Editorial: Und was gilt für Altverträge?
Das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) tritt am 1. Dezember 2021 in Kraft
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Erst die gute Nachricht: Nicht nur im BGB hat der Gesetzgeber
jüngst die unsinnigen Vertragsverlängerungen
bei Verbraucherverträgen ersatzlos gestrichen. Auch im ab
1. Dezember gültigen neuen TKG hat eine Regelung Eingang gefunden,
die nach Ablauf der Mindestlaufzeit eine Vertragsverlängerung um
einen bestimmten Zeitraum verbietet. Aus einem Vertrag mit
Mindestlaufzeit wird nach Ablauf der Mindestlaufzeit dann einfach ein
unbefristeter Vertrag, der monatlich kündbar ist. Man ist also nicht
mehr gezwungen, Verträge zu bestimmten Zeitpunkten zu verlängern,
sondern kann sie künftig einfach so lange weiterlaufen lassen, bis
man ein gutes neues Angebot findet. Gerade im Telekommunikationsbereich,
wo man vielleicht auf ein interessantes neues Handymodell oder die
Verfügbarkeit einer neuen Festnetztechnologie vor Ort wartet, ist
diese flexible Kündigungsmöglichkeit wirklich ein Segen.
Auch das aktuelle Unwesen, Verträge abzuschließen, die nach Ablauf der Mindestlaufzeit deutlich teurer werden, dürfte damit in Zukunft deutlich zurückgefahren werden. Denn wenn die Nutzer dann den Schock der "ersten Rechnung danach" erleben, dann können sie sofort kündigen, müssen dann nur noch einen Monat abwarten, und dann sind sie raus. Statt 12 Monaten können die Anbieter die Kunden daher künftig in der Regel nur noch 3 Monate im künstlich verteuerten Vertragsverlängerungstarif binden.
Da auch die zweijährige Laufzeit bei einem neuen Vertrag schon zu lang sein kann, dürfte einigen Kunden auch eine weitere Neuregelung zugutekommen: Bei Vertragsabschluss eines 2-Jahres-Vertrags muss alternativ auch ein 1-Jahres-Vertrag angeboten werden. Dieser darf schlechtere Konditionen haben. Die aktuell vielerorts anzutreffende Praxis, nur 2-Jahres-Verträge anzubieten, wird aber verboten.
Unklares Schicksal für Altverträge
Das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) tritt am 1. Dezember 2021 in Kraft
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Die schlechte Nachricht ist, dass der Gesetzgeber es m.E. versäumt
hat, eindeutig zu bestimmen, was mit Altverträgen passiert.
Im § 56 des ab 1. Dezember gültigen TKG (Achtung: In vielen
Internet-Datenbanken findet man noch die aktuell gültige Version;
das Gesetz zur Änderung des TKG findet man aber beispielsweise im
Bundesgesetzblatt)
heißt es wörtlich in Absatz (3):
"Ist in einem Vertrag zwischen einem Endnutzer
und einem Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste
[...] vorgesehen, dass er sich nach Ablauf
der anfänglichen Vertragslaufzeit stillschweigend verlängert,
wenn der Endnutzer den Vertrag nicht rechtzeitig kündigt, kann
der Endnutzer einen solchen Vertrag nach Ablauf der
anfänglichen Vertragslaufzeit jederzeit unter Einhaltung
einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen."
Legt man diesen Bandwurmsatz verbraucherfreundlich aus, bedeutet das: ALLE Verträge, die sich am 01.12.2021 (dem Tag des Inkrafttreten des Gesetzes) bereits jenseits der ursprünglichen 2-Jahres-Laufzeit befinden, sind dann sofort und jederzeit mit einmonatiger Frist kündbar. Andererseits gilt aber normalerweise für alte Verträge Bestandsschutz, wenn neue Gesetze kommen. Und das würde bedeuten: Für Altverträge gilt das alte TKG weiter, das neue TKG ändert hier gar nichts.
Diese schlechte, nur auf neue Verträge gerichtete Variante gilt übrigens bei der allgemeinen Streichung der Mindestlaufzeit im BGB. Dort wird in den Übergangsregelungen des zugehörigen Änderungsgesetzes klar definiert, dass für Altverträge auch die alten Kündigungsbedingungen weiterlaufen. Beim Altvertrag mit dem Fitness-Center bleibt es also bei der jährlichen Verlängerung. Aber was gilt im TKG? Wie sehen dort die Übergangsvorschriften aus und haben dort Altverträge ebenfalls Bestandsschutz?
Im neuen TKG stehen die Übergangsvorschriften in § 230, doch sie erwähnen § 56 nicht. Der Tenor etlicher Übergangsvorschriften ist aber, dass grundsätzlich vor dem Inkrafttreten des neuen TKG gefällte Beschlüsse wirksam bleiben. Das spricht dafür, dass auch Altverträge einen gewissen Bestandsschutz genießen.
Auch sonst genießt der bereits erwähnte Bestandsschutz laufender Verträge vor Gericht einen hohen Stellenwert. Und daher kann ich mir nicht vorstellen, dass viele Gerichte den zitierten Bandwurmsatz aus § 56 TKG dahingehend interpretieren werden, dass eine bereits erfolgte Vertragsverlängerung zum 1. Dezember 2021 nun unwirksam wird. Hoffentlich werden aber deutlich mehr Gerichte zumindest ab diesem Termin keine neuen Vertragsverlängerungen mehr zulassen, auch bei Altverträgen nicht.
Reaktion der Anbieter
Hoffentlich werden viele Anbieter der verbraucherfreundlichen Interpretation folgen, und ab 1. Dezember die kurzfristige Kündigung aller Verträge anbieten, die älter als zwei Jahre sind. Andere Anbieter werden den Absatz enger auslegen und gegen die Verbraucher, die nach einer Kündigung eines verlängerten Altvertrags nicht mehr zahlen wollen, vor Gericht ziehen. Dabei werden sich vor den niederen Gerichten drei Varianten herauskristallisieren:
- Kündigung von mehr als zwei Jahre alten Altverträgen ist uneingeschränkt möglich (kein Bestandsschutz)
- Alte Vertragsverlängerungen bleiben wirksam, ab 1. Dezember 2021 finden aber keine neuen Vertragsverlängerungen mehr statt (Bestandsschutz nur für bereits erfolgte Vertragsverlängerungen)
- Kündigung von Altverträgen ist nur nach den Regelungen des Altvertrags möglich (voller Bestandsschutz)
Das neue TKG ist in Kraft: Rufnummernportierungen sind kostenlos.