keine Zahlung

Editorial: Eltern haften nicht für alle Dummheiten der Kinder

Preise dürfen auch nicht "wucherisch überhöht" sein
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Der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) setzt seine Serie verbraucherfreundlicher Urteile im Bereich der Telekommunikation fort. Demnach haftet eine Mutter nicht dafür, dass ihre Tochter über ihren Telefonanschluss teure R-Gespräche angenommen hat. Ebenso hatte der BGH vor knapp zwei Jahren eine Haftung des Anschlussinhabers für hohe Dialer-Kosten über 0190-Nummern verneint, wenn sich der Dialer unbemerkt installiert hatte.

In beiden Urteilen geht es grundsätzlich um dieselbe Frage: Wie viel Sorgfaltspflichten kann bzw. muss man dem Endverbraucher zumuten, wenn es darum geht, seinen Anschluss von unerwünschten, teuren Diensten freizuhalten. Bei beiden Urteilen hat der Bundesgerichtshof dabei ein gesundes Augenmaß und Einsicht in "normales" Verbraucherverhalten bewiesen. Es kann nicht Aufgabe eines Endnutzers sein, sich dauernd über neue mögliche Abzockmethoden zu informieren, und dann jeweils geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Konsequent führt der BGH in der Pressemitteilung aus, dass "die Beklagte [Mutter] auch nicht gehalten war, ihrer Tochter vorsorglich die Entgegennahme von R-Gesprächen zu verbieten, da dieser Dienst und dessen hohe Kostenträchtigkeit im maßgebenden Zeitraum (Juni 2003) nach dem bisherigen Sach- und Streitstand einem durchschnittlichen Telefonanschlussinhaber nicht geläufig sein mussten."

Ebenfalls erfreulich ist aus Verbrauchersicht, dass der BGH auch die hohen Preise für überprüfungswürdig hält. Ausdrücklich wurde dem Landgericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, auferlegt, bei Bedarf zu prüfen, ob eine "wucherische Überhöhung" der Preise vorliegt. Immerhin kosteten die R-Gespräche 2,9 Cent pro Sekunde bzw. 1,74 Euro pro Minute - deutlich mehr als normale Gespräche vom Festnetz zum Handy, die sich zum fraglichen Zeitpunkt im Bereich von ca. 15 bis ca. 30 Cent pro Minute bewegten. Würde diese wucherische Überhöhung bejaht werden, wäre dieses ein weiterer Grund, um die Zahlungspflicht der Mutter zu verneinen.

Wahrscheinlich wird es allerdings nicht zu der genannten Wucher-Prüfung kommen, da diese vom BGH erst im zweiten Schritt gefordert wurde. Im ersten Schritt muss zunächst "Beweis erhoben" werden, ob tatsächlich die Tochter die R-Gespräche angenommen hat. Sagen Mutter und Tochter übereinstimmend und glaubhaft aus, dass dem so war, wird das zurückverwiesene Verfahren damit bereits abgeschlossen sein. Die Mutter muss dann gemäß den Vorgaben des BGH für die R-Gespräche ihrer Tochter nicht zahlen. Zwar könnte der R-Gespräch-Anbieter noch die Tochter selber verklagen, dürfte damit aber an den Regelungen über die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger scheitern.

Dennoch ist der Hinweis des BGH auf die wucherische Überhöhung interessant: Andere Nutzer, die keine Kinder haben, aber dennoch längere R-Gespräche angenommen haben, und dann beim Anblick der Rechnung erschreckt sind, könnten ebenfalls versuchen, gegen diese zu klagen bzw. sich verklagen zu lassen. Allerdings sollte man vorher, ggf. per Rechtsanwalt, prüfen lassen, ob die Ausführungen des BGH wirklich auf den eigenen Fall zutreffen. Dazu muss man allerdings noch warten, bis die ausführliche Urteilsbegründung des BGH vorliegt. Bis jetzt gibt es nur eine Pressemitteilung.