Huawei

Editorial: Etwas Entspannung

Gefan­genen­aus­tausch zwischen Kanada und China: Huaweis Finanz­chefin Meng Wanzhou und zwei Kana­dier sind frei
Von

Huaweis Finanzchefin Meng Wanzhou ist frei Huaweis Finanzchefin Meng Wanzhou ist frei
Foto: teltarif.de
Die Szene erin­nert an frühere Agen­ten­aus­täu­sche, wie sie wieder­holt auf der Glie­nicker Brücke statt­gefunden hatten und im Film "Bridge of Spies" holly­wood­gerecht aufge­arbeitet wurden: Zeit­gleich wurden die in Kanada inhaf­tierte Huawei-Finanz­chefin Meng Wanzhou nach China und die in China inhaf­tierten kana­dischen Staats­bürger Michael Kovrig und Michael Spavor nach Kanada ausge­flogen. Kovrig und Spavor wurden in Calgary vom kana­dischen Premier­minister Justin Trudeau in Empfang genommen. Auch Wanzhou wurde in China gebüh­rend begrüßt - so stand auf dem 550 Meter hohen Ping An Finanz­zen­trum zu lesen: "Will­kommen zu Hause, Meng Wanzhou!".

Möglich wurde die Entwick­lung, weil die USA auf die Fort­füh­rung eines Auslie­ferungs­ver­fah­rens gegen Wanzhou wegen angeb­licher Täuschung engli­scher Geschäfts­banken verzichtet haben. Den Angaben zufolge hatte Wanzhou bei einer Präsen­tation in der Geschäfts­bank HSBC die Bezie­hungen zwischen Huawei und einer Toch­ter­firma Skycom falsch darge­stellt, sodass die Bank grund­sätz­lich Gefahr lief, durch ihre Geschäfts­bezie­hung mit Huawei die vor dem Atom­abkommen geltenden Sank­tionen der USA gegen den Iran zu verletzen, da Skycom unter anderem Tele­kom­muni­kati­ons­aus­rüs­tung an den Iran lieferte.

Im Gegenzug für die Frei­las­sung musste Wanzhou wohl ein grund­sätz­liches Schuld­aner­kenntnis unter­schreiben und sich einer Art "Bewäh­rung" bis Ende 2022 unter­werfen. Im Gegenzug erhält sie aber die Frei­heit zurück. Bisher stand sie in Kanada unter Haus­arrest.

Sehr dünne Vorwürfe

Huaweis Finanzchefin Meng Wanzhou ist frei Huaweis Finanzchefin Meng Wanzhou ist frei
Foto: teltarif.de
Wie bereits in einem früheren Edito­rial ausge­führt, stand die Anklage gegen Wanzhou in den USA auf sehr wack­ligen Beinen. Zum einen war China, wo Wanzhou tätig war, nie den Sank­tionen gegen den Iran beigetreten. Zum anderen konnte Huawei vor einem Gericht in Hong­kong die Heraus­gabe interner E-Mails von HSBC erstreiten, aus denen (nach Angaben von Huawei, die frei­lich von HSBC und auch von anderer Seite nie bestritten wurden) eindeutig hervor­geht, dass HSBC unab­hängig von dem frag­lichen Vortrag über die Geschäfts­bezie­hungen zwischen Skycom und dem Iran wusste. Damit fällt aber der Vorwurf der Unter­las­sung einer nötigen Aufklä­rung in sich zusammen.

Zudem ging es um Geschäfte vor dem Atom­abkommen, mit dem 2015 die Sank­tionen gegen den Iran aufge­hoben worden waren. Zwar waren die USA kurze Zeit später unter Trump wieder aus dem Atom­abkommen ausge­stiegen und neue Sank­tionen in Kraft gesetzt worden. Das ändert aber eigent­lich nichts an der Aufhe­bung der alten Sank­tionen, für deren Unter­lau­fung Wanzhou bestraft werden sollte. Zudem hat Groß­bri­tan­nien, wo das frag­liche Gespräch statt­fand und wo HSBC ihren Sitz hat, das Atom­abkommen bisher noch nicht gekün­digt, sondern möchte, wie auch die EU, zu diesem zurück­kehren.

Kanada gelangte in diesem poli­tischen Streit zwischen den USA und China zwischen die Fronten, als sie auf Wunsch der USA Wanzhou im inter­natio­nalen Bereich des Flug­hafens verhaf­teten, als sie von China kommend in einem Flug nach Südame­rika umsteigen wollte. Dass sie in den USA nicht will­kommen ist, wusste Wanzhou sicher. Dass sie aber auch in Kanada verhaftet werden würde, wo sie jahre­lang gelebt hatte und mit ihrem Mann über zwei große Anwesen verfügt, hatte sie wohl nicht erwartet.

Rache­justiz

In China sah man aus den genannten Gründen Wanz­hous Verhaf­tung daher wohl von Anfang an als poli­tisch moti­viert an. Man zögerte nicht lange und setzte auch zwei Kana­dier - Michael Kovrig und Michael Spavor - wegen angeb­licher Spio­nage fest. Spavor wurde jüngst zu elf Jahren Haft verur­teilt - die er nun nicht mehr absitzen muss, er ist ja wohl­behalten zurück in Kanada. Auch einige weitere Kana­dier, die in China wegen Rausch­gift­delikten verhaftet wurden, wurden in letzter Zeit sehr hart bestraft, nämlich mit der Todes­strafe. Im Fall von Robert Schel­len­berg wurde die Strafe sogar nach­träg­lich von einer zunächst 15-jährigen Haft­strafe auf die Todes­strafe verschärft. Exeku­tiert worden sind diese Urteile aber wohl noch nicht, und wahr­schein­lich finden China und Kanada auch hier in abseh­barer Zeit eine Lösung, dass diese Urteile durch teil­weise Begna­digung doch wieder in lange Haft­strafen umge­wan­delt werden. Da Kanada die Todes­strafe schon seit 1999 abge­schafft hat, und auch schwerst straf­fäl­lige Chinesen in Kanada entspre­chend "nur" lang­jäh­rige Haft­strafen erhalten, wird man es schon schaffen, auf dem diplo­mati­schen Weg ein rezi­prokes Vorgehen auszu­han­deln.

Man muss hier China also sicher Rache­justiz vorwerfen. Ande­rer­seits, der Beginn der Eska­lation waren die unhalt­baren Vorwürfe gegen Wanzhou. China sah diese sicher auch als Einmi­schung in innere Ange­legen­heiten - nämlich die Frage, ob sie Geschäfte mit dem Iran eingehen oder nicht. Und man muss auch die Frage erlauben, wie die USA reagiert hätten, wenn China das befreun­dete Russ­land davon über­zeugt hätte, Benjamin Fried, den CIO von Google, auf einem Tran­sit­flug in Moskau zu verhaften, weil Google es schließ­lich über seine Such­maschine jahre­lang ermög­licht hat, VPN-Soft­ware zu finden, mit der die "Große Fire­wall von China" unter­laufen werden kann. Mit Sicher­heit wären die US-Reak­tionen auf dieses Husa­ren­stück genauso wenig zimper­lich gewesen.

Entspan­nung

Hoffen wir also, dass die Frei­las­sung von Wanzhou, Kovrig und Spavor ein kleines Zeichen der Entspan­nung zwischen den Super­mächten USA und China ist. Für die Verbrau­cher kann das nur gut sein. Denn je weniger sich die Führenden der Top-Tech­nolo­gie­firmen um Politik und statt­dessen um das eigent­liche Geschäft kümmern können, desto schneller schreitet die Inno­vation voran. Und ja, zur Bewäl­tigung der aktu­ellen Krisen, allen voran des Klima­wan­dels, bedarf es noch gewal­tiger Inno­vationen.

Weitere Edito­rials