5G-Standalone Netz für die Bundeswehr-Uni
Viele zivile Techniken finden auch bei Militärs Gefallen. Manche militärische Erfindungen und Forschungen haben es später in das zivile Leben geschafft.
Hohe Sicherheit und "modernste" 5G-Technologie für die Forschung: Die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (abgekürzt "HSU/UniBw H") betreibt jetzt ein eigenes 5G-Campus-Netz, das teilen die Deutsche Telekom und ihr Technologie-Partner Ericsson mit.
Das Campus-Netz der Uni soll Projekte des Zentrums für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr (dtec.bw) zuverlässig mit leistungsstarkem Mobilfunk über 5G-Standalone (5G SA) versorgen. Auch Partner aus Wissenschaft und Industrie werden das innovative 5G-Testfeld zur Erprobung digitaler Anwendungen nutzen. Die Deutsche Telekom hat das private 5G-Netz mit Technik von Ericsson realisiert.
5G-Forschung: Drahtlose Vernetzung von industriellen Prozessen
An der Uni soll u.a. untersucht werden, wie sich moderne 5G-Techonlogie auf die Arbeitswelt auswirken kann und wird.
Foto: HSU / Deutsche Telekom / Ericsson
Mit dem 5G-Campus-Netz möchte die HSU/UniBw H unter anderem die drahtlose Vernetzung industrieller Produktions- und Geschäftsprozesse erforschen. Dabei geht es zum Beispiel um das Zusammenspiel der Echtzeit-Vernetzung von Sensoren, Aktoren und cyberphysikalischen Systemen.
Dabei kommen dann noch Cloud Computing und Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Im Brennpunkt der Anwendungen stehen Automatisierungstechnik und Logistik, autonom agierende Roboter, Drohnenabwehrsysteme sowie 5G-basierte Safety- und Security-Anwendungen, was gerade in unfriedlichen Zeiten immer wichtiger wird.
Schub für neue Technik
„5G Standalone wird unserer Forschung zu Digitalisierung und Zukunftstechnologien einen weiteren Schub geben. Mit der Netztechnik von Ericsson und dem Campus-Netz der Deutschen Telekom schaffen wir beste Voraussetzungen für den Innovationstransfer zwischen Forschung und Praxis“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Gerd Scholl, Inhaber des Lehrstuhls für Elektrische Messtechnik an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, sein Projekt.
„Im Testfeld entwickeln Wissenschaft und Industrie unter realen Bedingungen neue Produkte, Anwendungen sowie Geschäftsmodelle auf Basis von 5G.“ Die Plattform hierfür ist das dtec.bw-Projekt Digitale Sensor-2-Cloud-Campus-Plattform (abgekürzt DS2CCP).
Eigene Netz-Infrastruktur für hohe Sicherheit
An der Hochschule setzt die Telekom die Geschäftskundenlösung „Campus-Netz Private“ ein. Hierfür hat das Unternehmen auf dem Universitätsgelände sechs Indoor-Antennen installiert. Zwei weitere Micro-Sendestationen wurden im Außenbereich aufgebaut.
Das 5G-SA-Campus-Netz funktioniert komplett getrennt vom öffentlichen Mobilfunknetz. Die gesamte Infrastruktur, von den Antennen über aktive Systemtechnik, Gateways bis hin zum Netzwerkserver, befindet sich auf dem Gelände der Universität. Dadurch bleibt der gesamte Datenverkehr im lokalen Campus-Netz.
Maximale 5G-Leistung und kurze Wege für Daten
Die lokale Anbindung der Universität ermöglicht eine besonders schnelle Verarbeitung der Daten. Die kurzen Wege der eigenständigen 5G-Architektur unterstützen datenintensive Anwendungen mit Reaktionszeiten im Millisekunden-Bereich. Das 5G-SA-Netz funkt dabei auf eigens für diese Zwecke vorgesehenen und an die Universität lizenzierte Frequenzen im Bereich zwischen 3,7 und 3,8 Gigahertz. Bis zu 100 Megahertz Bandbreite stehen den Forschenden somit exklusiv zur Verfügung.
„Wir haben gemeinsam mit der HSU eines der modernsten Campus-Netze in Deutschland realisiert, das auf den neuesten verfügbaren Standards basiert“, betont Klaus Werner, neuer Geschäftsführer Geschäftskunden bei der Telekom Deutschland. „Es unterstützt für die Industrie wichtige Funktionen wie Network-Slicing und Ultra-Low-Latency. Mit diesem Campus-Netz wird die HSU wertvolle Erkenntnisse für das 5G-Ökosystem und damit für die gesamte Industrie 4.0 liefern“.
"Innovation in Echtzeit": Anbindung an 5G-Test-Plattform von Ericsson
Eine Besonderheit bei der privaten 5G-Architektur des Campus-Netzes: Erstmals ist ein Teil des 5G-Kernnetzes direkt mit einer "5G Device and Network Testing (DNT)"-Plattform von Ericsson in Düsseldorf verbunden.
Damit profitiert das Campus-Netz von den neuesten Updates und Weiterentwicklungen des Netzausrüsters – noch vor der offiziellen Markteinführung. Forscherinnen und Forscher können so die neuesten Netzfunktionen testen. Sehr wichtig dabei: Trotz der Verbindung mit der externen Ericsson 5G Device and Network-Testing-Plattform wird der universitätseigene Datenverkehr ausschließlich im privaten Teil des Campus-Netzes vor Ort verarbeitet.
„5G schafft als leistungsfähige und sichere Vernetzungs-Technologie eine Grundlage für Innovationen “, erläutert Daniel Leimbach, neuer Westeuropachef bei Ericsson. Der Schwerpunkt "Innovationen" bringe die Universität, Telekom und Ericsson auf einen Nenner. Gemeinsam solle Forschung und Entwicklung rund um 5G-Anwendungen für unterschiedlichste Branchen vorangebracht werden.
Volle Kontrolle & Flexibilität
Die Uni kann ihr privates Netz flexibel anpassen und unterschiedliche Funktionen ganz nach Wunsch und Bedarf ("on-demand") verwalten. So wird beispielsweise der Datenverkehr innerhalb des Campus-Netzes bedarfsgerecht für bestimmte Anwendungen priorisiert. Das geschlossene System soll eine hohe Daten- und Ausfallsicherheit haben.
Durch eine redundante Architektur des lokalen Kernnetzes funktioniert das Netz auch bei einer Unterbrechung zum cloudbasierten Management-Portal zuverlässig weiter. Darüber hinaus kann die Universität von einer garantierten und durchgängigen Verfügbarkeit profitieren.
Test von 5G-mmWave-Technologie geplant
Das gemeinsame Projekt ist für zunächst drei Jahre angelegt und soll in Zukunft auch die 5G-Millimeterwellen-Technologie (5G mmWaves, Frequenzen bei 26 GHz) erproben. Dieser Frequenzbereich wird von der Bundesnetzagentur direkt den Interessenten zugeteilt und ermöglicht deutlich höhere Datenraten als bisher auf 3,6 GHz, hat aber auch deutlich geringere Reichweiten.
Ein Nachteil stört die Bundeswehr nicht, im Gegenteil: Die Nutzung ist derzeit nur für lokale Anwendungen erlaubt. Das Frequenzspektrum eignet sich deshalb besonders für 5G-Campus-Netze mit besonders datenintensiven Anwendungen.
Was macht die Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg?
Die Helmut-Schmidt-Universität/Hochschule der Bundeswehr befindet sich im Hamburg.
Foto: Deutsche Telekom / HSU
Für alle, die mit militärischen Themen nicht so bewandert sind: Die HSU/UniBw H ist eine der zwei Universitäten der Bundeswehr. Auf Grundlage der "ihr garantierten Autonomie und der Rechtsaufsicht der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung" nimmt sie die gleichen Aufgaben in Forschung und Lehre wahr, wie öffentliche Hochschulen. Die vier Fakultäten der HSU/UniBw H bieten derzeit 13 grundlagenorientierte Bachelor- und 20 spezialisierende Master-Studiengänge an. Der Bachelor-Abschluss erfolgt nach sieben Trimestern, der Master-Abschluss nach fünf Trimestern.
Besonders stolz ist die Uni in Hamburg auf ihre Forschungsbedingungen, den hohen technischen Standard der Labore und eine hochwertig ausgestatteten Bibliothek. Sie ist mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Industrie in Hamburg und der Metropolregion drumherum eng verbunden. Die Helmut-Schmidt-Universität ist an zwei von vier Hamburger Exzellenzclustern beteiligt, forscht u.a. mit dem Luftfahrtcluster Hamburg, dem Helmholtz-Zentrum Hereon und ist Gründungsmitglied im Forschungsverbund „Erneuerbare Energien Hamburg“.
Im Zentrum für Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr (dtec.bw) soll das Wissen im Bereich digitaler Technologien und deren Auswirkungen auf Arbeitswelt und Gesellschaft gebündelt werden. Das Projekt DS2CCP - Entwicklung einer digitalen Sensor-2-Cloud Campus-Plattform ist eines von 45 dtec.bw Projekten an der HSU/UniBw H und wird durch die Europäische Union - NextGenerationEU - gefördert.
Der Netzwerkausrüster Ericsson liefert neue Stromspartechnik für das Netz von Vodafone.