wäre. Insgesamt trifft die Behauptung, die Nachrichtenformate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien im Vergleich zu anderen Nachrichtenmedien besonders einseitig, aber nicht zu", fasst Professor Maurer die Ergebnisse zusammen, die er im Rahmen des 1. CIVIS Mediendialog in Berlin öffentlich vorgestellt hat.
In acht der neun untersuchten öffentlich-rechtlichen Formate sowie in allen untersuchten Vergleichsmedien stellten die Redaktionen sowohl Parteien links der Mitte als auch Parteien rechts der Mitte überwiegend negativ dar. Die öffentlich-rechtlichen Formate fielen hier im Vergleich insgesamt weder durch eine besonders negative, noch durch eine besonders ausgewogene Berichterstattung auf. Sie berichteten allerdings weniger negativ über die aktuellen Regierungsparteien als die Vergleichsmedien. Studienleiter Maurer sieht den Fokus auf negative Informationen kritisch: "Natürlich haben Medien auch eine Kontrollfunktion. Wenn sie ihre Berichterstattung aber auf Probleme beschränken, ohne über Lösungen zu berichten, kann das selbst zum Problem werden, weil dadurch das Vertrauen in die etablierten Parteien sinkt."
"Es überrascht, wie ähnlich öffentlich-rechtliche und private Medien im Großen und Ganzen berichten", erklärt Christiane von Websky, Leiterin des Bereichs Teilhabe und Zusammenhalt der Stiftung Mercator. "Angesichts der wachsenden Demokratie-Skepsis in der Gesellschaft, sollten sich die Redaktionen aber fragen, ob eine so starke Konzentration auf Fehler und Versäumnisse der Politik noch angemessen ist".
Eine Einschätzung (von Michael Fuhr)
Die Studienergebnisse mögen all jenen eine Bestätigung geben, die ARD und ZDF Einseitigkeit vorwerfen. Natürlich spielen der Klimawandel, die hierbei nötige Transformation der Gesellschaft, eine Umstellung der Ernährung (weniger Fleisch), die Umrüstung auf Wärmepumpen oder E-Mobilität, die Integration von Migranten und andere Themen, die eher als "links" angesehen werden, in der Berichterstattung eine große Rolle. Das ist nicht nur bei aktuellen Themen der Fall, sondern auch in fiktionalen Spielfilmen, die im Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen produziert werden. Ob es aber tatsächlich bewusste Manipulation ist, wenn etwa in der ZDF-Serie "Frühling" die Hauptdarstellerin nicht länger ein Verbrenner-Fahrzeug, sondern nun ein E-Auto fährt (und dies auch explizit erwähnt wird), dass in einer Familie nun vegan gekocht wird oder dass immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften den Weg in die Produktionen finden, möge jeder für sich selbst beurteilen. Denn eine Gesellschaft wandelt sich, und entsprechend findet sich dieser Zeitgeist auch in den Medien.
Die Studie bestätigt aber auch, dass die Positionen der Ampel-Regierung gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen mehr im Fokus stehen als jene der Opposition. Und entsprechend werden auch nicht alle Positionen und Meinungen der Gesellschaft gleichberechtigt behandelt. Die Kritik der Studienersteller hieran ist berechtigt.
Alles in allem sorgen die Öffentlich-Rechtlichen aber dennoch für weit mehr Vielfalt, als ihnen vorgeworfen wird. Dass viele dies subjektiv anders sehen, mag in erster Linie damit zusammen hängen, dass Berichte, die nicht mit der eigenen Meinung und Gesinnung übereinstimmen und daher für Missgunst sorgen, stärker im Gedächtnis bleiben. Zu einer Demokratie gehört aber, auch andere Meinungen und Darstellungen zu respektieren.
Die Studie spielte auch bereits eine Rolle in unserem Beitrag: Immer weniger Vielfalt im News-TV.