Editorial: Lobbyalarm
Der Zwangsrouter wäre fast per Gesetz möglich gewesen - dank Lobbyisten?
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Eigentlich war alles klar: Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition
ist vereinbart, dass der
Routerzwang abgeschafft
werden soll. Und auch die Bundesnetzagentur war bisher dafür, dass den
Kunden die nötigen Zugangsdaten auf Anfrage
mitgeteilt werden. Auch und gerade dann, wenn vorkonfigurierte Router
ausgeliefert werden. Um so mehr verwundert, dass im finalen Entwurf
der Transparenzverordnung plötzlich das genaue Gegenteil stand:
Transparenz wurde nur noch insofern verlangt, als dass die Netzbetreiber
unmissverständlich über den Routerzwang informieren sollte.
Wahrscheinlich war es ein Lobbyist, der hier in letzter Sekunde doch noch einen Mitarbeiter der Bundesnetzagentur von der Änderung zugunsten der Möglichkeit zum Routerzwang überzeugte. Diesem darf man zu diesem Coup herzlich gratulieren!
Zum Glück war dieses Mal die Öffentlichkeit wachsam, und der unerwartete Passus der Transparenzverordnung wurde in zahlreichen Verbrauchermagazinen und Wirtschaftsmedien zitiert. Draufhin pfiff das Bundeswirtschaftsministerium die ihr unterstellte Bundesnetzagentur ungewöhnlich scharf zurück. Es bleibt also die Hoffnung, dass zugunsten der Verbraucher der Routerzwang durch einen Zwang zur Mitteilung der Zugangsdaten ersetzt wird.
Andere Lobbyisten waren erfolgreicher
Der Zwangsrouter wäre fast per Gesetz möglich gewesen - dank Lobbyisten?
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Bei anderen Gelegenheiten war es der Provider-Lobby in der Vergangenheit
hingegen gelungen, besonders verbraucherfreundliche Regelungen zu kippen:
So enthielt die ursprüngliche, mit der Telekom-Deregulierung 1998 in
Kraft getretene Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (kurz TKV)
die beiden folgenden Regelungen: Bei
Preiserhöhungen oder anderen Änderungen der AGB zu seinen Ungunsten
hatte der Kunde ein Sonderkündigungsrecht
(§ 28 Abs. (3) TKV 1998).
Zudem hatte der Kunde das
Recht, ein maximales monatliches Entgelt vorzugeben. Dieses durfte
nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kunden überschritten werden
(§ 18 TKV 1998).
Zum 11. Mai 2002 wurde § 28 TKV ersatzlos aufgehoben. Das wurde vom Gesetzgeber mit dem Anfang 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz begründet, das AGB-Sonderregeln für Tk-Verträge überflüssig machen würde. Nur: Ein generelles Recht des Kunden auf Kündigung nach Preiserhöhungen oder anderen AGB-Verschlechterungen findet sich im Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gerade nicht. Seitdem mündet die Frage, ob eine Preiserhöhung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, immer in einer recht diffizilen Einzelfallentscheidung, die mitnichten immer zugunsten des Verbrauchers ausgeht.
Die Umsetzung von § 18 TKV wurde hingegen zunächst auf Lobbydruck auf Anfang 2001 verschoben. Die Provider argumentierten mit dem hohen Umsatzungsaufwand bei der Einführung des Rechnungslimits. Zum 24 Februar 2007 wurde die TKV ins TKG integriert. Dabei starb § 18 TKV einen stillen Tod - er fand einfach keine Entsprechung in den Regelungen des TKG. Dabei hätte gerade diese Regelung in den Folgejahren helfen können, so manche Schockrechnung zu vermeiden!
Nur zufriedene Kunden sind gute Kunden
Überhaupt entsteht der Eindruck, dass der Gesetzgeber die Tk-Branche manchmal förmlich zu ihrem Glück zwingen muss: Absurd hohe Roaming-Gebühren selbst innerhalb der EU, Zwangsrouter, unerkannte Dialer, endlose kostenpflichtige Hotline-Warteschleifen: All das wurde (oder wird künftig) gesetzlich verboten, und all das drückt die Zufriedenheit der Kunden, da sie sich gegängelt und abgezockt fühlen. Zwar wird durch solche Maßnahmen kurzfristig erstmal mehr verdient. Doch auf lange Sicht nehmen die Umsätze ab, denn ein unzufriedener Kunde kauft nur das allernötigste. Gerade die Tk-Branche könnte dank immer neuer technischer Möglichkeiten viele neue Produkte kreieren, um ihre Umsätze zu steigern.
Doch die vergleichsweise wenigen neuen Tk-Dienste, die am Markt sind, treffen auf einen geradezu umfassenden Käuferstreik. Neue Hardware-Formate, allen voran Smartphones und Tablets, treffen hingegen auf sehr breites Käufer-Interesse. Für Apple-Endgeräte sind die Kunden gerne bereit, alle ein bis zwei Jahre einige hundert Euro extra auszugeben, für Entertain-Anschlüsse der Deutschen Telekom hingegen nicht. Die Kundenzufriedenheit ist bei Apple aber auch deutlich höher als bei der Telekom.